Buch über Finanzelite: Die Welt berauben

Geld und Leere: Das Buch „Das Milliardenspiel“ ist ein schockierender Insiderbericht aus einer der Schaltzentralen des Finanzkapitalismus.

Hochhäuser in der City of London

City of London, einer der Finanzdistrikte, in dem Ungleichheiten zementiert werden Foto: Simon Dawson/reuters

Heute ist der 36-jährige Gary Stevenson „ein Ungleichheitsaktivist“. Doch zuvor machte er Karriere bei der Citibank in London. Mit 26 Jahren war er Multimillionär. Seine Motivation: der Beste zu sein und aus den bescheidenen Verhältnissen seiner Herkunft an die Futternäpfe der Reichen zu kommen.

Stevenson studierte an der London School of Economics Mathematik und Ökonomie und sicherte sich mit dieser Kombination das Ticket in die Finanzwelt. Mit 22 Jahren bekam er einen Job als Händler bei der Citigroup in Canary Wharf. Innerhalb von zwei Jahren hatte er seine erste Million verdient. Sein Gehalt und seine Boni stiegen weiter, während seine Wetten, dass die Zinssätze nicht steigen und die Ungleichheitslücke größer werden würde, der Bank Dutzende Millionen einbrachten. Sein erster Bonus betrug 13.000 Pfund.

Ein Jahr später waren es schon 395.000 Pfund – fast 20-mal so viel, wie sein Vater im Jahr bei der Royal Post verdiente. Und die Sonderzahlungen stiegen weiter. Dann wurde er depressiv und stieg aus.

Gary ­Stevenson: „Das Milliardenspiel“. Aus dem Englischen von Bernhard Schmid. Ariston Verlag, München 2024, 400 Seiten, 24 Euro

Zehn Jahre später hat er über diese Zeit ein Buch geschrieben. In „Das Milliardenspiel“ entfaltet er vor den Le­se­r*in­nen ein krankhaftes Delirium aus Sucht, Gier und dem Gefangensein in einer Welt aus voll klimatisierten Bankhochhäusern und teuren Restaurants: ein Leben mit Alkohol, Drogen, Frauen und dem Kick von Millionendeals. Gary bewegt sich darin wie ein gefangener Traumwandler. Allein die Lektüre über diese geldgeschwängerte Finanzwelt mit ihren Abgründen ist schmerzhaft, trist. Das Buch liest sich schwerfällig, auch versteht man nicht unbedingt mehr von den gewinnträchtigen Deals.

In den glänzenden Türmen

Jetzt arbeitet er daran, das System zu bekämpfen, in dem er zuvor gearbeitet hat, und setzt sich dafür ein, die breite Bevölkerung dafür zu sensibilisieren, was Banker wie er in den glänzenden Türmen von Canary Wharf und der City of London tun, um die Wirtschaft weiterhin ungerecht zu machen. Dabei gibt er nicht den einzelnen Bankern die Schuld, sondern dem System des Finanzkapitalismus.

Er wettet auf den langfristigen, kontinuierlichen Zusammenbruch der Weltwirtschaft. „Die Reichen bekommen das Vermögen, die Armen die Schulden.“ Daran werden die Reichen weiterverdienen, aber das Leben der Mittelschicht wird ruiniert und es wird immer schlimmer werden, sagt er im interview mit El País.

Die einzige Möglichkeit, das System zu ändern, bestehe darin, die Leute richtig wütend zu machen. Aber nur wenige schauten auf die ungleiche Verteilung. Stattdessen rede man ständig über die Kosten der Migration.

Die Rechte konstruiere eine Erzählung, die nicht korrekt, aber überzeugend sei: „Ihr seid arm wegen der Einwanderer, die eure Häuser und eure Arbeitsplätze besetzen, obwohl es an der Ungleichheit liegt, denn die Reichen sind die Kinder der Reichen, die das Geld nehmen, nicht die Einwanderer.“ Die Linke habe keine klare Botschaft, könne nicht erklären, wie die Dinge geändert werden könnten.

Mit anderen Millionären hat Gary Stevenson einen Brief unterzeichnet, worin der Premierminister aufgefordert wird, ihre Steuern zu erhöhen. Auch in seinem wöchentlichen Youtube-Blog prangert Stevenson die Einkommensunterschiede an und ruft zu einer Vermögensteuer auf.

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