Pakistanische Geflüchtete: Urteile mit Copy-and-Paste

Die religiöse Minderheit Ahmadiyya ist in Pakistan Angriffen ausgesetzt. Trotzdem schiebt Deutschland Menschen der Gemeinschaft ab.

Schlüsselbänder der Ahmadiyya Muslim

Mit Schlüsselbändern weisen die Ahmadiyya Muslims auf ihre Religionsgemeinschaft hin Foto: Hendrik Schmidt/picture alliance

BERLIN taz | Seit sieben Jahren lebt Mubarak Ahmad in Deutschland. Im März 2015 kam er in Flörsheim an. Vor seiner Ankunft arbeitete er als Dienstleister eines Mobilfunkunternehmens und stellte sich mit seinen 50 Jahren auf ein langfristiges Leben in Deutschland ein. Am 10. Mai soll ihn ein Flieger zurück nach Pakistan bringen. Neben ihm werden zwei weitere Geflüchtete sitzen: Tariq Mahmood, der seit November 2015 in Deutschland lebt, und Nadar Rehman, der im Februar 2016 ankam. Auch ihre Asylanträge wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt.

Dabei ist Ahmad nicht grundlos aus Pakistan nach Deutschland geflohen. Ahmad, Mahmood und Rehman gehören der religiösen Gemeinschaft Ahmadiyya an. Ahmadi sind eine muslimische Minderheit, die im 19. Jahrhundert in Britisch-Indien entstanden ist und sich insbesondere durch ihren Glauben an den Messia Mirza Ghulam Ahmad von orthodoxen Mus­li­m:in­nen unterscheidet.

Im September 1974 verabschiedete das pakistanische Parlament nach einer Reihe von Anschlägen und Angriffen auf die islamische Minderheitengemeinschaft eine Verfassungsänderung. Durch diese Änderung wurden Ahmadi, die sich selbst als Mus­li­m:in­nen bezeichnen, zu Nicht-Muslim:innen erklärt. Ihnen wird ihre religiöse Zugehörigkeit zum Islam aberkannt, ihre Religionsstätten dürfen sie nicht als Moscheen bezeichnen. Da ihnen ihr Status als Mus­li­m:in­nen aberkannt wird, ist es laut BAMF „praktisch unmöglich“, an Wahlen teilzunehmen oder sich in der Politik einzubinden.

Mit der Verfassungsänderung nahmen auch Angriffe auf Ahmadi zu – wie ernst die Lage ist, betont Suleman Malik vom International Human Rights Committee (IHCR): „Es geht hier um Leben und Tod“, erklärt er gegenüber der taz. „Diese Menschen werden in Pakistan als Verräter gesehen, sie haben dort keine Perspektive.“ Malik erklärt, dass es in der Vergangenheit Fälle von abgeschobenen Ahmadi gegeben haben soll, die nach ihrer Ankunft in Pakistan ermordet worden sind.

BAMF erkennt religiöse Verfolgung und Angriffe an

Auch das BAMF erkennt in einem Länderreport über Pakistan vom Mai 2020 an, dass die pakistanische Verfassung die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft nicht als Mus­li­m:in­nen anerkennt. Ferner, dass ihre freie Glaubensausführung durch die pakistanische Gesetzgebung „erheblich eingeschränkt“ ist.

Dabei schreibt das BAMF von wiederholten „Übergriffen auf Einzelpersonen“ sowie „Angriffe auf Gebetsstätten“ und Tötungen von drei Ahmadis im Jahr 2019, gefolgt von zahlreichen weiteren Angriffen. Auch von der staatlichen Seite werden Tötungen in Form von Hinrichtungen ausgeführt. Im selben Jahr befanden sich drei Ahmadi im Todestrakt wegen angeblicher Blasphemie.

Abgelehnt werden die Asylanträge der Schutzsuchenden hierzulande trotzdem. Das BAMF erklärt dazu, dass der „weitaus größte Teil der Ahmadis friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammenlebt.“ Ferner schreibt die Pressesprecherin des BAMF gegenüber der taz, dass es sich beim Asylverfahren um eine Einzelfallprüfung handelt, sodass die Herkunft aus einem bestimmten Land „nicht automatisch zu einem Schutzstatus“ führt. Relevant sei das „individuelle Verfolgungsschicksal“.

Hoffnung auf Neubewertung

Derweil merkt Malik an, dass sich die Ablehnungen seit 2015 häufen. „Es ist, als würden sie die Urteile copy-pasten“, so Malik. Er setzt Hoffnung auf die neue grüne Außenministerin Annalena Baerbock: „Wir fordern einen zügigen Dialog, damit man die Lage in Pakistan neu bewertet. Wir brauchen eine Reform des Migrationsrechts.“

Verständnis für die Überlastung der Behörden hat Malik. Er betont aber, dass „nicht mit zweierlei Maß“ gemessen werden darf, was die Situation von Geflüchteten angeht. „Alle Geflüchteten sollen integriert werden. Für Menschen, die schon jahrelang hier leben, soll die Integration zusätzlich beschleunigt werden.“ Dem hessischen Flüchtlingsrat zufolge leben in Deutschland etwa 40.000 Ahmadi. Malik zufolge droht 500 von ihnen eine Ausweisung.

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