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Studie der Agora-ThinktanksErneuerbare lohnen sich

Eine neue Studie über die Energiewende zeigt: Bis 2045 könnte sich eine Menge tun, wenn jährlich 58 Milliarden Euro in die Transformation fließen.

Auf lange Sicht lohnen sich erneuerbare Energien auch finanziell: Solarpark in Wismar Foto: Jens Büttner/dpa

Freiburg taz | Unter dem Titel „Klimaneutrales Deutschland“ haben die vier Thinktanks der Agora-Familie – Energiewende, Verkehrswende, Industrie und Agrar – gemeinsam eine Studie vorgelegt, die ein Bild von der deutschen Energiewirtschaft im Jahr 2045 zeichnet. Die Studie ist eine vielfältige Wunschliste geworden.

Das Papier geht davon aus, dass die erneuerbaren Energien in den nächsten 20 Jahren massiv ausgebaut werden: Onshore-Wind auf 180 Gigawatt (heute: 62), Offshore-Wind auf 73 Gigawatt (heute: 9), Photovoltaik auf 470 Gigawatt (heute: 93). Viele der Investitionen, so unterstellt es die Studie, seien in Zukunft wirtschaftlich. Für Speicher ergebe sich „eine Finanzierung über den Strommarkt und daher kein zusätzlicher Finanzbedarf“.

Erneuerbare Energien und Stromnetze finanzierten sich „zu 90 Prozent durch Markterlöse und Entgelte“. Gegenüber der heutigen Ökostromförderung, die über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Bundeshaushalt jährlich mit rund 20 Milliarden Euro belastet, wäre das ein enormer Fortschritt.

Gleichwohl werde es beim Umbau der Energiewirtschaft, die auch Gebäude, Verkehr und Industrie umfasst, „Wirtschaftlichkeitslücken“ geben, räumt das Papier ein. Damit entstehe ein öffentlicher Förderbedarf für die Energiewende von 58 Milliarden Euro pro Jahr. Über alle Sektoren hinweg seien Klimaschutzinvestitionen von 147 Milliarden jährlich nötig, 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

600.000 Wärmepumpen pro Jahr

Agora nimmt an, dass ab dem Jahr 2028 in Deutschland gut 600.000 Wärmepumpen pro Jahr neu eingebaut und ab dem Jahr 2030 jährlich 90.000 Gebäude neu an Fernwärme angeschlossen werden; aktuell sind es 40.000. Die jährliche Wasserstoffnachfrage steige bis 2045 auf knapp 270 Terawattstunden; sie werde „überwiegend durch Importe gedeckt“.

Im Verkehr setzt die Studie unterdessen auf einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel: „Die Verlagerung weg vom motorisierten Individual­verkehr hin zum Öffentlichen Verkehr sowie Rad- und Fußverkehr setzt sich fort.“ Wobei „fortsetzen“ hier das falsche Wort ist: Deutschland erreichte gerade den neuen Höchststand von 588 Pkws je 1.000 Einwohner.

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13 Kommentare

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  • Am besten man verteilt die Milliarden gleich an die üblichen Verdächtigen. Es ist ohnehin egal, was dabei herauskommt. Das wird dann einfach schöngeredet oder kommuniziert. Warum ökologisch denken, wenn sich alles per Markt regeln lässt und man die Steuergelder gleich gezielt auf die Dividenden umverteilen kann.

  • Alles schöne Gedankenspiele - aber dabeo wird die deutsche Klageritis nicht mit einbezogen, Eine Stromtrasse, die wir ja brauchen braucht 20 Jahre zwischen Planung und Baubeginn und wenn man dann feststellt, die Leistung könnte doch jetzt mal Höher werden fängt das ganze Spiel von vorne an,



    Da lob ich mir doch China - da wird geplant, umgesiedelt und gebaut. Un wer dagegen ist ( 0,2% der Anwohner) wird auch umgesiedelt - in einen Steinbruch und wird da mit einem kleinen Hammer.

  • Zeigt, dass das Institut eher theoretisch und nicht sehr praxisbezogen arbeitet. Da wird es bessere Lösungen geben müssen.

  • 20 Jahre lang 58 Milliarden. Das sind 1,2 Billionen Euro. Wäre schon schade, wenn sich damit nichts machen liesse.



    Auf alle Fälle ist das eine verdammt grosse Kugel Eis.

  • Aha, die Energiespeichern die für Dunkelflauten so absolut notwendig sind müssen dann "vom Markt", d.h. vom Verbraucher bezahlt werden. Und die Kapazitäten die notwendig sind um diese Speicher zu füllen? Wohl auch.



    Irgendwie klingt das alles nach Schönfärberei, ums mal vorsichtig zu sagen.

    • @Gerald Müller:

      Wenn wir jährlich mehr Strom wegwerfen müssen und die Energiepreise an der Börse zeitweise in negative sinken mache ich mir keine Sorgen, daß der Markt die Batteriespeicher finanziert. Es werden ja mittlerweile auch viele Großspeicher geplant und gebaut. Wenn ich die Gelegenheit hätte mich an so etwas zu beteiligen würde ich sofort einsteigen.

      • @Semon:

        Dank der EE-Gesetzgebung Marke subventioniertes Investorenglück, ist der Wegwerf- bzw. "Wir zahlen gerne noch was drauf"-Strom nicht umsonst, sondern ein Effekt der einseitigen Erzeugungssteigerungen, ohne Puffer- oder gar langfristiger Speichermöglichkeiten.



        Was für "Großspeicher" sehen Sie denn in absehbarer Zeit halbwegs ohne grenzenlose Subventionsbeglückung am Entstehen?



        Agora ist hier eher als Lobbyorganisation wirksam. Und da hat die Überschrift schon recht : Erneuerbare lohnen sich, ein subventionsgesichertes Geschäftsmodell, da spielen auch planungsloser Ausbau von PV und WK an realer Handhabbarkeit keine Rolle. Das bringt weder die Energiewende voran, ist einfach nur Teuer und hat mit Klimaschutz nicht wirklich was zu tun....

  • 58 Milliarden sind leider unbezahlbar viel Geld dank SPD Rentenreform. Da gehen bald 400 Mrd im Jahr für drauf und die KV und PV steht vor noch viel unlösbareren Probleme.

    • @Wombat:

      Deutschland kann durch die Energiewende 60 Milliarden pro Jahr sparen. Das sind nämlich die Kosten für die Importe von fossilen Energieträgern.

      • @Semon:

        Sie wissen aber sicherlich, dass Strom nur der kleinere Teil des Gesamtenergiebedarfs ist? Dass bereits für die nicht mehr handhabbare, ungesteuerte Vermehrung unserer EE-Erzeugung bereits erhebliche Mrd. ohne signifikanten, realen "Mehrwert" versenkt werden.



        Mir scheint eher, dass Agora hier das Geschäftskonzept noch weiter ausbauen will....

  • Waren das nicht die, die in Zusammenarbeit mit Graichen der Meinung waren, dass die Energiewende kaum etwas kosten würde und wo selbst Frau Ulrike Hermann im Taz Bundestalk konstertierte das die Zahlen „holla die Bolla Blauäugig“ seien (damals im Zusammenhang mit der Graichen Affaire).

    Die Zahlen von Agora Energiewende sind das Papier nicht wert, weil komplett schön gerechnet!

  • Und selbst wenn Deutschland seine CO2-Emissionen auf null senken würde - und zwar sofort -, würde dies zu einer Reduktion des Temperatur-Anstiegs von etwa 0,01 bis 0,02°C bis zum Ende des Jahrhunderts führen (IPCC AR6 Climate Change 2021, basierend auf Emissionsbeiträgen und Temperaturzunahme).

    Ich frage mich, wo hier die Signifikanz gesehen wird, die eine solche Investition von mehr als 50 Mrd. Euro pro Jahr rechtfertigen würde. Die einzige Chance (für Deutschland) besteht hier, Technologien zu entwickeln, die andere Länder so schnell wie möglich kopieren wollen; im Moment sieht es aber nicht danach aus, als ob sich irgendein Land auf diesem Planeten ein Beispiel an Deutschland nehmen möchte.

    • @Chris12:

      Warum auch. Für viele Länder wäre das auch ein Rückschritt. Die einzige Chance für Deutschland besteht darin, seinen Hintern hoch zu bekommen um nicht (schon wieder) sein Stück vom Kuchen der grünen Zukunftstechnologien zu verlieren.