Razzia gegen Cybermobbing-Gruppe: „Opfer zum Ausrasten bringen“

Die „NWO“ zielt auf Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Mit mehreren Razzien gingen deutsche Behörden gegen die Gruppierung vor.

Im Kampf gegen miese Menschen hilft manchmal Polizei Foto: Udo Herrmann/imago

In welcher Welt wollen wir leben? Wenn es nach der Gruppe New World Order (NWO) geht, in einer, in der perfider und gezielter Hass gegen Menschen im Netz zur Tagesordnung gehört.

Die Methoden der vor allem in Deutschland vernetzten Gruppe sind vielfältig: Tausende Pizzabestellungen an die Adressen ihrer Opfer, unnötige Polizeieinsätze und Morddrohungen zählen zu ihrem Repertoire. Die Absicht: „Die Opfer sollen zum Ausrasten gebracht werden“, beschreibt es ein NWO-Mitglied in der Dokumentation „Das Cybermobbing Kartell“. Lange Zeit konnten die Täter von NWO ohne größere Konsequenzen agieren, doch nun scheint ein Schlag gegen den Hass im Netz gelungen zu sein. Am vergangenen Dienstag führten das Bundeskriminalamt (BKA) und die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Razzien bei zehn mutmaßlichen Rädelsführern der Gruppe durch.

„Die Durchsuchungen erfolgten bezüglich aller Beschuldigter wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer Kriminellen Vereinigung“, schrieb der Oberstaatsanwalt Benjamin Krause von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) bei der Generalstaatsanwaltschaft der taz auf Anfrage. Für diese Straftat sei im Gesetz ein Strafrahmen von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen.

Sie fanden in sechs Bundesländern statt: Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen und Niedersachsen. Laut BKA wurden dabei zahlreiche elektronische Geräte und Speichermedien beschlagnahmt. Die Maßnahme zielte darauf ab, die mutmaßlichen Anführer der NWO, die sich hauptsächlich über Chatgruppen auf Plattformen wie Discord und Telegram organisieren, zu enttarnen. Die ZIT spricht von einem Ermittlungserfolg:

„Mit den heutigen Maßnahmen gehen ZIT und Bundeskriminalamt erneut entschlossen gegen jegliche Form von Bedrohung, Ausgrenzung sowie Hass und Hetze im Internet vor.“ Besonders im Fokus standen sogenannte Swatting-Angriffe, bei denen die Täter mittels gefälschter Notrufe schwer bewaffnete Polizeieinheiten zu den Wohnungen ihrer Opfer schicken. Rückt einmal ein Einsatzteam aus, gehört es zur weiteren Strategie der Cybermobber, die Einsätze zu filmen und zu veröffentlichen.

Leichenwagen vor die Tür

Christoph Kürbel, Macher der ARD-Doku „Das Cybermobbing-Kartell“, beschreibt das Netzwerk als „gefährlich und brutal, da sie keine Empathie mit ihren Opfern haben“. Die Gruppe habe Verbindungen zu Personen in Unternehmen wie Lieferando, Telekom oder Zalando. Das Vorgehen der NWO erinnert an ein Computerspiel. Ihre Mitglieder suchen gezielt Opfer aus, oft Personen, die in den sozialen Medien aktiv sind und eine gewisse Bekanntheit genießen. Die Influencerin Aline Bachmann erzählt in Kürbels Doku von Drohungen: Mehrmals sei versucht worden, ihr Pferd zu vergiften, ihre Mutter bekam einen Leichenwagen vor die Tür gestellt.

Die Angriffe der NWO sind strategisch geplant. Es wird gezielt versucht, Themen und Situationen zu nutzen, die möglichst viel Aufmerksamkeit erregen. So wurden an Hunderte Schulen Bombendrohungen im Namen der Terrorgruppe Hamas verschickt.

Ein weiteres Level in dem „Spiel“ der Mobber ist erreicht, sobald eine betroffene Person auf die Angriffe reagiert. Aline Bachmann etwa veröffentlichte Daten einer anderen Person auf ihren Social-Media-Accounts, weil ihr NWO-Mitglieder glaubhaft vorgetäuscht hatten, dass es sich dabei um den Aggressor handele. Ziel des perfiden Games ist es, die Opfer von den Plattformen zu drängen und psychisch und physisch zu schädigen. Bachmann sagt in der Doku, dass sie die Schikanen nur noch durch Einnahme von Tilidin ausgehalten habe.

Häufig seien besonders verletzliche oder kognitiv beeinträchtigte Menschen die Opfer, sagt das BKA. Christoph Kürbel relativiert diese Einschätzung. Es gehe vielen NWO-Mitgliedern darum, sich auf Personen zu konzentrieren, die ihrer Meinung nach „nicht korrekt“ handelten. So wurden die Attacken auf Aline Bachmann damit gerechtfertigt, dass sie ihre Follower zuvor angelogen habe.

Christoph Kürbel sieht in den Razzien einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen die NWO. Oft bleibe Hass im Netz noch konsequenzlos. Die Behörden verfügten nicht über ausreichende Ressourcen, die Arbeit sei häufig dezentral organisiert. Bei einer im Internet vernetzten Gruppe mache das wenig Sinn. „Eine zentrale Sammlung von Daten zu solchen Straftaten und Opfern findet nicht statt“ schrieb Oberstaatsanwalt Benjamin Krause von der ZIT der taz. Die Untersuchungen der Wohnungen der Beschuldigten seien abgeschlossen und mehrere Datenträger und Endgeräte vorläufig sichergestellt. Keine der Beschuldigten befinde sich in Untersuchungshaft, da keine Haftgründe vorlagen.

In einer früheren Version des Artikels stand, dass die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main nicht auf eine Anfrage der taz geantwortet habe. Teile der nach Redaktionsschluss eingegangenen Antwort wurden im Online-Artikel nun ergänzt und der entsprechende Satz entfernt.

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