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Ahmadiyya-Konferenz „Jalsa Salana“40.000 Muslime in Mendig

Zum 48. Mal treffen sich die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde in Deutschland. Diesmal findet die „Jalsa Salana“ in Mendig, Rheinland-Pfalz, statt.

Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinschaft auf dem ehemaligen Flugplatz in Mendig, Rheinland-Pfalz, am 23. August Foto: Thilo Schmuelgen/reuters

Mendig taz | Am Freitagmorgen herrscht in der rheinland-pfälzischen Stadt Mendig ein ungewöhnliches Treiben. Kilometerlange Staus auf den Zufahrtsstraßen und hunderte Menschen am Bahnhof – alle mit demselben Ziel: den Flugplatz Mendig. Hier, etwa 25 Kilometer westlich von Koblenz, war es zuletzt 2016 während des Festivals „Rock am Ring“ so voll. An diesem Wochenende jedoch zieht die „Jalsa Salana“ über 40.000 Muslime und Musliminnen an – die Jahreskonferenz der Ahmadiyya Muslim Jamaat, einer der größten islamischen Gemeinschaften in Deutschland

Nach einer gründlichen Sicherheitskontrolle erreichen die Be­su­che­r:in­nen das Gelände auf dem ehemaligen Bundeswehr-Heeresflugplatz. Heute dient er als Testgelände für Fahrzeuge. Ein massiver Zaun trennt die Bereiche in einen für Männer und einen für Frauen. Kontrolleurinnen lassen die Frauen in ihren Bereich, während tausende Männer in weißem Gewand, dem traditionellen Thawb, über das Gelände spazieren. Die weißen Zelte reihen sich aneinander: rund 200 für Veranstaltungen, Ausstellungen und Gebete, weitere 800 als Unterkünfte. Das alles ist in wenigen Wochen entstanden, vor allem durch die ehrenamtliche Arbeit von Hunderten von Gemeindemitgliedern.

„Das ist das größte Zelt Europas“, erklärt Wahaj bin Sajid stolz und zeigt auf eines der riesigen Zelte. „Liebe für alle, Hass für keinen“, steht auf großen Bannern an der Decke. Vor dem gemeinsamen Freitagsgebet lauschen Hunderte Männer gespannt der auf vielen Bildschirmen übertragenen Ansprache des Kalifen genannten Oberhaupts der Ahmadiyya-Gemeinschaft, Mirza Masroor Ahmad. Viele tragen Kopfhörer, denn die Rede wird simultan in 13 Sprachen übersetzt.

Einige sind enttäuscht, dass der Kalif nicht persönlich anwesend ist, sondern sich krankheitsbedingt aus einem britischen Dorf zuschalten lässt. „Islamabad, UK“, steht unter seinem Bild. „Das ist ein Anwesen in England, nicht die Hauptstadt Pakistans“, flüstert der 42-jährige Jurist mit dem schwarzen Bart. Das Grundstück gilt als Hauptsitz der Ahmadiyya-Gemeinde.

„Ein großes Familientreffen“

Dass das Gelände nach der pakistanischen Hauptstadt benannt wurde, ist jedoch kein Zufall. Ein Großteil der Ahmadiyya-Gemeinde stammt aus Pakistan, wo sie durch die Verfassung als nicht-Muslim:innen anerkannt und verfolgt werden. Viele flohen schon in 1970er nach England oder Deutschland. So kamen auch die Eltern von Rameza Monir nach Deutschland. Die Jalsa Salana, die in diesem Jahr zum 48. Mal in Deutschland stattfindet, sei ein wichtiger Teil ihrer Kindheit gewesen, erinnert sich die 28-jährige Politikstudentin freudig.

Jetzt ist sie mit ihrem dreijährigen Kind und ihrem Mann da und freut sich, dass auch ihr Kind diese Erfahrung machen kann. „Jalsa Salana war schon immer ein Höhepunkt für unsere Familie. Es ist wie ein großes Familientreffen.“ Man merkt, wie sehr sie das Gemeinschaftsgefühl schätzt: „Wir freuen uns vor allem auch auf viele Leute, die man sonst ein Jahr lang nicht sieht“. Nach dem Wochenende habe man ein besonderes Gefühl der Gemeinschaft und „einen spirituellen Boost – man kommt gemeinsam Gott näher“.

Monir ist eine von vielen Frauen, die das Wochenende auf dem Flugplatz verbringen. Viele engagieren sich bei dem selbstorganisierten Treffen ehrenamtlich. Für die Frauen sei es empowernd, an diesem Wochenende neue Rollen zu übernehmen, die sie sonst nicht ausprobieren würden, erzählt Monir – so arbeiten die Frauen als Sicherheitskräfte, in der Anmeldung oder im Presseteam, wie zum Beispiel Rabea Rehman. „Oh, das sind ja meine Kinder!“, ruft die 29-Jährige freudig aus, als sie ihren Mann und ihre Kinder auf dem Gelände sieht. Frauen können sich im Männerbereich frei bewegen, umgekehrt ist dies jedoch nicht erlaubt.

Die Ahmadiyya-Gemeinschaft, die sich als liberal, aber wertekonservativ bezeichnet, wird häufig für ihre strikte Geschlechtertrennung kritisiert. Die Gemeinde betont jedoch die Gleichwertigkeit von Mann und Frau und sieht „Women-Only-Spaces“ als förderlich für die persönliche und berufliche Entfaltung von Frauen. So nutzen an diesem Wochenende auch verschiedene Berufsgruppen der Gemeinde, wie Ärztinnen oder Architektinnen, die Gelegenheit, sich zu vernetzen.

Unpolitisch ist die Gemeinde nicht

Tatsächlich hat die Ahmadiyya-Gemeinde liberalere Ansichten zum Islam als viele andere muslimische Gruppen. Sie befürwortet eine säkulare Regierungsform und betont die klare Trennung von Staat und Religion. Inzwischen ist die Gemeinde in Deutschland so etabliert, dass das Land Hessen ihr 2013 den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen hat. Damit ist sie bislang die einzige in Deutschland ansässige muslimische Religionsgemeinschaft, die den gleichen Rechtsstatus wie die christlichen Kirchen hat. Die Gemeindemitglieder betonen daher immer wieder, völlig frei von ideologischer Einflussnahme und unpolitisch zu sein. Doch so unpolitisch sind sie nicht.

Eine Antwort auf die Vorwürfe der AfD“ steht auf einem blauen Heft im Pressezelt. Auf 70 Seiten äußert sich ein Pressesprecher der Gemeinde zur AfD. Die Gemeinde gehört schon lange zu den Feindbildern der AfD. Wer Mitglied bei der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland ist, darf kein Mitglied der AfD sein, steht beispielsweise auf der Unvereinbarkeitsliste der Partei. Der Vorsitzende der Gemeinde, Abdullah Uwe Wagishauser, sagt, dass man auch mit der AfD reden müsse und mit ihren Anhängern in den kritischen Diskurs gehen sollte.

Rabea Rehman und Wahay bin Sajid sehen Parallelen zur Verfolgung ihrer Eltern in Pakistan. „Auch wenn es hier nicht so extrem ist, spüren wir eine zunehmende Fremdenfeindlichkeit im Alltag“, sagt Rehman. Die Gemeinde versuche, Aufklärungsarbeit zu leisten und sich in die Gesellschaft zu integrieren. Doch man erwarte auch Unterstützung von der Politik. „Der Staat, auch die Regierung, muss gerade in Orten, wo die AfD immer weiter Zuwachs gewinnt, mehr tun und aktiv Aufklärungsarbeit leisten“, fordert sie.

Auch Sajid erwartet mehr von der Politik. „Manchmal hat man das Gefühl, dass man sich nur auf die AfD konzentriert, aber die Stimmen, die man von anderen politischen Parteien oder von Einzelpersonen in den sozialen Medien hört, sind genauso schlimm“, so Sajid. Die AfD sei sicherlich nicht die einzige oder entscheidende Kraft. „Rassismus ist leider mitten in der Gesellschaft angekommen“, meint der Frankfurter Jurist. Trotzdem wolle man in die Offensive gehen, denn das Thema Rassismus spiele eine Hauptrolle in der verfolgten Gemeinde.

Frieden in Gaza und der Ukraine

Auch der Nahostkonflikt ist an diesem Wochenende ein zentrales Thema. „Waffenstillstand jetzt – in Gaza und in der Ukraine“, steht auf einem blauen Sticker der Gemeinde, der auf vielen Autos zu sehen ist. Die Mitglieder betonen stets ihren Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit, was die Lösungen für die Konflikte in der Ukraine oder in Gaza betrifft, habe die Gemeinde keine konkreten Vorschläge, dies sei Aufgabe der Politik, erzählt Sajid.

Dennoch gehen ihre Forderungen über das Unpolitische hinaus: „Wir fordern die Vereinigten Staaten und andere einflussreiche Nationen auf, sich jeglicher Handlungen oder Erklärungen zu enthalten, die die instabile Situation weiter anheizen könnten“, hieß es vor einigen Monaten von der Gemeinde zum Nahostkonflikt. „Weil die alten Deutschen oder die alte deutsche Regierung, die Hitler-Regierung, Unrecht an den Juden begangen haben“, glaubten manche, dies gebe den Juden die Lizenz, es anderen Nationen gleichzutun, sagte der Kalif im April der Berliner Zeitung. „Wenn sie sich rächen wollen, dann an Deutschland, nicht an den Palästinensern.“

Am Sonntag neigt sich die Jalsa Salana dem Ende entgegen, doch die gute Stimmung auf dem Gelände wird von dem Anschlag in Solingen überschattet. „Solche Angriffe, die das Leben und die Sicherheit unschuldiger Menschen bedrohen, dürfen und werden wir nicht hinnehmen“, heißt es von der Gemeinde. Deutschland müsse weiterhin entschlossen und mit aller Härte gegen jegliche Form von Gewalt und Terrorismus vorgehen, um den Schutz und die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.

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11 Kommentare

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  • Die Ahmadiyya Gemeinde ist die älteste muslimische Gemeinde Deutschlands, welche seit 1923 existiert. Seit so vielen Jahren leben wir in Harmonie mit den Menschen in Deutschland zusammen. Wir sind ein Teil des deutschen Volkes. Seit 100 Jahren haben wir alle Höhen und Tiefen dieses Landes mit erlebt.

  • Merkwürdig, dass in dem Bericht Khola Maryam Hübsch totgeschwiegen wird, als hätte sie mit der Gemeinde nichts mehr zu tun.



    Obwohl sie in den Talkshows als Vorzeige-Ahmadiyya hofiert wird.

  • Sollte die Überschrift eine Provokation für Muslime sein?

    Für die allermeisten Muslime auf der Welt sind die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinden keine Muslime.

    Sie können das durchaus präzise begründen.

    Aber eine deutsche Zeitung weiß besser, wer Muslim ist, als Muslime?

    Vielleicht sollte man Dekolonialisierung auch bei der Taz etwas ernster nehmen ...

    • @rero:

      Ahmadi Muslime erfüllen jedes Kriterium sich als Muslim zu bekennen. Wir glauben and die selben 5 Säulen des Islams und die 6 Glaubensartikeln. Unser Glaubensbekenntnis ist das selbe wie des jeden Muslims. Gemäß Bukhari 391 erfüllen wir auch die genannten Kriterien. Uns als nicht Muslim abzustempeln wäre nur eine Arroganz.

    • @rero:

      Verstehe gar nicht warum du dich provoziert fühlst, wenn eine muslimische Gemeinde bessere Arbeit macht als alle anderen muslimischen Gruppen?! Die Ahmadiyyas beten, fasten, pilgern und sagen das gleiche Glaubensbekenntnis wie Muslime. Natürlich sind es Muslime, was denn auch sonst!

    • @rero:

      Wissen sie. solange DIE sich als Muslime betrachten und bezeichnen ist das durchaus legitim. Wir reden hier immerhin von Religion, und die liegt nun mal im Auge des Betrachters.

      Wenn sie das schon als "Provokation" ansehen sollten sie eher mal ihre Einstellung überdenken - soweit mir bekannt ist Muslim ist wer das Glaubensbekenntnis aufsagt. Das haben die wohl auch getan.

      • @hkj2314:

        Wer Muslim ist, liegt vor allem im Auge des muslimischen Betrachters.

        Das sollte man ernstnehmen.

        Wenn Nichtmuslime signalisieren, dass es sie nicht interessiert, was Muslime denken, wird es nichts mit der Begegnung auf Augenhöhe.

        Die Zeiten, dass sowas funktioniert, sind vorbei.

        Sie sehen, meine Einstellung habe ich überdacht.

        Jetzt sind Sie dran.

        Stellen Sie sich einfach mal vor, Sie wären Muslim.

        Wie würden Sie es empfinden, wenn Ihnen Nichtmuslime vorschreiben, wer zu Ihrer Gruppe gehört?

        Stellen Sie sich vor, Rechte würden bestimmen, wer links ist.

        • @rero:

          Nun schöner wäre wenn "die allermeisten" Muslime dann einfach akzeptieren das diese sich AUCH als Muslime ansehen.



          WO ist denn das verdammte PRoblem? Lasst ihnen doch einfach ihren Glauben.

          Diese Ausgrenzung ist es, diese Spalterei in "die sind aber keine , nur wir sind echte Muslime/Christen/Juden" die mich an Religionen so allgemein nervt.

          Tun ihnen diese Menschen etwas? Stören diese die Auslebung IHRES Glaubens? Nein? Dann gehen sie einfach weiter, es gibt hier nichts zu sehen.

        • @rero:

          Ich als Katholik sage Anhänger der russisch orthodoxen Kirche sind keine Christen, wenn das jetzt genug Katholiken sagen wird es dann wahr?

        • @rero:

          Und wer definiert, wer ein Muslim ist, der die Muslimschaft anderer definieren darf? Es wäre schön, wenn „die allermeisten Muslime“ anerkennten, dass es verschiedene Gruppen gibt, die sich auf den Allah des selben Mohammeds beziehen, und dass man zwar die eigene Art und Tradition für die beste halten darf, aber trotzdem den Glauben der anderen nicht bewerten muss.

          • @o_aus_h:

            Tun die Muslime.

            Schiiten und Sunniten bekämpfen sich zwar, seitdem es sie gibt.

            Nichtsdestotrotz sehen sie sich gegenseitig als Muslime.

            Christen und Juden beziehen sich auf Allah desselben Mohammeds.



            Muslime betrachten Jesus als Prophet.



            Orientalische Christen benutzen ebenfalls das arabische Wort "Allah", weil es schlicht "Gott" bedeutet.

            Deshalb sind Muslime keine Christen.

            Nur weil jemand feststellt, was ein Dritter glaubt, ist von den Glaubenssätzen her nicht mehr die eigene Religion, heißt das nicht, dass die andere Religion als gut oder schlecht bewertet wird.