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Jakob Blasel in der BoulevardpresseWer mit dem Hund Gassi geht, kann ein Arschloch sein

Kommentar von Benno Schirrmeister

Die „Bild“ hat den neuen Chef der Grünen Jugend Jakob Blasel als „Welpenfeind“ bezeichnet. Haustierhasser sind der neue Lieblingsfeind der Politik.

Schlechte Klimabilanz, aber meistens kein Arschloch: der Hund Foto: Nikita Teryoshin

W ozu braucht man Haustiere? Klammern wir mal diejenigen domestizierten Tiere aus, die, problematisch genug, eine klar erkennbare Funktion haben: Kühe, die Milch geben, braucht man, wenn man Milch und Milchprodukte haben will – ob das nun ethisch vertretbar ist oder nicht. In vielen landwirtschaftlichen Betrieben dämmen Katzen die Mäusepopulation ein. Bei Blinden-, Wach- und Assistenzhunden ist klar, wozu sie dienen sollen. Aber im Alltag oder in der Politik, wozu braucht man sie da?

Okay, in der Politik ist das leicht zu beantworten: Tiere binden Emotionen, also zumindest diejenigen, die nur zum Kuscheln da sind, und weder in Produktions- noch Dienstleistungszusammenhänge hineingezwungen sind. Wer mit Ressentiments Politik betreiben will, oder genauer: wer Empörung, blinde Wut und Hass auf Einzelpersonen und Menschengruppen schüren will, der braucht – oder missbraucht – solche Tiere.

Er wird beispielsweise dem Zielobjekt seiner Menschenverachtung unterstellen, Hunde und Katzen zu essen, wie Donald Trump im TV-Duell den Schutzsuchenden aus Haiti. Oder er wird ihn als „Welpenfeind“ brandmarken.

Das hat mit Jakob Blasel nun anlässlich seiner Wahl zum Bundessprecher der Grünen Jugend die Bild getan. Streng genommen, und man sollte es durchaus ab und zu mal streng nehmen, ist das wahrheitswidrig. Denn das Wort „Feind“ bezeichnet laut Akademie-Wörterbuch zunächst einmal jemanden, „dessen persönliches Verhältnis zu einer bestimmten anderen Person durch Feindschaft bestimmt ist“, oder auch jemanden, dessen Verhalten den Interessen einer bestimmten Gruppe zuwiderläuft, und schließlich noch jemanden, der etwas entschieden bekämpft.

Die staatsrechtliche Ebenen klammern wir mal aus, denn von einem Welpenstaat fabuliert selbst der Bild-Autor Jan Schumann nicht, der seine berufliche Karriere nach eigenen Angaben als ebay-Powerseller begonnen hat.

Auch in der Bild verramscht er Gebrauchtwaren: Das Zitat, mit dem er dem 24-jährigen Blasel ein problematisches Verhältnis zu Junghunden andichten will, stammt aus einem 5 Jahre alten Interview. Über Haustiere sagt Blasel darin, dass sie liebenswürdig seien – was jetzt nicht sonderlich feindselig klingt.

Zugleich verweist er auf die Tatsache, dass Hunde und Katzen eine problematische Klima- und Umweltbilanz haben: Einem Zehn-Kilo-Hund müssen in Deutschland pro Jahr etwa eine Tonne CO2-Emissionen zugerechnet werden. Das ist mehr, als ein Mensch beispielsweise in Dschibuti verbraucht. Insofern ist Blasels Einschätzung, dass Haustiere klima- und umweltpolitisch Luxus sind, sachlich richtig.

Seine politische Forderung damals: Es sollte verboten werden, „Tiere unnötig zu züchten“. Läge die unnötige Zucht von Hunden etwa im Interesse von Welpen? Wenn überhaupt, dann könnte die Äußerung als Mikro-Aggression gegen Züch­te­r*in­nen feindlich gedeutet werden. Wäre die Bild etwa schon so woke, dass sie auf so etwas reagiert?

Verrückt allerdings ist, wie stark diese reaktivierte beiläufige Äußerung nicht nur in den Social-Media-Echokammern weitergetragen wird, sondern auch zum Beispiel von Neuer Osnabrücker Zeitung und von Medien der Funke Gruppe. Dabei sind Blasels jüngere Äußerungen noch viel leichter zu recherchieren, zum Beispiel seine vor zwei Jahren auf derselben Welle veröffentlichte Kritik am Kleidungskonsum – ist der Chef der Nachwuchsgrünen ein Kleidungshasser?

Kommt jetzt die Nacktpflicht bei den Jung-Grünen? Oder sein Hinweis darauf, dass der Umgang mit der Klimakatastrophe eine Frage der Menschenrechte ist. Beides hat allemal mehr politisches Gewicht, gerade auch in der aktuellen Diskussion ums Lieferkettengesetz.

Aber die Tiere fehlen: Wahrscheinlich sind sie genau deshalb so wichtig, weil sie ermöglichen, das menschliche Bedürfnis auszuleben, Gefühle und Zuwendung zu zeigen, ohne dass man viel soziale Energie oder gar Zeit dafür benötigen würde. Ein, zwei Stunden Gassi gehen reichen ja schon, um sich wie ein Mensch zu fühlen. Danach hat man wieder den Kopf frei, um ganz Arschloch zu sein. Das ist, wozu wir Haustiere brauchen. Und wer uns das wegnehmen will, ist der Feind.

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Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
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14 Kommentare

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  • Wer einen Hund hat, will einen Sklaven, den der Hund hechelt immer hinterher und ist seinem Herrchen oder Frauchen treu ergeben und liegt zu seinen Füßen. Wer ein gleichberechtigtes Haustier möchte, holt sich eine Katze - die lässt sich nichts sagen und macht auch kein Sitz und so einen Mist! Daher ist ganz klar: Hundehalter befürworten Sklaverei! Katzenhalter stehen für Freiheit!

    • @Strolch:

      Hut ab, ein guter Witz!

  • Klar man sich über jeden neuen BILD-Hetzartikel und den tagesktuellen Social Media Shitstorm aufregen, da hat man immer was zu tun. Man kann aber auch mal nachfragen, was die Grünen ständig reitet, selbst anbetrachts massiver eigener Wählerverluste irgendwelche unnötigen Randbaustellen aufzumachen, bei denen man mit Ansage nur aufs Brett fallen kann. Da wirds auch nie langweilig.

    • @Deep South:

      Wer hat denn die Baustelle aufgemacht? Die GRÜNEN oder die Hetz-Bild "Zeitung" ????

    • @Deep South:

      Nebenbaustellen sind im Allgemeinen dazu da, damit sich niemand auf den Großbaustellen blicken lassen muß, da man dort noch eher das Risiko eingeht, sich wesentlich unbeliebter zu machen.

  • Herrlich!

  • "Ein, zwei Stunden Gassi gehen reichen ja schon, um sich wie ein Mensch zu fühlen. Danach hat man wieder den Kopf frei, um ganz Arschloch zu sein. Das ist, wozu wir Haustiere brauchen. Und wer uns das wegnehmen will, ist der Feind."



    Leider hat der Autor es verpasst, sich mal richtig schlau zu machen u. die Beweggründe für Haustierhaltung zu hinterfragen. Er sieht leider nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit. In einer viele tausend Jahre alten Grabstätte fanden Archäolog:innen die Gebeine eines menschlichen Paares u. zwischen ihnen die eines Hundes. Waren die Jäger und Sammler auch Arschlöcher, wie der Autor formuliert? Hunde und Katzen sind uns vielfach überlegen. Geschichten über sie sind rührend, auch folgende: Ein hochbetagter krebskranker Patient hatte eine Chemotherapie abgelehnt wegen seines Alters, kam aber nach einigen Wochen und bat doch um weitere Maßnahmen. Die er erstaunten Kolleg:innen berichteten, er mache das wegen seines Hundes. Viele Tierärzt:innen berichten von vereinsamten Menschen, die eher hungern, als ihrem Haustier eine OP vorzuenthalten. Einsamkeit ist ein Thema in westl. Ländern.



    Leseempfehlung:



    bazonline.ch/



    die-unerklaerliche-hellsicht-von-tieren-

  • "Verrückt allerdings ist, wie stark diese reaktivierte beiläufige Äußerung nicht nur in den Social-Media-Echokammern weitergetragen wird, sondern auch zum Beispiel von Neuer Osnabrücker Zeitung und von Medien der Funke Gruppe."



    Verrückt? Nein, absolut erwartbar.



    Er passt einfach ins öffentliche Bild über die Grünen - Hauptsache irgendwas verbieten.



    Ist doch die Verbotspartei.



    Er betritt die politische Bühne und somit das öffentliche Rampenlicht und zack, erste republikweite Wahrnehmung: "Haustiere miese CO2 Bilanz, unnötige Zucht verbieten".



    Und das im Land des Dackel...



    Dass das keine Jubelstürme auslöst war doch klar.



    Mit Verzichtsforderungen hat man noch nie die Massen gewonnen und auch das Klima ist längst out.



    Das macht aber nichts, das ist ja nicht sein Auftrag. Er soll und will die Grüne Jugend wieder einen - und das kann mit derlei Fokus gelingen.



    Insofern ist die republikweite Medienschelte doch eher gut, da sie zeigt, das war eine Message gegen den Mainstream und das ist es doch was die jungen Grünen wollen - wieder weniger Mainstream sein, oder?



    Lieber linksgrün und Nischenpartei als Volkspartei und unappetitliche politische Kompromisse machen.



    Insofern ist er auf Kurs

  • Zum Glück hat niemand diesem Herrn Schumann angetragen, dass sich die Umweltbilanz eines Hundes mit der für das Tier gesündesten Ernährung, also der rein pflanzlichen Ernährung (böses Stichwort: vegan), aufpolieren lässt.



    Über eine entsprechende Studie hat übrigens sein eigener Verlag (wenn auch die Ausgabe mit Krawatte, also die Welt) berichtet.



    Wer weiß, ob ihm da nicht der Kopf explodiert wäre oder er zu eBay zurück kehrte?



    Aber ist doch schön zu sehen, wenn für eine aktuelle Kampagne auf so alte Kamellen zurückgegriffen werden muss, sagt ja auch was aus.

  • Einfach nicht mehr bei den Springers abschreiben. Es gibt Spiegel, SZ, taz, eigene Recherche - aber bitte nicht bei den ekligen Springers abschreiben.

  • Betrachten wir diese Angelegenheit aus einer anderen Perspektive. 630kg CO2 werden durchschnittlich von unseren fossilen Waldis und Reges (Dat. Pl. von Rex) generiert. Also per annum, so jedenfalls die Studie. Das macht bei geschätzten 800 Millionen Haushunden (laut Internet) immerhin eine halbe Milliarde Tonnen CO2 bzw 1,3% des globalen CO2-Ausstosses. (wobei der Dschibouti-Hund dem Waldi der Einfachheit halber gleichgesetzt wird) Wenn man dieses beeindruckende Ergebnis nun unter dem Aspekt von umweltpolitischen Luxus ernsthaft diskutiert, stellt sich der ein oder anderen nachdenklichen Leserin vielleicht die Frage, ob eine Klimaneutralität überhaupt noch zu schaffen ist, wenn schon die Welpen zur Disposition stehen. Wer dieses Thema politisch verwendet, muss logischerweise damit rechnen, dass man es mit der exakten Definition von Feind auch nicht so ernst nimmt. Ich würde die Schlagzeile eher unter der Rubrik Humor verorten oder zumindest mit solchem lesen. Das gilt auch für die Studie.

    • @Jutta57:

      Na ja, also so humoristisch ist das auch wieder nicht; der gesamt - CO2 - Ausstoß besteht nun mal aus vielen kleinen Beiträgen. Wenn nun jeder seinen Beitrag für lächerlich gering hält, wird das auch nichts mit der CO2 - Reduktion. Zudem ist die sehr hohe Hundedichte bei uns in Deutschland noch mit weiteren Problemen verbunden (z.B. Störungen und Eutrophierung in Naturschutzgebieten), dass man sich da durchaus kritisch zu äußern kann, ohne gleich als "Hundefeind" gebrandmarkt zu werden.

  • Tja, BILD war schon seit jeher der Superlativ für Blödhetze. Das merkt man wieder an dieser Story über die Kommentare von Blasel. Zugleich erkennt man, dass damit die nächsten Hetzkampagnen gegen die Grünen durch dieses Organ vorbereitet werden: Demnächst mehr davon auf X, Instagram und Telegram.