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Kein Schach gegen IsraelisUngestrafter Boykott

Der Iraner Amin Tabatabaei, der für den FC Bayern Schach spielt, tritt nicht gegen Israelis an. Weder der Klub noch der Weltverband reagieren darauf.

Schach im Vereinstrikot: Amin Tabatabaei bei einem Einsatz für den FC Bayern im Jahr 2022 Foto: imago

Zuletzt sorgte Amin Tabatabaei im August für Ärger. Der Iraner ist Schachprofi, reist durch die ganze Welt, doch bei der Team-WM im Blitzschach im kasachischen Astana weigerte er sich, gegen Spieler des israelischen Ashdod Chess Club anzutreten.

Ganz unbekannt ist dieses Verhalten Tabatabaeis nicht. Schon 2022 hatte er für Skandale gesorgt, weil er bei der Blitzschach-WM eine Partie gegen den israelischen Großmeister Boris Gelfand boykottierte. Einige Monate später weigerte er sich erneut, gegen einen Israeli zu spielen.

Bei seinem jüngsten Israel-Boykott im August in Kasachstan war Tabatabaei für das Team GMHans.com angetreten, aber in der Bundesliga sitzt der Großmeister für den FC Bayern München am ersten Brett. Beim Deutschen Schachbund (DSB) beobachtet man „Vorfälle des Nichtantretens im Sport mit großer Sorge“, wie DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach formuliert. Als vor zwei Jahren Tabatabaei erstmals für einen Skandal sorgte, hatte Lauterbach das Gespräch mit dem FC Bayern gesucht. Der wiederum wirkte auf seinen Spieler ein. Ganz offensichtlich ohne Erfolg.

Interessanterweise hatte Amin Tabatabaei selbst schon einmal Ärger mit der Boykottpolitik des Regimes in Teheran. Zusammen mit einem anderen iranischen Großmeister, Parham Maghsoodloo, war er 2019 bei einem Turnier gegen Israelis angetreten – vermutlich, ohne deren Nationalität zu kennen. Beide Schachprofis – Tabatabaei war damals 18 Jahre alt – mussten sich öffentlich entschuldigen, auch Irans Teilnahme an der Blitzschach-WM 2019, für die sie sich qualifiziert hatten, wurde prompt abgesagt.

Anträge auf Suspendierung

Amin Tabatabaei lebt noch mit seiner Familie in Iran. Parham Maghsoodloo, der vor Tabatabaei ebenfalls bei Bayern München in der Bundesliga gespielt hat, lebt mittlerweile in Frankreich, und Alireza Firouzja, das vermutlich größte Talent des iranischen Schachsports, dem 2019 die WM-Teilnahme verboten werden sollte, verließ schon als 16-Jähriger Iran, nahm unter der neutralen Flagge der Fide an der sonst für ihn verbotenen WM teil und lebt nun mit seinem Vater in Frankreich – mit französischem Pass.

Iran will einerseits im Weltschach dabei sein, andererseits weigern sich das Regime und seine Schachfunktionäre gegen Israelis zu spielen. Der Weltverband Fide kennt das Problem schon lange. Im Jahr 2020 lag ihm ein Antrag vor, dass Iran, wenn es weiterhin seine Schachsportler anweist, nicht gegen Israelis zu spielen, „zwingend von allen Fide-Aktivitäten suspendiert“ werden müsse. Die Fide, deren russischer Präsident Arkadi Dworkowitsch immer wieder zu großer Kreml-Nähe verdächtigt wird, setzte alle Hebel in Bewegung, um den Antrag abzumildern.

Heraus kam eine butterweiche Formulierung, wonach es Strafmaßnahmen geben könne, „sollten die Umstände solche Aktionen rechtfertigen“. Um den drohenden Ausschluss aus dem Weltschach zu verhindern, hatte Iran sogar öffentlich behauptet, es zwinge keinen Athleten zum Israel-Boykott, das machten die Sportler alle freiwillig.

Schach gehört zu den wenigen Sportarten, in denen das kleine Mittelmeerland Israel in der Weltspitze vertreten ist. Bei nur neun Millionen Einwohnern kommt es auf 47 Großmeister. Deutschland mit 84 Millionen Einwohnern hat etwa 100 Großmeister.

Entsprechend fallen Boykotte gegen den jüdischen Staat hier stärker auf. 2018 etwa wurde dem damals erst 7-jährigen Schachtalent Liel Levitan die Teilnahme an der Schach-WM nicht erlaubt, weil Tunesien keine Israelis einreisen lässt. Das sorgte für Aufregung, weil das Opfer ein Mädchen war.

Aber die Tradition des Boykotts ist schon älter. 1976 fand im israelischen Haifa die Schacholympiade statt, ein alle zwei Jahre ausgetragenes Weltturnier. Gastgeber der aktuellen Olympiade, die noch bis zum 23. September andauert, ist Budapest. Zum Boykott damals riefen nicht nur arabische Staaten auf, sondern auch die Sowjet­union. Und das Regime von Diktator Muammar al-Gaddafi in Libyen nutzte die Gelegenheit, um eine „Against Chess Olympiad“ zu veranstalten, eine Gegenschacholympiade, an der zwar nicht die Sowjetunion mit ihren Großmeistern teilnahm, aber tatsächlich waren einige westliche Länder wie Portugal, Italien, Malta und die Türkei angereist.

Was den Fall Amin Tabatabaei angeht, sieht man beim DSB und auch bei den Bundesligaklubs die Fide in der Pflicht. Schließlich habe er ja nicht boykottiert, wenn er für seinen Klub Bayern München angetreten war. Doch beim DSB gibt man zugleich leicht frustriert zu verstehen, man sehe derzeit keine Hinweise darauf, dass die beim Weltverband zuständige Fide-Ethikkommission bald angerufen und eventuell Strafen aussprechen werde. Das habe der DSB schon oft kritisiert, aber man wisse, „dass das leider bei der Fide in gewisser Weise auch ein Kampf gegen Windmühlen ist“.

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10 Kommentare

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  • Man kann ja auch die Frage stellen, warum wir angefangen haben, die Unterdrückung und Vertreibung der Palästinenser als Normalität zu akzeptieren.

    • @Moritz Pierwoss:

      Das ist normal. Das war seit 60 Jahren normal. Es wird solange normal bleiben, wie die Großkopferten zwischen Atlas und Hindukusch Revanchismus und die Vernichtung Israelis predigen und die Palästinenser als Frontschweine missbrauchen. Dazu müssen Hamas und Hisbollah schon in Sachen Frieden und Versöhnung in Vorleistung zu gehen.



      Sieht schlecht aus.

  • Finde eine Weigerung als Kritik absolut berechtigt. Hierzulande fehlt einfach das Rückgrat und die Differenzierungsfähigkeit, zwischen berechtigter Kritik an Kriegsverbrechen und Antisemitismus zu unterscheiden. Und Angst lässt die meisten blind Pro-Israel sein ungeachtet etlicher Aufnahmen an menschenverachtenden taten der IDF.

  • Genauso wie Russen nicht zur Olympics dürfen, als russische Repressentanten.



    Letztendlich ist der Boycott doch ein absolut legitimes Mittel der Kritik, und maßnahmen dagegen halte ich für Antidemokratisch.

    • @Jessica Blucher:

      Man sollte dringend auch den Iran als Finanzier von internationalem Terrorismus boykottieren.

      Iranische Schachspieler als Repräsentanten des Mullah-Regimes gehen gar nicht.

      Dass der FC Bayern München sich als Werbeplattform für die Repräsentanten dieses Regimes hergeben, ist erschreckend.

      • @rero:

        Des einen Terrorist ist des anderen Revolutionär.

  • "Fünf Israelis sind aktuell in der Liste der Spieler mit einer ELO-Zahl über 2.700 vertreten".



    Das ist nicht so. Aktuell hat kein Israelischer Spieler 2700 oder mehr. Nur drei sind über 2600. Siehe ratings.fide.com/r....phtml?country=ISR

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Der FC Bayern ist, wie auch der DSB, ein gemeinnütziger Verein.



    Ich bin sicher, würde das Finanzamt hier mal einen Hinweis geben, dass sehr schnell zu Konsequenzen führen würde.

    Es fehlt lediglich der politische Wille.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      Was hat das mit dem Boycott zu tun?

      • 6G
        611245 (Profil gelöscht)
        @Francesco:

        Es stellt sich mir hier schon die Frage, ob „Gemeinnützigkeit“ hier noch bejaht werden kann.