piwik no script img

Deutsches Gold im TischtennisKeine Angst gegen Angstgegnerin

Bei den Olympischen Spielen war Tischtennis aus deutscher Sicht eine Randnotiz. Anders bei den Paralympics: Dort gewann Sandra Mikolaschek nun Gold.

Sandra Mikolaschek feiert ihre Tischtennis-Goldmedaille bei den Paralympischen Sommerspielen Foto: Mika Volkmann/imago

WIEN taz | Das deutsche Tischtennis steckt in der Krise. Aber wer dichtete einst, wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch? Nun, ganz so pathetisch muss es nicht sein. Doch in diesem Sommer rund um Olympia und Paralympics in Paris ist in dem beliebten Breitensport mit dem kleinen weißen Ball aus deutscher Sicht viel passiert. Timo Boll, lange bester Deutscher an der Platte, hat den Schläger zumindest international endgültig an den Nagel gehängt. Und wo bei den Damen eine Nina Mittelham von Verletzungen gebeutelt wird, steht eine Annett Kaufmann bereit, um mit ihren 18 Jahren unerschrocken die Gegnerinnen von der Platte zu putzen.

Dennoch: Bei den Olympischen Spielen war Tischtennis aus deutscher Sicht eher eine Randnotiz. Anders bei den Paralympics gut sechs Wochen später. Erst holen die deutschen Athletinnen und Athleten reihenweise Medaillen. Dann setzte sie nach den drei Finalniederlagen ihrer Kollegen und Kolleginnen noch eins drauf – und holte Gold: Sandra Mikolaschek gewann am Sonntag das Finale in der Klasse WS4 gegen die serbische Weltranglistenerste Borislava Perić-Ranković mit 3:1 (11:5, 11:3, 6:11, 11:8). Ihr Gold wurde so zur insgesamt fünften Medaille für das deutsche Tischtennis bei den Paralympics und zur zehnten Goldmedaille für das deutsche Team in Paris insgesamt.

„Ich musste mir aktiv Druck machen, dass ich mich nicht auf der Silbermedaille ausruhe. Ich wollte das Spiel trotzdem gewinnen“, ließ Mikolaschek nach dem Finale wissen. „Ich musste in den letzten Jahren oft lernen, dass mutiges Spiel belohnt wird und nicht, wenn man einfach nur den Ball rüberspielt.“ Trotzdem hat sie besonders ihr Schupfspiel, also ihr vorsichtiges Ballverteilen, stark verbessert. Gegen die Serbin, die für Mikolaschek bislang als beinah unschlagbare Angstgegnerin galt, spielte sie von Anfang an souverän, mutig und nahezu fehlerfrei. Bundestrainer Volker Ziegler war begeistert vom überragenden Auftritt seiner Spielerin: „Das war ein Tischtennisfest statt Tischtennisarbeit.“

Geboren wurde die jetzt 27-Jährige im sachsen-anhaltinischen Eisleben; ihre Karriere wurde maßgeblich im Deutschen Tischtenniszentrum in Düsseldorf gefördert. Mit der dort beheimateten Borussia gewann sie auch schon dreimal den Titel als Deutscher Mannschaftsmeister im Rollstuhltischtennis; in der Weltrangliste liegt sie hinter der Serbin Perić-Ranković auf Rang 2. Sandra Mikolascheks Behinderung basiert auf einer eingeengten Halsschlagader bei der Geburt. Nach darauffolgenden Operationen waren Nerven im Rückenmark abgeklemmt. Sie nutzt von Kindheit an einen Rollstuhl.

Tischtennis gilt in der Breite als eigentlich optimal inklusiver Sport; allein in der Spitze werden die üblichen Trennungen wirksam. Die einzige Sonderregel beim Spielen mit oder als Rollstuhlfahrende/n besteht darin, dass beim Aufschlag der Ball nicht über die Seite die gegnerische Tischhälfte verlassen darf, da der Bewegungsradius mit Rollstuhl natürlich etwas eingeschränkt ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen