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Preiserhöhung beim DeutschlandticketInvestiert in die Verkehrswende!

Das Deutschlandticket wird teurer. Statt 49 Euro kostet es bald 58 Euro. Dabei gäbe es so viele bessere Wege, das Ticket weiterhin zu finanzieren.

Ein Regionalzug über einer Autobahn bei Berlin Foto: Frank Sorge/imago

N eun Euro mehr im Monat. Das sind doch nur drei Cappucino im Café, in Großstädten eher zweieinhalb. Oder sechs Packungen Sandwichtoast. Oder rund zehn Kilo Karotten, im Angebot. Darauf kann man schon mal verzichten, und sich dann freuen, dass man die neun Euro zusätzlich ins Deutschlandticket stecken darf. Denn, yay!, immerhin gibt es das jetzt ein ganzes Jahr länger, bis Ende 2025.

Liebe Landesverkehrsminister:innen, lieber Bundesverkehrsminister Volker Wissing, habt ihr euch das so vorgestellt? Oder habt ihr gar nicht erst überlegt, was neun Euro bedeuten könnten, als ihr den Preis für das Deutschlandticket auf 58 Euro im Monat erhöht habt? Aktuell kostet es monatlich 49 Euro. Der neue Preis gilt ab Januar 2025. Gut, ein paar der Nut­ze­r:in­nen werden vielleicht kündigen, gestand euer Kollege aus Nordrhein-Westfalen, Oliver Krischer ein. Aber bei den meisten ist er optimistisch, dass die das Ticket behalten. Und dann soll so viel Geld zusammenkommen, dass die Verkehrsbetriebe ihre Verluste ausgleichen können.

ÖPNV-Betreiber mussten mehr für Energie, Infrastruktur und Personal zahlen. Gleichzeitig spülten die Fahrgäste weniger Geld in die Kassen, weil sie statt teurer Monats- oder Einzeltickets eben das verhältnismäßig günstige Deutschlandticket kauften. Ihr habt früh klar gemacht, dass ihr die Verluste nicht ausgleichen wollt. Also sollen es die Kun­d:in­nen richten.

Ihr feiert das Deutschlandticket als Erfolg. Zu Recht – es wird im Durchschnitt von immerhin 11 Millionen Menschen genutzt. Und eine Studie der Fraunhofer-Allianz Verkehr ergab, dass bei Strecken, die durch das Deutschlandticket zusätzlich gefahren wurden, mehr als die Hälfte der befragten Personen angab, sie wären ohne Ticket mit dem Auto gefahren.

Eine Preiserhöhung sei alternativlos

Wenn die klimafreundliche Verkehrswende gelingen soll, müssen die Menschen öfter ihr Auto stehen lassen. Nice also, dass das Deutschlandticket dabei helfen kann. Wirklich nice wäre jetzt noch, liebe Ver­kehrs­minis­ter:in­nen, wenn ihr bereit wäret, mehr in die Verkehrswende zu investieren. Und nicht nur davon auszugehen, dass die Kun­d:in­nen mehr zahlen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Einige von euch argumentierten, die Verbraucherpreise seien generell gestiegen. Kein Wunder also, dass auch das Deutschlandticket teurer wird. Es sei alternativlos, dass Menschen mal eben neun Euro mehr im Monat zahlen. Doch zugleich wollt ihr nicht tiefer in die eigene Tasche greifen, um das Deutschlandticket zu finanzieren. Da hängt doch was schief.

Kreative Vorschläge für sozial gerechtere Konzepte lagen auf eurem Tisch: Familien­abos, Jahresabos oder Sozialtickets könnten mehr Leute fürs Deutschlandticket begeistern. Ob das die Verluste der Verkehrsunternehmen hätte ausgleichen können – man weiß es nicht! Nur: Wie viele Kun­d:in­nen durch eure Preiserhöhung verloren gehen, das weiß man eben auch noch nicht. Da wäre es doch einen Versuch wert gewesen, sozial gerechtere Angebote auf den Markt zu bringen. Stattdessen habt ihr euch entschieden, den Kun­d:in­nen mehr Geld abzuzwacken und zu hoffen, dass die Rechnung aufgeht.

Im Jahr 2025 fehlt den Bus- und Bahnunternehmen beim Deutschlandticket voraussichtlich 1 Milliarde Euro. Eine Milliarde, das ist nur rund ein Achtel dessen, was euch durch das Dieselprivileg entgeht. Oder gut ein Siebtel des Betrags, den ihr mit einer Kerosinsteuer einnehmen könntet (im Flugzeug reisen eher Reiche als Arme). Oder das, was der Ausbau der A 5 bei Frankfurt am Main auf zehn Spuren kosten soll. Und da wollt ihr uns wirklich erzählen, dass eine Preiserhöhung beim Deutschlandticket alternativlos sei?

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Nanja Boenisch
Redakteurin
Schreibt im Ressort Wirtschaft und Umwelt über Mobilität und Verkehrswende.
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14 Kommentare

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  • Heinrich Heine 1844: Das, was heute an diesem Gedicht aktuell ist, dass die Rahmenbedingungen gut sind für die Reichen, sprich die Konzerne, die (fast) keine Steuern zahlen, - so wird der Druck auf die kleinen Leute (die Klein- und Mittelbetriebe und auch deren Mitarbeiter) immer größer und größer



    Im düstern Auge keine Thräne,



    Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:



    Deutschland, wir weben Dein Leichentuch,



    Wir weben hinein den dreifachen Fluch –



    Wir weben, wir weben!



    Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten



    In Winterskälte und Hungersnöthen;



    Wir haben vergebens gehofft und geharrt,



    Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –



    Wir weben, wir weben!



    Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,



    Den unser Elend nicht konnte erweichen,



    Der den letzten Groschen von uns erpreßt,



    Und uns wie Hunde erschießen läßt –



    Wir weben, wir weben!



    Ein Fluch dem falschen Vaterlande,



    Wo nur gedeihen Schmach und Schande,



    Wo jede Blume früh geknickt,



    Wo Fäulniß und Moder den Wurm erquickt –



    Wir weben, wir weben!



    Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,



    Wir weben emsig Tag und Nacht –



    Altdeutschland, wir weben Dein Leichentuch,



    Wir weben hinein den dreifachen Fluch,



    Wir weben, wir weben!

  • Die Mehrheit der Regierung und der Oposition haben kein Interesse an lebenserhaltenden, bezahlbarem öffentlichen Nahverkehr.



    Daher fehlt auch jeglicher Sinn für ein bezahlbares D-Ticket. Lieber diversifiziert die Politik alle Bereiche immer Kleinteiliger und bürdet uns noch mehr Bürokratie auf mit allerlei Sondertickets für Arme usw., Sonderfahrplänen usw.



    Warum soll die Masse auch öffentlich fahren, wenn der öffentliche Verkehr eh darniederliegt und von CDSU in den zurückliegenden Jahrzehnten heruntergewirtschaftet wurde.



    Eine klare Ansage der Politik an alle. Fahrt Auto.



    Kauft deutsche Fahrzeuge, wählt FDP und die Welt ist wieder in Ordnung.



    Eure Lebengrundlage lässt eh nicht versichern. Wenn Euch Euer Auto beim nächsten Hochwasser davon geschwommen ist, kauft ein Neues.



    Die Autoindustrie braucht neuen Absatz. Sinnvollerweise Verbrenner, die sonst in der Welt keiner mehr will. Da gibt es demnächst Rabatt.

  • So sieht sie also aus, die klimaschonende Mobilitätswende, von der unsere Politiker seit Jahren reden. Das 'Klimaticket' (so sollte das Deutschlandticket eigentlich wirklich heißen) wird jetzt also jährlich teurer gemacht, damit man es irgendwann wieder ganz verschwinden lassen kann. Für den ÖPNV und ein günstiges 'Klimaticket' ist kein Geld da, aber für neue Autobahnen möchte man Milliarden Euro locker machen, und bald soll es sogar eine zehnspurige Autobahn geben. Wenn Deutschland wirklich eine Mobilitätswende schaffen möchte, denn allein der Pkw-Verkehr in Deutschland erzeugt rund 100 Millionen Tonnen CO2 im Jahr, dann brauchen wir dauerhaft einen günstigen und funktionierenden ÖPNV und nicht noch mehr Autobahnen. Und das Auto muss endlich aus den Großstädten verbannt werden, sonst kann man Umwelt- und Klimaschutz nämlich gleich vergessen, denn freiwillig steigt kein Pkw-Fahrer vom Auto in den ÖPNV. Aber mit so einer "Politik" – die sehr viel Geld für unnötige Autobahnen hat, aber angeblich kein Geld für ein günstiges Deutschlandticket (Klimaticket) – wird das alles nichts werden. Der Klimawandel freut sich aber über so eine "Politik", denn der wächst dadurch immer schneller.

  • Eine echte verkehrswende ist eben nicht gewollt. Das Auto soll ja nicht angerührt werden. Die jahrelange Agenda das der Klimaschutz keinerlei Veränderung mit sich bringt ist eben wirkmächtig und niemand will den Leuten die Wahrheit zumuten, da er oder sie sonst nicht mehr gewählt wird - gute Nacht Klimaschutz und gute Nacht soziale Gerechtigkeit

  • Ich würde 100€ dafür bezahlen, hätten wir endlich mal eine ÖPNV-Anbindung, die nicht um 20 Uhr schon endet, eher nur zu Schülerzeiten fährt und nur im 1-2 Stunden-Takt stattfindet. Es kann nicht sein, dass alle mit ihren Steuern ein Ticket finanzieren, von dem aber viele Menschen auf dem Land nichts haben.



    Wenn ihr wirklich eine Verkehrswende wollt, dann haben auch die Menschen auf dem Land einen Anspruch auf einen funktionierenden ÖPNV.

  • Am allernicesten würde sein, wenn das Ticket ohne Abozwang vom Kauftag gerechnet ein Monat gültig wäre. Dann würde ich es mir auch zwei- bis dreimal im Jahr kaufen und der Preis von 58 € wäre OK.



    Daß Jobtickets über das D-Ticket subventioniert werden, ist ein Zugeständnis an die Porschefahrerfraktion der Ampel, das sich genauso kontraproduktiv auf die Infrastruktur auswirkt, wie die ÖPNV-Politik seit 89/90.

  • Ich würde noch einen anderen Aspekt aufmachen: Die Kapitalrendite der Bundesfernstraßen.

    Bemerkenswerterweise scheint es keine Zahlen dazu zu geben, was die Bundesfernstraßen wert sind. Der Bundesverkehrswegeplan [1] sieht aber für 2024-30 Ausgaben von 23 Mrd. €/Jahr vor, der Betrieb kostet [2] 6,3 Mrd. €/Jahr. Wenn wir ein marktübliches Verhältnis von Unternehmenswert zu Umsatz (ja, Investitionen + Betriebskosten sind nicht der Umsatz) von fünf annehmen, kommen wir auf einen Estimator für den Wert von 148 Mrd. €. Ich bin sehr sicher, dass der Wert eigentlich viel höher liegt BTW.

    Vom Schienennetz verlangen wir, dass es aus Nutzungsendgelten 6.5% Kapitalrendite erwirtschaftet. Vorschlag: Wir heben die Autobahnmaut so weit an, dass auch von dort 9.5 Mrd. €/Jahr Überschuss in den Bundeshaushalt fließen und nutzen die Hälfte dieser Einnahmen für das Deutschlandticket. Easy.

    1.: bmdv.bund.de/DE/Th...wegeplan-2030.html

    2.: www.faz.net/aktuel...hnen-19789829.html

  • 49 Euro, 58 Euro - ich wette die Mehrzahl der Kunden wäre auch gerne bereit 69 oder 89 Euro zu zahlen, wenn dafür die Bahn wieder pünktlicher und besser getaktet wäre - UND - wenn von den tausenden Kilometern Schienen und ebenso tausenden Bahnhöfen, die seit der Wiedervereinigung geschlossen wurden, spürbar mehr reaktiviert werden würden - damit die Bahn eventuell das mal wird was das Auto ist, nämlich ein Transportmittel für alle, das jeder unkompliziert nutzen kann, weil er in akzeptabler Entfernung dazu einen Zugangspunkt nutzen kann.



    Wenn das Geld wirklich in die Bahn fließt ist jede Preiserhöhung recht - billiger als ein Auto ist die Bahn so oder so, eine Tankfüllung kostet 50 bis 100 Euro, Versicherung, Kundendienst, Reifen, Reparaturen - da ist man schnell bei mehreren hundert Euro im Monat und der Kaufpreis fürs Auto ist da noch gar nicht berücksichtigt...



    Kein Auto ist mit 49 oder 58 Euro im Monat zu betreiben - wer wegen dieser 9 Euro kündigt hätte es so oder so zeitnah getan.

  • Es geht nicht um die Armen. Die bekommen das Sozialticket fuer 39 Euro.



    Es geht auch nicht um die Landbevoelkerung, die von dem Ticket nichts haben, weil es kein nutzbares Angebot gibt.



    Es geht hier um die Staedter mit Bushaltestelle vor der Tuer. Diese zahlen jetzt schon deutlich weniger im Vergleich zur Monats- oder Jahreskarte.

    Will man Gruppe 1 was Gutes tun, verguenstigt man das Sozialticket.



    Will man Gruppe 2 und dem Klima was Gutes, baut man die Oefffis auf dem Land aus.



    Will man stattdessen die eh schon privilegierten Staedter zusaetzlich auf Kosten von Gruppe 1 und 2 subventionieren, dann stimmt man diesem Artikel zu.

  • Deutschlandticket an die Inflationsrate koppeln, Bestandsgarantie für 10 Jahre ausgeben und gut ist. Denn damit hier irgendwer sein Auto abschafft braucht es langfristige Planbarkeit. Aktuell fahren viele noch Auto, weil sie eben ein Auto haben, sowas schafft man nicht binnen 1-2 Jahre Deutschlandticket ab, bei einem längeren Planungshorizont aber doch.

    • @FancyBeard:

      In der Realtitaet ist jede Monats/Jahresfahrkarte schon guenstiger als ein Auto gewesen. Die Kosten fuer die Oeffentlichen halten keinen Autofahrer davon ab aufs Auto zu verzichten.

  • Ich finde das Deutschlandticket für 58 € nach wie vor sehr günstig, kostendeckend ist es sowieso nicht. Die Verluste werden finanziert aus Steuern, die z.B. von Dienstwagen- und Dieselprivilegien-Nutzern erwirtschaftet werden. Müssten die alle mit der Bahn unterwegs sein, wäre es um unsere Wirtschaft noch viel schlechter bestellt.

    Und wenn man dann noch den sogenannten "kleinen Angestellten" (also den eher Reichen) den Sommerurlaub durch eine Kerosinsteuer verteuern will - bitte schön. Im nächsten Jahr ist Bundestagswahl.

  • Die CO2 Zertifikate brachten letztes Jahr 18 Mrd Euro ein, Die externen Erlöse von DB Regio und DB Fernverkehr beliefen sich auf 15 Mrd Euro. Das Geld für ein kostenloses Bahnticket ist da, auch wenn es bedeuten wird dass man mehr Züge, Busse und Fahrer*innen brauchen wird.

    • @Thomas Koll:

      Kostenlos ist gut. Je nachdem, wo Sie wohnen - auf dem Land, z.B., ist es leider auch fast wertlos.