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Zwei Jahre Frauenproteste im IranIm Gedenken an Jina Mahsa Amini

In Iran erinnern mutige Demonstrierende am Jahrestag ihres Todes an die durch das Regime umgekommene Kurdin. Das reagiert mit Unterdrückung.

Nicht nur im Iran, sondern weltweit wurde im Gedenken an Jina Mahsa Amini protestiert, hier in Köln am Sonntag Foto: Ying Tang/imago

Berlin taz | Zwei Jahre nach der Ermordung von „Jina“ Mahsa Amini erinnern Generalstreiks in Iran an die junge Kurdin. Amini, die im September 2022 von der Sittenpolizei festgenommen und misshandelt wurde, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht richtig trug, starb am 16. September 2022 an ihren Verletzungen. Ihr Tod löste damals iranweite Proteste unter dem Motto „Frau Leben Freiheit“ aus.

In mehreren kurdischen Städten in Iran blieben am Wochenende die Geschäfte geschlossen, etwa in Saqqez, Aminis Heimatstadt. Das Regime reagierte mit Härte: Zahlreiche Geschäfte, die sich an den Streiks beteiligten, wurden versiegelt, um die Streikenden zu bestrafen und weitere Protestaktionen zu unterdrücken, berichtet die Menschenrechtsorganisation Kurdpa. Die Teilnahme an den Streiks stellt für die betroffenen La­den­be­sit­ze­r*in­nen ein großes Risiko dar: Die Behörden verhängen empfindliche Sanktionen, im schlimmsten Fall droht Inhaftierung.

Trotz dieser Drohkulisse halten viele Menschen an ihrem Widerstand fest. Der Vater Aminis dankte den Streikenden in einer Instagram-Story für ihre Solidarität und ihren Mut – obwohl er und seine Familie selbst unter massivem Druck des Regimes stehen. Berichten zufolge wurde den Eltern Aminis im Vorfeld des Jahrestages untersagt, das Grab ihrer Tochter zu besuchen, und sie wurden unter Hausarrest gestellt. Ihnen wurde mit Verhaftung gedroht, falls sie den Anweisungen nicht Folge leisten.

Den Eltern Aminis wurde im Vorfeld des Jahrestages untersagt, ihr Grab zu besuchen

Auch Gedenkveranstaltungen am Grab Aminis versuchte das Regime unmöglich zu machen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Hengaw wurde Wasser aus dem Cheragh-Veys-Damm in das Flussbett des Saqqez-Flusses abgelassen und der Zugang zur Grabstätte dadurch blockiert.

Kleinere Demonstrationen in Teheran

Das Regime verstärkte außerdem die Polizeipräsenz in mehreren Städten, allen voran in Saqqez, wo zahlreiche Sicherheitskräfte auf den Straßen patrouillieren. Auch in Mahabad, das während der Proteste von 2022 eine Hochburg des Widerstands war, wurde eine starke Überwachung unter Einsatz von Drohnen gemeldet. Zudem verschärften die Behörden die Internetzensur in der kurdischen Region Irans, um die Verbreitung von Protestbildern und Informationen zu unterbinden.

Trotz der Repressionen kam es in einigen Städten zu Straßenprotesten. In Divandarreh beispielsweise versammelten sich nach Angaben von Hengaw Jugendliche und riefen regimekritische Parolen. Auch in der Hauptstadt Teheran kam es zu mehreren kleineren Demonstrationen, bei denen „Frau Leben Freiheit“ gerufen wurde.

Im Vorfeld des Jahrestages kam es – wie schon im letzten Jahr – zu zahlreichen Verhaftungen von Ak­ti­vis­t*in­nen und Angehörigen Getöteter, um etwaige Proteste einzudämmen. Unter den Festgenommenen befindet sich auch die Mutter des getöteten Demonstranten Shahriar Mohammadi. Zudem setzten die Behörden Jour­na­lis­t*in­nen unter Druck, nicht über die Proteste zu berichten.

Mehr als 400 Personen seit Jahresbeginn hingerichtet

Innerhalb der Gefängnismauern regt sich ebenfalls Widerstand. Am vergangenen Wochenende protestierten Frauen im Frauentrakt des berüchtigten Evin-Gefängnisses. Mehr als 25 Insassinnen riefen Parolen wie „Frau Leben Freiheit“ und sangen Protestlieder. Berichten zufolge verbrannten sie ihre Hidschabs auf dem Gefängnishof und traten in den Hungerstreik.

Seit Ausbruch der „Frau Leben Freiheit“-Proteste wurden mindestens zehn Personen im direkten Zusammenhang mit der Protestbewegung in Iran hingerichtet. Zahlreichen weiteren Protestierenden droht die Exekution. Seit Anfang dieses Jahres wurden bisher mehr als 400 Personen hingerichtet, darunter 15 Frauen.

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1 Kommentar

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  • Derweil schotten wir uns ab gegen die, die in Not sind.

    Damit unterstützen wir weltweit diese repressiven Regimes. Ist dann unser Gejammere über deren Unmenschlichkeit, und unser salbungsvolles Geschwätz darüber, wie -ach!- demokratisch wir sind glaubwürdig?

    Ich kann verstehen, wenn uns die Menschen dort den Mittelfinger zeigen :-(