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Sparen bei der BVGDünnere Luft im U-Bahnnetz

Weil funktionierende Fahrzeuge fehlen, will die BVG demnächst U-Bahn-Takte ausdünnen. Unter anderem könnte die U1 abends zu einer Stummellinie werden.

Es geht bergab mit der Berliner U-Bahn – zumindest ein bisschen Foto: IMAGO / photothek

Berlin taz | Bei der Berliner U-Bahn rumpelt und quietscht es seit Langem – jetzt hat Vorstandschef Henrik Falk angekündigt, gezielt Takte auszudünnen, um die Stabilität des Betriebs zu erhöhen und das vorhandene Material effizienter einzusetzen. Massive Kritik an dieser Maßnahme kommt von den Grünen: Ihre verkehrspolitische Fraktionssprecherin Antje Kapek bezeichnete das Vorhaben gegenüber der taz als „erheblichen Einschnitt in die Grundversorgung Berlins“, der die Verkehrswende konterkariere.

Gegen den Begriff „Ausdünnen“ sträube er sich freilich, sagte Falk in einem aktuellen Interview mit dem Tagesspiegel. Es handele sich „nicht zwingend“ um ein Weniger an Verkehrsleistung, zum Beispiel wenn ein Takt, der je nach Tageszeit zwischen 5 und 10 Minuten changiere, nun auf sieben Minuten vereinheitlicht werde. Außerdem sei es „für den Fahrgast egal, ob ein Zug alle vier oder viereinhalb Minuten kommt“. Es gehe vielmehr um einen verlässlichen Takt.

Auf welchen Linien und zu welchen Zeiten es zu Veränderungen kommen wird, sagte Falk nicht. Er begründete jedoch die geplanten Fahrplananpassungen mit dem überalterten und erneuerungsbedürftigen Fuhrpark – teilweise würden 60 Jahre alte Züge eingesetzt.

Tatsächlich sorgen derzeit etwa Probleme mit den Radsätzen auf den Linien U6 bis U9 für Verspätungen und Betriebsunterbrechungen. Zwar habe man zwischenzeitlich die größte Fahrzeugausschreibung der BVG-Geschichte auf den Weg gebracht und die Zuschläge erteilt, so Falk, aber wohl erst 2025 werde das Unternehmen „Schritt für Schritt große Stückzahlen“ vom Hersteller Stadler erhalten.

Merkt niemand? „Quatsch!“

Für Antje Kapek ist die Vorstellung, dass die Fahrgäste eine Taktverringerung nicht bemerken würden, schlicht „Quatsch“. Denn dünnere Takte bedeuteten weniger Züge und damit einen Rückgang der Beförderungskapazität. „Sprich: Zusätzlich zum vorhandenen Chaos machen sie den Flaschenhals noch enger.“ KundInnen müssten schließlich schon schon heute zum Teil mehrere Bahnen abwarten, um einsteigen zu können.

Die Grünenpolitikerin sieht zudem eine „Abwärtsspirale“ auf die BVG zukommen: „Eine Leistungskürzung bedeutet dann natürlich auch die Nicht-Erbringung der im Verkehrsvertrag vereinbarten Leistungen und damit eine Reduktion der Senatsgelder“, so Kapek zur taz. Das verschärfe wiederum die Schieflage im Angebot.

„Dass Schwarz-Rot mit dem Versprechen gestartet ist, x neue Linien zu bauen, und jetzt dafür sorgt, dass die Leute nicht mal mehr zuverlässig mit den vorhandenen transportiert werden können, ist echt krass.“ Zur Wahrheit gehöre, dass der Senat „sein Haushaltschaos jetzt auf dem Rücken der Öffis gegenfinanzieren“ wolle.

Im Interview machte Falk klar, dass die angespannte Berliner Haushaltslage bedeute, dass das Angebot im Nahverkehr vorerst nicht weiter ausgebaut werde. Es bedürfe vielmehr großer Anstrengungen, das Angebot nicht noch weiter reduzieren zu müssen. Das funktioniere aber auch, etwa beim Busverkehr: In Abstimmung mit dem Senat habe man das Angebot im vergangenen Winter reduziert – „seither ist das Bussystem viel stabiler geworden“.

Kommt die Stummel-U1?

In einem Internetforum zum Berliner ÖPNV, auf dessen Seiten für gewöhnlich gut informierte TeilnehmerInnen mit engem Bezug zu den Verkehrsunternehmen diskutieren, wurde vor wenigen Tagen schon eine konkrete Veränderung bei der U-Bahn kolportiert: Ein Nutzer berichtete, die U1 (Warschauer Straße – Uhlandstraße) werde nur noch tagsüber auf der ganzen Linie fahren, in den Tagesrandzeiten aber auf einen Stummelbetrieb im 10-Minuten-Takt zwischen Nollendorfplatz und Uhlandstraße reduziert.

Auf der Teilstrecke zur Warschauer Straße führe dann zu diesen Tageszeiten nur noch die U3 (Warschauer Straße – Krumme Lanke). Dies solle ab dem 9. September umgesetzt werden, schreibt der Nutzer.

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4 Kommentare

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  • Schwarz - Rot hat die Verkehrswende wohl begraben. Das Ergebnis: weniger Autokapzität in der Stadt, weil schon sehr viele Fahrspuren zu Radwegen und Busspuren gemacht wurden. (Was grundsätzlich ja vernünftig ist) Gleichzeitig wird der ÖPNV gerade zusammengekürzt und abgebaut. So hat man inzwischen zwar auf fast jeder Straße in der Innenstadt eine Busspur, aber bald keine Busse mehr, die sie nutzen.



    So fährt man eine Stadt wortwörtlich gegen die Wand.

    • @TeeTS:

      Leider hat die Vorgängerregierung sich in der Hauptsache auf Fahrradwege konzentriert..., auf den öffentlichen Nahverkehr hätte schon seit Jahren ein politisch-kritisches Auge geworfen werden müssen..., aber!



      Viel zu einfach, die Misere nun auf die jetzige Regierung zu schieben.

      • @Toni Zweig:

        Das Problem war, dass die SPD immer teure U-Bahnen wollte anstatt günstige Stadtbahnen und damit alles blockiert hat.

        • @Senza Parole:

          Das Problem war, dass die Grünen keine günstigen Stadtbahnen wollten. Sondern billige Straßenbahnen, die sich den Platz neben dem breiten Radweg und die Warteschlange an der fahrradfreundlichen Ampel mit den Autos teilen. Andere Städte haben alleine durch eigene Spuren an der Ampel und ÖPNV-freundliche Ampelschaltungen den Fahrzeug- und Personalbedarf bei Straßenbahn und Bus um gut 10% gesenkt, Berlin hat die Straßenbahn mit der niedrigsten Durchschnittsgeschwindigkeit in ganz Deutschland und massiven Fahrpersonalmangel...