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Verbotener Palmöl-Diesel verdirbt das Biogas-Geschäft

Offenbar hat China massiv gepanschten Biodiesel in den europäischen Markt gedrückt, darunter leiden auch niedersächsische Biogasanlagen-Betreiber. Dahinter steckt ein ausgeklügeltes System

1.700 Biogas-Anlagen gibt es in Niedersachsen: Die Betreiber müssen sich nach einem neuen Geschäftsmodell umsehen Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Von Nadine Conti

Es war ein riesiger, internationaler Skandal: Der Handel mit mutmaßlich gefälschtem Biodiesel und mutmaßlich gefälschten Klimazertifikaten aus China, der immer noch nicht vollständig aufgeklärt ist, hat die Preise auf dem deutschen Markt auf Talfahrt geschickt. Mit den Folgen ringt die Branche immer noch. Das betrifft auch viele niedersächsische Biogasanlagen-Betreiber. Deshalb hat die CDU dazu in der vergangenen Woche eine dringliche Anfrage im Landtag gestellt. Doch Umweltminister Christian Meyer (Grüne) blieb an vielen Stellen Antworten schuldig.

1.700 Biogas-Anlagen gibt es in Niedersachsen. Weil für viele von ihnen die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ausläuft, müssen sich die Anlagebetreiber nach Vermarktungsalternativen und einem neuen Geschäftsmodell umsehen. Etliche überlegten daher, in den Biomethan-Handel einzusteigen. Der hat den Vorteil, dass er sich sozusagen doppelt auszahlt: einmal beim Rohstoff und zweitens über den Zertifikathandel. Vor allem die großen Mineralölkonzerne kaufen sich damit quasi frei. Mit dem Erwerb der Zertifikate lassen sie sich die anderswo erzeugten CO2-Minderungen auf ihre Treibhausgasminderungsquote (THG) anrechnen. Das folgt der Logik, dass man so Kapital in den Klimaschutz lenken kann – und für das Klima ist es ja schließlich relativ egal, wo genau das CO2 eingespart wird.

Und gleichzeitig liegt genau da der Haken. Denn bisher ging das auch über Projekte in China. Von denen stehen nun allerdings etliche unter Betrugsverdacht, wie Meyer im Landtag auch noch einmal referiert. Von 75 Projekten weltweit, die als Upstream-Emissions-Reduktions-Projekte (UER) zertifiziert wurden, liegen 66 in China.

45 davon stehen im Verdacht, Teil eines Schattenvertragssystems gewesen zu sein, an dem vermutlich auch deutsche Zertifizierer ihren Anteil hatten. Jedenfalls läuft bei der Staatsanwaltschaft Berlin ein Strafverfahren gegen 17 Personen aus dieser Branche. Es scheint sich um ein ausgeklügeltes System zu handeln, dass nur ans Licht kam, weil Branchenexperten sich über den rasanten Preisverfall wunderten und Hinweise lieferten.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat im vergangenen Sommer alle weiteren Zertifizierungen in diesem System auf Eis gelegt, eine internationale Anwaltskanzlei und Detektive sollen sich nun um die Aufklärung kümmern und Projekte – soweit es geht – rückabwickeln. Die CDU und auch Teile der FDP werfen ihr allerdings vor, nicht schnell und entschieden genug gehandelt zu haben.

Das weist ihr Parteikollege Meyer im niedersächsischen Landtag zurück: Immerhin habe Lemke dieses intransparente und betrugsanfällige Instrumentarium von der schwarz-roten Vorgängerregierung geerbt, sagt er. Und letztlich müsse man da eben auch auf EU-Ebene nachbessern. Wie viele Betriebe in Niedersachsen von diesem Betrug betroffen sind, vermochte Meyer allerdings nicht zu sagen.

Der Zertifikathandel ist auch nicht der einzige Bereich, bei dem chinesische Händler eine unrühmliche Rolle zu spielen scheinen. Es gibt gleichzeitig Hinweise darauf, dass China massiv gepanschten Biodiesel in den europäischen Markt gedrückt hat. Nachdem die EU Biodiesel aus frischem Palmöl verboten hatte, der meist aus Indonesien kam, stiegen die Importe von Biodiesel aus China rasant an. Es besteht nun der Verdacht, dass die Ware in China lediglich umetikettiert wird.

Nachweisen lässt sich das kaum: Biodiesel aus aufbereitetem Palmöl, das zum Beispiel in der Industrie oder als Speiseöl anfällt, ist ja erlaubt. Vermieden werden sollte nur der Biodiesel, der aus frischem Palmöl hergestellt wird, um die wenig nachhaltige Rodung von Urwäldern und Anlage von Palmölplantagen zu verhindern. Und natürlich hat auch hier der Preisverfall viele einheimische Produzenten massiv unter Druck gesetzt.

Das Ganze wird auch in Niedersachsen sicher noch die ein oder andere Insolvenz zur Folge haben“, glaubt Cord-Heinrich Heitzhausen. Er ist Sprecher der Regionalgruppe Weser-Ems im Biogas-Fachverband, als Biogas-Anlagenbetreiber aber auch selbst betroffen.

Erst im August hatte die Landwärme GmbH mit Sitz in Berlin, einer der größten deutschen Händler für Biomethan und THG-Quoten, Insolvenz anmelden müssen. Das gab einen ziemlichen Knall, weil von dieser Insolvenz auch zahlreiche Stadtwerke betroffen sind, die nun um die Erfüllung ihrer Lieferverträge bangen müssen.

„Das Ganze wird auch in Niedersachsen sicher noch die ein oder andere Insolvenz zur Folge haben“

Cord Heitzhausen, Biogas-Anlagenbetreiber und Verbandssprecher

Wenn sich kleinere Player vom Markt verabschieden, geschieht das meist heimlich, still und leise, ist aber nicht weniger schädlich, sagt Heitzhausen. „Das Problem ist, dass eben auch das Vertrauen der Banken in diesen Markt erheblich erschüttert wurde.“ Wenn aber die Finanzierungen plötzlich wackeln, gehen bestehende Projekte pleite und neue werden erst gar nicht realisiert. „Und wenn die erst einmal weg sind, bekommt man die auch so schnell nicht zurück.“

Rund 40 Unternehmen und zehn Verbände aus der Erneuerbare-Energien-Branche, darunter der niedersächsische Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) haben sich deshalb Anfang September zum Aktionsbündnis „Initiative Klimabetrug stoppen“ (kurz: IKS) zusammengeschlossen. Das IKS fordert vor allem, dass niemand von dem Betrug profitieren darf. Der nicht realisierte Klimaschutz müsse nachgeholt werden, es dürfe keine rückwirkende Amnestie für die Konzerne geben, die gefälschte Zertifikate erworben hätten.

Letztlich, sagt Umweltminister Meyer im Landtag, gehöre das gesamte System dieses modernen Ablasshandels auf den Prüfstand. Für die Biogas-Branche müssten außerdem andere Wege gefunden werden, die eine Einspeisung in Strom- und Wärmenetze wieder profitabel machten. Deshalb habe man sich einer Bundesratsinitiative Schleswig-Holsteins angeschlossen, die verbesserte Rahmenbedingungen fordert. Auch das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) hatte erst im August eine umfassende Reform der Biomasse-Förderung angekündigt.

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