piwik no script img

FAQ zum ParteiverbotsantragEin AfD-Verbotsantrag? So könnte es ablaufen

Eine Gruppe Bundestagsabgeordneter will, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der AfD prüft. Das gibt es zu wissen.

Die AFD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla nach den Landtagswahlen in Brandenburg Foto: Liesa Johannssen/reuters

Warum wollen einige Abgeordnete die AfD verbieten lassen?

Weil sie die AfD für eine ernsthafte Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat halten. Sie sind der Ansicht, dass die Indizien für eine Verfassungswidrigkeit der Partei so groß sind, dass das Bundesverfassungsgericht diese prüfen sollte. Die AfD wende sich „gegen zen­trale Grundprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung“, heißt es etwa zur Begründung in ihrem Antrag, den sie diese Woche vorgestellt haben. Die Partei stelle die Menschenwürde aller „unverhohlen“ infrage und vertrete ein völkisches Gesellschaftsbild, das Mi­gran­t*in­nen nicht als vollwertige Deutsche sehe. Zudem beschäftige die AfD im Bundestag mehr als 100 rechtsextreme Mitarbeiter*innen, bagatellisiere NS-Verbrechen und sei der verlängerte Arm autoritärer Regime.

Initiator ist Marco Wanderwitz (CDU), der frühere Ostbeauftragte der Bundesregierung. Unterstützt wird er bislang von Abgeordneten von SPD, Grünen, Linken, CDU und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Der Bundestag ist eines der drei Verfassungsorgane, die einen Verbotsantrag stellen können – neben Bundesrat und Bundesregierung. Letztere lehnt ein AfD-Verbotsverfahren bislang ab, im Bundesrat fordert einzig das rot-grün-rote Bremen, dass der Verfassungsschutz eine Materialsammlung als Grundlage für ein Verbot vorlegen soll.

Wie geht es nun weiter?

Die Ver­bots­ver­fech­te­r*in­nen wollen im Bundestag weitere Unterschriften sammeln – und ihren Antrag dann voraussichtlich im November im Bundestag einbringen. Anschließend gäbe es eine Ple­nardebatte, der Antrag würde in den Ausschüssen und einer Sachverständigenanhörung beraten. Für die spätere Abstimmung bräuchte es eine einfache Mehrheit der 736 Bundestagsabgeordneten, damit der Antrag dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird.

Ist diese Mehrheit absehbar?

Bisher noch nicht. Die FDP-Fraktion und die BSW-Gruppe lehnen den Antrag weitgehend ab. In der Unionsfraktion unterstützen bislang nach eigener Auskunft nur 7 der 196 Abgeordneten das Vorhaben. Grüne, SPD und Linke sollen weitere gut 40 Erstunterstützer stellen – nötig für die Einbringung ins Parlament sind 37. Die An­trag­stel­le­r*in­nen rechnen damit, dass bei einer tatsächlichen Abstimmung zahlreiche weitere Abgeordnete für ein Verbot votieren. Und dass es viele Enthaltungen geben wird, die eine Mehrheit erleichtern würden.

Wie steht es bislang um Parteienverbote?

Das Verbot einer verfassungswidrigen Partei ist nach Artikel 21 des Grundgesetzes ausdrücklich möglich, es gibt aber hohe Hürden dafür. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat die Möglichkeit eines Verbots als „schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde“ bezeichnet. Seit Gründung der Bundesrepublik wurden zwei Parteien verboten: 1952 die Sozialistische Reichspartei (SRP), ein Sammelbecken alter Nazis, und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Ein Verbot der rechtsextremen NPD, die inzwischen „Die Heimat“ heißt, hat das Bundesverfassungsgericht dagegen zwei Mal abgelehnt. Zunächst weil ­V-Leute, also Informanten des Verfassungsschutzes, in der Partei einflussreiche Posten innehatten. 2017, beim Urteil im zweiten Verfahren, bescheinigte Karlsruhe der NPD zwar ­verfassungsfeindliche Ziele, hielt sie aber für zu unbedeutend, um die Demokratie zu gefährden.

Angenommen, der Antrag ist im Bundestag erfolgreich, wie geht es dann weiter?

Dann würde der Bundestag eine Materialsammlung über die AfD zusammentragen lassen, maßgeblich aus Verfassungsschutzbelegen und Gerichtsurteilen. Zugleich würde das Parlament eine Zusicherung einfordern, dass mögliche V-Leute in der Partei abgeschaltet werden. Erst dann würde beim Bundesverfassungsgericht offiziell die Prüfung beantragt, ob die AfD verfassungswidrige Ziele verfolgt. Wie lange solch ein Verfahren dauern würde, ist unklar. Es könnte aber schneller gehen als beim NPD-Verbotsverfahren, das vier Jahre dauerte.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wie sind die Erfolgsaussichten vor dem Bundesverfassungsgericht?

Da gehen die juristischen Einschätzungen auseinander. Beim NPD-Verbot prüfte das Bundesverfassungsgericht Verstöße gegen die Menschenwürde und ein Agieren gegen das Demokratieprinzip, etwa indem deutschen Mi­gran­t*in­nen Rechte vorenthalten oder entzogen werden sollen. Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied im Frühjahr, dass die Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall rechtens ist und sah bei der AfD ebenso „Anhaltspunkte“ auf Verstöße gegen die Menschenwürde. Anders als bei der NPD finden sich im AfD-Programm allerdings keine klar verfassungsfeindlichen Inhalte. Das Gericht müsste also anhand von Aussagen der AfD-Funktionäre nachweisen, dass sich hier der wahre, verfassungsfeindliche Charakter der Partei zeigt.

Zu belegen wäre auch, dass die AfD „kämpferisch“ gegen die Demokratie agiert. Die Blockaden bei der Konstituierung des Thüringer Landtags waren hier ein Hinweis – aber es bräuchte etliche weitere. Und nur drei AfD-Landesverbände sind bisher vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft: in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das Bundesamt will bis Jahresende entscheiden, ob es die Gesamtpartei als Verdachtsfall fortführt – oder als „gesichert rechtsextrem“ hochstuft. Letzteres würde das Verbotsvorhaben deutlich beflügeln.

Am Ende bräuchte es vor dem Bundesverfassungsgericht eine Zweidrittelmehrheit, es müssten also sechs von acht Rich­te­r*in­nen einem Parteiverbot zustimmen. Ist die Beweislage zu wackelig, dürfte das Gericht im Zweifel für die Parteienfreiheit und die AfD entscheiden.

Ist die AfD inzwischen nicht zu groß und einflussreich, um sie zu verbieten?

Dieses Argument wird oft ­gegen ein Verbotsverfahren angeführt, trägt juristisch aber nicht. Im Gegenteil: Das Bundesverfassungsverfassungsgericht hat die Ablehnung eines Verbots der NPD damit begründet, dass die Partei zu unbedeutend ist, um ihre verfassungswidrigen Vorhaben in die Tat umzusetzen. An der nötigen Relevanz der AfD dagegen zweifelt keiner. Die Partei sitzt im Bundestag und in 14 von 16 Landesparlamenten. In Thüringen ist sie gerade stärkste Kraft geworden, in den anderen vier ostdeutschen Landtagen stellt sie die zweitstärkste Fraktion. Auch in Hessen, Bayern und Niedersachsen sowie bei der Bundestagswahl hat sie zweistellige ­Ergebnisse erzielt.

Wie bereitet sich die AfD auf ein drohendes Parteiverbotsverfahren vor?

Der Umgang der AfD mit dem möglichen Verbotsverfahren oszilliert zwischen wütender Empörung, der lang eingeübten Opferinszenierung und aufgesetzter Harm- und Sorglosigkeit. Einerseits würde die Partei ein Verbotsverfahren gnadenlos ausschlachten für ihre autoritäre Erzählung. Andererseits: Gibt es kein Verfahren, wird sie betonen, eine normale demokratische Partei zu sein, weil sie ja schließlich nicht verboten sei. Vor dem Oberverwaltungsgericht Münster hat die AfD versucht, zahlreiche menschenrechtswidrige, islamfeindliche und antidemokratische Äußerungen als Einzelaussagen und dahergeredetes „Blech“ einzelner Mitglieder wegzuwischen – allerdings ohne Erfolg.

Was passiert, wenn ein Verbotsverfahren erfolgreich ist?

Würde die AfD als Gesamtpartei verboten, würde sie aufgelöst, das Parteivermögen vom Staat eingezogen, alle AfD-Abgeordneten verlören ihre Mandate – von der Gemeindevertretung bis zum Bundestag. Und es wäre untersagt, eine Nachfolgeorganisation zu gründen.

Und wenn nicht?

Es könnte auch sein, dass das Bundesverfassungsgericht nur Teile der Partei verbietet, einzelne Landesverbände zum Beispiel oder die Jugendorganisation Junge Alternative. Oder dass die AfD – für zunächst sechs Jahre – von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen wird. Würde das Parteiverbot in Gänze abgelehnt, könnte die AfD so weitermachen wie bisher.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Warum nicht rechte Politik verbieten? Gäbe das Ärger mit CDU SPD FDP und den Grünen??