piwik no script img

Problematische InvestitionenStaatlicher Rentenfonds in Kritik

Im Kenfo-Fonds wird das Kapital für die staatliche Aktienrente angelegt. Greenpeace kritisiert große Defizite bei Umwelt und Menschenrechtsstandards.

Greenpeace ist die Aktienrente nicht nachhaltig genug Foto: Maja Hitij/dpa

Berlin afp | Die Umweltorganisation Greenpeace äußert scharfe Kritik an der Art und Weise, wie der für die künftige Aktienrente zuständige Fonds Kenfo sein Geld anlegt. Eine Analyse habe gezeigt, „dass die bestehende Strategie erhebliche Defizite aufweist, die eine glaubwürdige Umsetzung internationaler Umwelt- und Menschenrechtsstandards gefährden“, erklärte Greenpeace am Montag. Rund 5,5 Prozent des Anlageportfolios seien mit „schwerwiegenden Klima-, Umwelt- und Menschenrechtskontroversen verbunden“.

Greenpeace hatte die Vorgaben des Fonds für die Geldanlage sowie die tatsächlichen Investitionen untersucht. Der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo) verwaltet derzeit Geld für die Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung von Atommüll. Künftig soll er auch für die Aktienrente – offiziell heißt sie Generationenkapital – zuständig sein. Für diese stellt der Bund einen Kapitalstock zur Verfügung. Der Kenfo soll die Mittel gewinnbringend anlegen, um die Rentenkasse zu entlasten.

Der Fonds verfolgt „einen umfassenden Nachhaltigkeitsansatz für das gesamte Portfolio“, wie es auf seiner Internetseite heißt. Es wird insbesondere auf „ESG-Kriterien“ verwiesen – ESG steht für Umwelt (englisch: environment), Soziales (englisch: social) und Unternehmensführung (englisch: corporate governance). Ausgeschlossen sind Investitionen in Firmen aus bestimmten Branchen, darunter Betreiber von Atom- und Kohlekraftwerken sowie Waffenhersteller. Auch Staatsanleihen von autoritären Staaten werden laut Kenfo nicht gekauft.

Im Detail sei die Anlagestrategie des Fonds aber intransparent, kritisiert Greenpeace. So veröffentliche er „zum Beispiel keine CO₂-Bilanzen seines Portfolios nach gängigen Metriken“. Auch habe sich der Fonds zwar zur „Klimaneutralität bis 2050“ verpflichtet. Es fehle aber „an einer klaren Linie, wie man dies erreichen kann“.

Greenpeace bemängelt Umsetzung

Greenpeace bemängelt zudem die praktische Umsetzung der Anlagestrategie. Die Organisation verwendete „etablierte Listen kritischer Unternehmen verschiedener Nichtregierungsorganisationen“ und glich diese mit dem Kenfo-Portfolio zum Stichtag 31. Dezember 2023 ab. „Das Vorgehen beschränkt sich dabei auf die Identifikation von gravierenden Kontroversen und Konflikten in den Bereichen Soziales (Menschen- und Arbeitsrechte), Klima und Naturzerstörung“, erklärte Greenpeace.

Der Analyse zufolge gibt es bei rund 5,5 Prozent des Portfolios schwerwiegende „Kontroversen“. Das entspreche einem Anlagevolumen von 1,29 Milliarden Euro. Greenpeace kritisiert unter anderem die Investition in Wertpapiere des Öl- und Gasförderers Saudi Aramco und des brasilianischen Rindfleischproduzenten JBS.

Insgesamt weise die Anlagestrategie „erhebliche Defizite“ auf, resümierte Greenpeace. „Für das geplante Generationenkapital besteht daher dringender Handlungsbedarf, um glaubwürdige Nachhaltigkeitsstandards zu gewährleisten“, hieß es weiter. „Das Ziel der ethischen Geldanlage muss bereits im Gesetz verankert werden.“

Kenfo-Vorstandschefin Anja Mikus hatte sich in einem am Freitag veröffentlichten Interview zu dem Thema geäußert und gegen zu enge Vorgaben gewandt. Dem Portal Table Media sagte sie, Nachhaltigkeit sei „ein sehr dynamischer Prozess, da gibt es immer neue Erkenntnisse, Messverfahren, Technologien. Wenn man diese Details heute im Gesetz festschreibt, ist es schwierig, diese zu ändern, wenn es später nicht mehr passt.“ Außerdem stünden zu viele Vorgaben „im Widerspruch zu den Renditeerwartungen“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Der Trend in der Geldanlage geht ja eher zum Anti-ESG-ETF, seitdem klar geworden ist, ESG ist schlecht für die Gewinne.



    Dann ist auch noch sehr fraglich, ob die ESG-Maßnahmen wirklich Verbesserungen bei den Problemfeldern bringen oder nur höhere Kosten für Marketing und Auditing etc....

  • Diese Greenpeace Kritik am Kenfo-Fonds ist zielführend, gehört aber erweitert auf das Grundübel geplanten kapitalbasierter Ampelkoalition Aktienrente zur angeblichen Entlastung paritätisch allein beteiligt gesetzlicher Rentenbeitragszahler Arbeitnehmer, Arbeitgeber, weil die Aktienrente nicht über steuerliche Veranlagung jener vermögenden Schichten, die sich kaum bis gar nicht an gesetzlicher Rentenfinanzierung beteiligen, wie Grund- Bodeneigentümer, Beamte, Abgeordnete in Bund- und Länderparlamenten, Freiberufler inflationssenkend durch Kaufkraftabschöpfung in diesen Schichten, sondern über inflationsbelebend staatliche Neuverschuldung durch 12 Milliarden € Schub/anno finanziert werden sollen, damit Aktien in Händen jener, die bereits über diese Vermögenswerte Aktien Immobilien, Grund, Boden verfügen wertsteigernd schützen und mehren, Zugang zu Aktien, neben Immobilien, Grund, Boden für vermögensfern breite Schichten unerschwinglich machen. Zu kritisieren ist auch, dass im deutschen Rentensystem, anders als im Schweizer, Beitragsbemessungsgrundlage bei hohen Einkommen gedeckelt ist, statt nach oben offen Rentenerwartungen wie in Schweiz zu deckeln

  • "Außerdem stünden zu viele Vorgaben „im Widerspruch zu den Renditeerwartungen“." - trockener kann man das Elend da Finanzkapitalismus nicht beschreiben. Oder anders: ohne Zerstörung von Planet und Gesellschaft keine Zukunft für die Rentner*innen, zumindest nicht, wenn auf die Aktienrente gesetzt wird.

  • Das Ziel ist doch Rendite und Sicherung unserer Rente. Das muss Priorität haben. Vorbild Norwegen. Wir können unseren zukünftigen Generationen keinen Scherbenhaufen hinterlassen.

  • Naja, sind wir mal ganz ehrlich zu uns selbst: Sollte jeder Leser nur 5,5% seines Konsums für 'problematische' Dinge ausgeben..... dann wären wir viele % besser als aktuell. Mit unserem Erdöl, Nahrung, Wohnungswahl, Mobilität....

  • Tja, "Renditeerwartung".



    Das passiert wenn man die Rente kapitalistisch finanzieren will anstatt alle Rentenversicherten gerecht einzahlen zu lassen.



    Stattdessen: Beitragserhöhungen für die Mittelschicht.



    Klasse, SPD.



    Ihr macht alles richtig.

    • @So,so:

      Ihr Kommentar ist doch unlogisch: Die von ihnen kritisierte Renditeerwartung hat man doch nur, wenn man NICHT alles auf den Beitragszahler umlegt.

    • @So,so:

      Ist das nicht die FDP, die auf eine börsenfinanzierte Rente gedrängt hat?



      Was ich mich frage: werden die Renten eigentlich gesondert abgesichert für den Fall, dass die Börse wieder mal crasht? Oder gibt es dann eine pauschale Auszahlung von x% an Alle? Wenn schon börsenfinanziert, sollte es dann nicht auch eine Regelung geben, dass die Renteneinlagen zu 100% durch den Staat gedeckt werden?