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Bürgergeld wird 2025 nicht angehobenEine Formel mit Tücken

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Dass das Bürgergeld im kommenden Jahr nicht angehoben wird, entspricht der Anpassung an die Inflationsrate. Für die Betroffenen ist es bitter.

2025 muss gespart werden, denn das Bürgergeld wird nicht steigen Foto: Panthermedia/imago

D ass das Bürgergeld 2025 nicht steigen und der monatliche Regelsatz von 563 Euro für einen Alleinstehenden plus Wohnkosten gleichbleiben wird, ist erst mal nicht zu beanstanden. Denn dies ist der Fortschreibungsformel geschuldet, die den Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in­nen Anfang dieses Jahres eine Erhöhung um 12 Prozent für den Regelsatz bescherte. Die Formel besteht aus zwei Schritten, einer Basisfortschreibung und einer ergänzenden Fortschreibung.

Letztere beinhaltet aber ein Moment der Prognose. Sinkt die Preissteigerungsrate in der Folgezeit stark ab, so wie es zuletzt geschehen ist, kommt es bei der nächsten Fortschreibung sogar zu einer Verringerung des Regelsatzes, allerdings nur rein rechnerisch. Eine tatsächliche Minderung ist gesetzlich ausgeschlossen. So kommt es zur Nullrunde im nächsten Jahr. Jetzt die Fortschreibungsformel wieder ändern zu wollen, wie es Sozialverbände forderten, wäre nicht in Ordnung.

Die Einführung der zweischrittigen Fortschreibung galt schließlich mal als sozialpolitischer Erfolg. Unabhängig davon zu behandeln ist die Frage, ob der Regelsatz generell ausreicht zum Leben. Wenn man allein darauf angewiesen ist, tut er das nicht. In der Höhe des Regelsatzes liegt leider viel Verhetzungspotenzial, wie man zuletzt wieder erlebte. Die Zahl der Emp­fän­ge­r:in­nen stieg, vor allem wegen der ukrainischen Kriegsflüchtlinge. Die Politik redet über Einsparungen im Bundeshaushalt.

Das macht Angst und befeuert Ressentiments. Plötzlich erschienen die Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in­nen nicht mehr als unterstützungswürdige Arme wie zu Zeiten von Corona, sondern als Bevorteilte, was echt schräg ist. Mehr als die Hälfte steht ja dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung wegen Familienaufgaben, Gesundheitsproblemen und anderen Gründen, oder sie stockt einen Niedriglohn auf.

Die Nullrunde ist für die Betroffenen bitter, Formel hin oder her. Sie wird – und das ist auf traurige Weise ein positiver Nebeneffekt – das Gehetze gegen die Armen aber womöglich erst mal befrieden. Bis zum nächsten Anlass.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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8 Kommentare

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  • " ... – das Gehetze gegen die Armen aber womöglich erst mal befrieden. Bis zum nächsten Anlass."

    Ich fürchte, das wird nicht geschehen, nicht bis zur Bundestagswahl.

    Erst heute hörte ich wieder in den Meldungen die Forderung der Opposition, dass Bürgergeld zu kürzen!

    Dabei ist die pol. Auseinandersetzung um das BG ein katastrophales Geschehen geworden. Die von Dribbusch meisterlich (Dank!) erklärte Berechnungsgrundlage u. der geltende Bestandschutz z. B. spielen als Fakt in dieser Auseinandersetzung als Fakt z. B. keine Rolle. Und wenn, dann nur, um wissentlich falsche Schlüsse daraus zu verbreiten. Es reicht einem Merz, einem Linnemann mittlerweile schon, darauf hin - aber falsch - eine Kürzung des BG ins Spiel zu bringen. Egal ob möglich oder nicht. "Volkes Unmut" springt sofort an. Realitäten? Egal!



    Habe z. Z. viele Kommentare in anderen Zeitungen zum BG gelesen, um zu diesem Schluss zu kommen. Es geht nur noch um die wechselseitge Spiegelung von Wut. und für die Politik darum, DARAUF darauf mit rehetorischer Härte zu reagieren. Inhalte? Der Wutbürger will davon gar nichts hören! Seine Ahnungslosigkeit gilt ihm sogar als Argument. Er ist ja alternatives Faktum als solches!

  • Bzgl. Regelsatz schreiben Sie: "Wenn man allein darauf angewiesen ist, tut er das nicht."



    Da Frage ich mich doch, wie kann der erhaltbare Regelbetrag denn 'ergänzt" werden?



    Gut, Aufwandsentschädigungen und Zuwendungen aus Stiftungen werden nicht als Einkommen gerechnet und vermindern daher nicht den, vom Amt gezahlten Betrag. Erstattetes Flaschenpfand ist ebenfalls kein Einkommen.

    Wenn ich aber eine Rente beziehe dann wird diese lediglich bis zum Regelsatz zzgl. Wohnkosten 'aufgestockt'.

    Bei Entgelten für eine Tätigkeit mag es da eine Anteilig geringere Anrechnung eines Einkommens geben.

    Also als EU-Rentner mit einer Rente unterhalb des Regelsatzes komme ich maximal auf den Regelsatz zzgl. Wohnkosten.

    Was mich bei der Argumentation des BM Heil stört ist dass es jetzt die gesunkene Inflation ist, bei der Anhebung war es aber der der 'Warenkorb' wo ja z.B. keine Treibstoff oder Heizkosten beinhaltet sind. (Tabak und Alkohol sowieso nicht.)

    Die Bundesregierung Misst also mit zweierlei Maß. Einmal Inflation, andermal Warenkorb. Das schafft Vertrauen oder auch nicht.

    Laut EZB: "Mittelfristig streben wir eine Inflationsrate von 2%an"



    Aktuelle 1,9% sind da kein mittelfr.sym. Ausgl.

  • Tja, da das Bürgergeld ohnehin bei Vermieter(erben) und der Wirtschaft landet und nichts davon ansatzweise gespart werden kann, leidet letztendlich die Wirtschaft ebenso darunter wie Betroffene. Das Schauspiel gleicht einer öffentlichen Hängung im Mittelalter. Das Volk ist damit ein bisschen befriedigter. Die indirekten Mehrkosten, die dadurch entstehen bekommt das Volk ja nicht öffentlich mit, der Populismus allein zählt. Und selbst wenn man die indirekten Folgen mitbekommt (wie z.B. mehr verzweifelte Kriminalität, schnellere Pleiten gewisser Gastronomie und anderer Geschäfte) - niemand wird das jemals mit eigenem Tun in Verbindung bringen wollen.

    Viele scheinen nicht daran zu denken, dass sie überhaupt ihre Arbeit haben, weil es das Bürgergeld gibt.

  • Heil argumentiert also: die letzte Erhöhung war für Inflation, die vielleicht hätte kommen können? Oder für die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel - als müssten die Menschen mit wenig Geld nicht bezahlen ? Oder ist es das Eingeständnis, das Bürgergeld -Lohnabstandsgebot lässt grüßen- ist TATSÄCHLICH zu hoch, muss also "sozialverträglich abgeschmolzen werden". Ist das eine Bewerbung in einer -gar nicht mehr soooo- Großen Koalition Arbeitsminister bleiben zu dürfen?....



    Nur die inzwischen für die SPD ehemaligen Kernklientel der mit wenig Geld leben Müssenden, die wird mit solcher Rhetorik nur wieder gelackmeiert.



    Das Blöde ist: die merken das. Uns orientieren sich anderswohin. Wirklich ein HEILender Schachzug für die Leiden der SPD.

  • "Sinkt die Preissteigerungsrate in der Folgezeit stark ab [...] kommt es zur Nullrunde im nächsten Jahr."

    Moment mal: "die Preissteigerungsrate sinkt" heisst ja: die Preise steigen weiter, nur nicht so schnell.

    Die Typen, die sich sowas ausdenken, können entweder keine Elementarmathe, oder sie sind auf eine ganz perverse Art bösartig.

    Kein Wunder, dass es gegen Flüchtlinge geht. Irgendwohin muss ja die Wut der Betroffenen umgelenkt werden.

    Ich würd' ja die Abgeordnetendiäten an den Regelsatz binden. Faktor 7 bis 8 scheint mir grosszügig.

    • @tomás zerolo:

      Es wird tatsächlich so getan, als würden bei niedriger Inflationsrate die Preise sinken.



      Plötzlich besteht ein Überschuss beim BG. Die wundersame Vermehrung!

  • "Mehr als die Hälfte steht ja dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung wegen Familienaufgaben, Gesundheitsproblemen und anderen Gründen, oder sie stockt einen Niedriglohn auf."

    Gesundheit lasse ich gelten, aber ich kenne unendlich viele Personen, die "Familienaufgaben" wahrnehmen und trotzdem arbeiten. Damit können sie zwar zum Teil nur "aufstocken" - aber dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen sie eben doch. Es ist nicht hilfreich so zu tun, als würden Alleinerziehende nicht arbeiten (können, wollen)....

  • Bei den Renten im Westen gab es in den letzten 20 Jahren 5 Nullrunden. Nur so zum Vergleich.