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Diskriminierung von Zwei-Mütter-FamilienBetroffene müssen weiter hoffen

Am Bundesverfassungsgericht und in der Bundesregierung soll die Anerkennung der Mitmutterschaft in diesen Tagen beschleunigt werden. Doch es hakt.

Nicht jede Familie besteht aus Vater, Mutter und Kind. Doch Zwei-Mütter-Familien werden weiterhin diskriminiert Foto: Francesco Carta fotografo

Berlin taz | In dieser Woche sollen zwei Ereignisse die rechtliche Anerkennung von Zwei-Mütter-Familien voranbringen. An diesem Mittwoch stellt ein Mütterpaar einen Befangenheitsantrag gegen den zuständigen Verfassungsrichter Henning Radtke. Und am Freitag präsentiert das Bundesjustizministerium seine Gesetzentwürfe zum Familienrecht den Bundesländern.

Die Diskriminierung ist lange bekannt: Wenn eine heterosexuelle Ehefrau ein Kind bekommt, wird der Ehemann automatisch rechtlicher Vater, selbst wenn er an der Zeugung des Kindes nicht beteiligt war. Dagegen wird in einer lesbischen Ehe die Ehefrau der gebärenden Mutter nicht automatisch Mitmutter. Die Ehefrau müsste das Kind erst adoptieren und sich dabei vom Jugendamt überprüfen lassen. Viele finden das stigmatisierend.

Auf zwei Wegen wird derzeit versucht, diese Diskriminierung zu beenden. Am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) liegen sechs Fälle zur Prüfung vor. Außerdem hat sich die Ampelkoalition eine gesetzliche Reform vorgenommen. Doch auf beiden Wegen hakt es.

Das Ehepaar Catherine K. und Christin G. hat im September 2022 Verfassungsbeschwerde erhoben, weil G. nicht als Mitmutter des von K. geborenen Kindes Mischa anerkannt wurde. Das BVerfG hat über die Verfassungsbeschwerde bisher ebenso wenig entschieden wie über die fünf parallelen Richtervorlagen.

Untätigkeit in Karlsruhe

Weil der federführende Richter Henning Radtke bei einer Tagung im Juli 2024 gesagt haben soll, die Co-Mutterschaft sei eher eine Entscheidung für den Gesetzgeber als für das BVerfG, lehnen die Klägerinnen Radtke nun wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Für eine Voreingenommenheit Radtkes spreche auch, dass er in der gleichen Zeit das Verfahren eines unehelichen biologischen Vaters vorangetrieben hatte, der nicht rechtlicher Vater werden konnte.

Der Befangenheitsantrag wurde von der Anwältin Lucy Chebout und den Rechtsprofessorinnen Anne Sanders und Dana-Sophia Valentiner verfasst. Er wird von der Organisation „Nodoption“ unterstützt, die Regenbogenfamilien im Kampf um gemeinsame Elternschaft ohne Adoption vertritt. Der Befangenheitsantrag hat allerdings wenig Aussicht auf Erfolg.

Dass wichtige Verfahren in Karlsruhe jahrelang liegen bleiben, ist nicht unüblich und daher kein Indiz für Voreingenommenheit. Es ist im Sinne der Gewaltenteilung auch durchaus naheliegend, dass die Verfassungsrichter erst einmal auf den Gesetzgeber wartet, wenn dieser ankündigt, er wolle einen möglichen Verfassungsverstoß selbst reparieren.

Blockade in Berlin

Immerhin heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP: „Wir werden das Familienrecht modernisieren. (…) Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist.“

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat erste Eckpunkte zum Abstammungsrecht im Januar 2024 vorgelegt. Im September wurde sein Gesetzentwurf fertig, doch aufgrund einer komplizierten Lage in der Bundesregierung liegt er derzeit auf Eis. So will Buschmann gleich ein ganzes Paket an familienrechtlichen „Modernisierungen“ ins Kabinett bringen.

Konkret geht es um Gesetzentwürfe zum Abstammungsrecht, zum Kindschaftsrecht und zum Unterhaltsrecht. Politische Probleme gibt es in der Ampel nur beim Unterhaltsrecht für Trennungskinder, wo Buschmann Väter, die sich mehr als 29 Prozent (und weniger als 50 Prozent) an der Kinderbetreuung beteiligen, erstmals bei den Unterhaltszahlungen entlasten will.

Die Grünen, insbesondere Familienministerin Lisa Paus, sind hier skeptisch, weil dies zu Nachteilen für alleinerziehende Mütter führen könnte. Solange die Grünen das Unterhaltsrecht blockieren, blockiert aber Buschmann das Abstammungsrecht mit der Zwei-Mütter-Familie, die wiederum den Grünen besonders am Herzen liegt.

Buschmann versucht es mit einem Kniff

Um nun Dynamik in die Sache zu bringen, hat Buschmann Anfang Oktober alle drei Gesetzentwürfe informell an die Bundesländer geschickt. Damit hat er ausdrücklich nicht die übliche Verbände- und Länderanhörung gestartet, die erst nach der ersten Kabinettsbefassung möglich ist, sondern ein ganz neues Verfahren erfunden. Die Länder geben auch noch keine Stellungnahmen ab.

Vielmehr hat Buschmann die Landesjustizministerien für den 25. Oktober, also den kommenden Freitag, zu einer Diskussion der Entwürfe eingeladen. Nach taz-Informationen wird die Online-Besprechung auf Arbeitsebene erfolgen und rund zwei Stunden dauern.

Ob dieser Kniff dazu führt, die Verhandlungsbereitschaft auf Bundesebene zu fördern, wird sich zeigen. Inzwischen ist es auch denkbar, dass sich die Ampelregierung nicht einmal mehr in gesellschaftspolitischen Fragen einigen kann.

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6 Kommentare

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  • Das Problem ist doch ganz anders gelagert. Der eigentliche Anachronismus ist die automatische Vaterschaft in der Ehe heterosexueller Paare. Diese sollte aufgehoben und neu gedacht werden. Bestehen Zweifel an der Vaterschaft (ggf. durch Dritte Personen oder Behörden), dann ist halt ein Vaterschaftstest durchzuführen. Die genetische Vaterschaftsermittlung ist ja inzwischen anerkannt.

    Jeder, der nicht genetisch Elter (egal welches Geschlecht) muss dann adoptieren. Dann gibt es auch keine Diskriminierung mehr.

    • @DiMa:

      Ja das wäre sinnvoll.



      Würde auch manchen Problematiken bezüglich sogenannter Kuckuckskinder Einhalt gebieten.



      Es wäre dann schwerer jemanden eine Verpflichtung aufzudrücken, die er eigentlich nicht hat.



      Und es hätte keinen Einfluss auf die die sich ihrer Verpflichtung entziehen, da die sowieso mit Gentests ran gezogen werden müssen...

    • @DiMa:

      Das ist identitär argumentiert und am Thema vorbei.



      Diese Praxis dient zunächst vor allem dem Schutz der Solidargemeinschaft (dem Staat) davor, für das Kind aufkommen zu müssen. Dann dient sie dem Schutz der (untreuen) Mutter davor, alleine für das Kind aufkommen zu müssen, falls sich der Vater trennt. Dann erst dient sie dem Schutz des Kindes.



      Im Gegenzug für die Versorgungsgemeinschaft genießen Ehegatten und Lebenspartner steuerliche Vorzüge.

      Insofern muss das Gesetz entweder ausgeweitet werden auf gleichgeschlechtliche weibliche Paare - uns Schwulen ist es nunmal einfach biologisch vergönnt Kinder zu gebären.

      Oder es müsste die Möglichkeit geschaffen werden, dass zunächst jede Person Elternteil werden kann, aber bei später festgestellter biologischer Nicht-Vaterschaft diese (rückwirkend) ablehnen kann. Das würde uns Schwulen endlich ermöglichen ohne Adoption Väter von Kindern einer Mutter zu werden.



      - Dann würde aber die Solidargemeinschaft viel umfassender in Anspruch genommen werden.



      Gerade das wäre aber ganz sicher nicht im Sinne des Staates - unzählige gehörnte Ehegatten drängen nicht ohne Grund seit Jahren erfolglos darauf.

      • @Bernd Lauert:

        Diese Argumentation ist doch sehr stark veraltet und passt nicht mehr in das heutige Bild.

        Die untreue Mutter halte ich schlichtweg nicht für schutzwürdig und den Staat ebensowenig. Wichtig ist vor allem das Kind, welches ein Recht auf die Kenntnis der eigenen Abstammung hat u d dessen Rechte durch die heutige Rechtslage verschleiert werden.

        Mutter und Staat können sich dann im Zweifelsfall beim echten Vater schadlos halten.

  • Meistkommentiert: Schlusslicht Deutschland

    Themen, an denen sich unsere Politik abarbeitet, Mitmutterschaft.

    Ich fall vom Stuhl.

    • @insLot:

      ...und nicht mal da werden sie sich einig - das ist noch die größere Peinlichkeit an dieser Posse.