piwik no script img

Tarifvertrag für Busfahrer geplatztErneut Streiks im Norden?

Schleswig-Holstein fehlt Geld für den öffentlichen Nahverkehr. Im wieder aufgeflammten Tarifstreit droht Ver.di nun mit Streiks bei Busunternehmen.

Szene eines langen Verhandlungsprozesses: Warnstreik der Busfahrer in Kiel im Februar 2024 Foto: dpa | Christian Charisius

Rendsburg taz | Die Tarifverhandlungen zwischen dem Omnibusverband Nord (OVN), der die privaten Busunternehmen in Schleswig-Holstein und Hamburg vertritt, und der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sind erst einmal gescheitert: Nachdem der OVN einen Kompromissvorschlag in letzter Minute ablehnte, spricht Ver.di von einem „unglaublichem Vorgang“ und droht mit Streiks. Hinter dem Konflikt stecken die Finanzprobleme des Landes: Das Verkehrsministerium friert die Mittel für den öffentlichen Nahverkehr ein.

Mehr Gehalt für Bus­fah­re­r:in­nen und anderes Personal und Inflationsausgleich – der Kompromiss zwischen Omnibusverband und Gewerkschaft schien gesichert. Das Ergebnis sei nicht einfach, aber immerhin gehe die Lohnrunde ohne Streik zu Ende, hieß es auf der Homepage des OVN – im Frühjahr hatte Ver.di die Verhandlungen mit Streiks begleitet. Doch am Montag teilte der Verband mit, er „zieht die Notbremse“.

Die Schuld am geplatzten Tarifabschluss sieht der OVN-Vorsitzende Klaus Schmidt beim Land und den Kommunen: „Wir bedauern sehr, dass es uns nicht gelungen ist, in unseren Gesprächen mit Landräten und Ministerium Preismechanismen zu verankern, die die Kostenentwicklung real abbildet.“ Denn obwohl die Verhandlungen zwischen Verband und Gewerkschaft stattfinden, hängt die Finanzierung an den Landkreisen und Städten, die die Unternehmen beauftragen. Als Grundlage gelte ein „inzwischen völlig dysfunktionaler bundesweiter Kostenindex“, kritisiert Schmidt.

Die Kommunen schieben den Schwarzen Peter weiter: „Es zeigt sich, dass Bund und Länder offenbar nicht ausreichend Vorsorge betrieben haben, um Bahn- und Busverkehr zu einer echten Alternative zum Auto zu machen“, sagte Sönke Schulz, geschäftsführender Vorstand des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages, bereits im August.

Das ist die härteste Kampfansage, die ein Arbeitgeberverband machen kann

Sascha Bähring, Ver.di Nord

Damals hatte das Land verkündet, einige wenig genutzte nächtliche Zugverbindungen zu streichen. Zudem war bekannt geworden, dass Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) die Kommunalisierungsmittel einfrieren will. Es geht um 82 Millionen Euro, die das Land den Kommunen für den Busverkehr zahlt. Bisher stieg diese Summe jährlich. Um die leeren Landeskassen zu entlasten, soll sie nun auf dem Niveau von 2024 bleiben.

Damit sei es also gar keine „Kürzung im Bestand“, es falle nur der Zuwachs weg, betont Verkehrsstaatssekretär Tobias von der Heiden (CDU) auf taz-Anfrage. Das Land zahle weiter „kräftig“ in die Mobilitätswende ein, etwa beim Modellprojekt „Smile“ in der Schlei-Region, bei dem unter anderem Ruf-Busse oder kommunales Carsharing getestet werden. Zudem setzen sich Schleswig-Holstein beim Bund dafür ein, dass die Zuschüsse für die Bahn steigen. Rund 50 Millionen Euro bräuchte das Land zusätzlich.

Omnibusverband kritisiert Streichliste

Die Kritik des Omnibusverbands, von der Streichliste des Landes überrascht worden zu sein, weist der Staatssekretär zurück. Die Diskussion laufe bereits länger, das Einfrieren der Mittel sei bekannt gewesen, so von der Heiden. Es läge bei den Kommunen zu entscheiden, ob sie fehlende Landesmittel ausgleichen oder Leistungen abbestellen wollten.

Die Gewerkschaft sieht die Hauptschuld beim Omnibusverband, der den Kompromiss „ohne Vorwarnung am letzten Tag der Erklärungsfrist“ zurückgenommen habe: „Das ist die härteste Kampfansage, die ein Arbeitgeberverband nur machen kann und wird entsprechend beantwortet werden“, erklärte Sascha Bähring, Verhandlungsführer von Ver.di Nord. Welche Maßnahmen die Gewerkschaft ergreife, werde nun in den Gremien beraten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Weniger Leistungen erbringen, aber die Preise für die Deutschlandcard erhöhen. Und sich wundern, dass auf dem flachen Land der ÖPNV oft nur in der Theorie vorhanden ist. In Schleswig-Holstein sitzen doch die Grünen mit am Kabinettstisch und stellen sogar die Finanzministerin, aber für den ÖPNV ist kein Geld da?