Kernkraft in Frankreich: Neuer Reaktor im On-off-Betrieb

In Frankreich ist ein neues Atomkraftwerk vom Typ EPR in Betrieb gegangen. Bisher lief es allerdings nur kurz.

Aussenaufnahme des Atomkraftwerk in Flamanville, das direkt am Meer liegt

Das Atomkraftwerk in Flamanville. Wegen Produktionsmängeln und anderer Pannen hatte der Start 12 Jahre Verspätung Foto: Charly Triballeau/AFP/dpa

Paris taz | Wegen Produktionsmängeln und anderer Pannen hatte der Start 12 Jahre Verspätung. Anfang der Woche dann ging in Flamanville Frankreichs erster EPR, ein Atomkraftwerk (AKW) mit Druckwasserreaktor, mit der ersten nuklearen Reaktion offiziell in Betrieb. Aber nicht sehr lange: Schon am zweiten Tag stoppte der Reaktor automatisch. Das von Frankreich entwickelte EPR-Reaktormodell soll mehr Leistung und größere Sicherheit bieten.

Der Stopp sei nicht außergewöhnlich und entspreche den Erwartungen, teilte dazu der Betreiber der Anlage, der Energiekonzern EDF, mit. Die „technischen Kontrollen“ und „notwendigen Analysen“ seien im Gange. Wie fast immer bei Zwischenfällen in der Atomindustrie wird versichert, dass kein Grund zur Besorgnis vorliege, im Gegenteil: Der automatisch ausgelöste Stopp der atomaren Reaktion „beweist, dass das Sicherheitssystem gut funktioniert“, heißt es in der Mitteilung von EDF.

Das wollte der Medienagentur afp auch Energieexperte Nicolas Goldberg bestätigen: „Damit war zu rechnen. Die Inbetriebnahme ist ein komplexes industrielles Verfahren, und solche Zwischenfälle kommen häufig vor“, erklärte er mit Hinweis auf die drei anderen, bereits laufenden EPR auf der Welt. Im Fall des EPR Olkiluoto 3 in Finnland gab es laut Goldberg beim Start mehrere Probleme, so mussten gleich zu Beginn defekte Wasserpumpen ersetzt werden. Solche Ereignisse würden die neue Technologie nicht infrage stellen, man müsse „Geduld haben“.

Die Geduld aber wurde in diesem Fall schon sehr strapaziert. Denn ursprünglich sollte der EPR in Flamanville an der normannischen Atlantikküste nach 5 Jahren Bau bereits 2012 ans Netz gehen. Auch der wegen technischer Probleme oder materieller Mängel mehrfach verschobene Start in diesem Jahr war zuletzt noch mal um drei Monate hinausgezögert worden. Das hatte auch Folgen für die Kosten: Der erste EPR in Frankreich hat mit 13,2 Milliarden Euro bereits rund das Vierfache des ursprünglichen Kostenvoranschlags gekostet. Er soll mit einer Kapazität von 1.600 Megawatt den Strom für etwa 3 Millionen Haushalte liefern. Eine Stromproduktion für das französische Netz wird erst für Herbst 2024 versprochen.

Frankreich setzt weiterhin auf Kernkraft

Frankreich setzt für die Energieproduktion weiterhin prioritär auf seine Atomindustrie. Wie Staatspräsident Emmanuel Macron beschlossen hat, soll EDF 6 neue Anlagen mit der jetzt in Flamanville erprobten und verbesserten EPR-Technologie bauen, die dann ab 2035 in Betrieb gehen könnten – obwohl EDF akkumulierte Schulden von mehr als 64 Milliarden Euro hat. 8 weitere EPR sollen laut diesem Programm, das Kritiker als gefährliche „atomare Flucht nach vorn“ bezeichnen, später bestellt werden. Eine Lösung für eine definitive Endlagerung oder eine andere Entsorgung der hochradioaktiven Rückstände aus den AKW ist noch immer nicht in Sicht.

Die Stromproduktion der französischen AKW hat nach einer schweren Krise und einer drastischen Verminderung der Produktion im Jahr 2022 wieder fast den Höchststand von einer jährlichen Produktion etwa 400 Terawattstunden erreicht. Das Überangebot an Elektrizität drückt auf die Preise. EDF-Konzernchef Luc Rémont möchte damit die Nachfrage bei den Verbrauchern steigern, die beispielsweise wegen der günstigeren Kosten auf Elektroautos für den Verkehr oder auf Wärmepumpen für die Heizung umstellen sollen. EDF verweist auch darauf, dass die Produktion von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind und Wasserkraft mit einer Zunahme von 12 Prozent stark wächst.

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