Christopher Street Day in Leipzig: Faschisten auf dem Abstellgleis

Zum CSD in Leipzig kamen mehr als die ursprünglich angemeldeten 18.000 Teilnehmer:innen. Der Neonazi-Gegenprotest fiel dafür komplett aus.

Bunt statt braun: Der CSD in Leipzig lief ungestört durch die Stadt Foto: David Muschenich

LEIPZIG taz | Als die ersten Teil­neh­me­r:in­nen des Christopher Street Days am Leipziger Hauptbahnhof vorbeiziehen, ist von den 1.000 angemeldeten Neonazis nicht viel zu sehen. Nur verlassene Polizeigitter deuten an, wo der rechte Aufzug unter dem Motto „stolz, deutsch, national“ an diesem Samstagnachmittag hätte stehen sollen. Der Platz ist leer. Dass die CSD-Teilnehmer:innen „Nazis raus!“ skandieren, hören die Gemeinten wahrscheinlich gar nicht.

Nach ihrer Ankunft wurden 300 bis 400 in Schwarz gekleideten Neonazis von der Polizei abgefangen und im Bahnhof gekesselt. Die Polizei unterzog sie einzeln Identitätsfeststellungen und suchte nach Vermummungsgegenständen oder Waffen. Das dauerte von mehrere Stunden. Dabei mussten sich die Neonazis antifaschistische Sprüche vom Nebengleis anhören, wo das linke Bündnis Leipzig nimmt Platz einen Gegenprotest zum Gegenprotest angemeldet hatte.

Etwa 500 Meter entfernt sammelten sich währenddessen am frühen Mittag immer mehr Menschen auf dem Augustusplatz für den CSD. Die Polizei sprach am Ende von rund 19.000 Teilnehmer:innen. Viele trugen Regenbogenfahnen, oder Fahnen für Bisexualität, Asexualität oder die Inclusive Pride-Flag. Von einer Bühne berichteten queere Organisationen von ihrer Arbeit oder präsentierten diese an Info-Ständen.

Beinahe pünktlich, um kurz nach 13 Uhr, lief dann die CSD-Parade los. Laut den Ver­an­stal­te­r:in­nen nahmen mehr als 23 Gruppen oder Parteien teil. Zu basslastiger Musik von den Ladeflächen großer LKW tanzten die Teilnehmer:innen, sangen bei Lady Gaga oder Nemo mit und schwenkten ihre Fahnen. Präsenzen zeigen, darum ging es vielen Teilnehmer:innen, etwa auch Nadine aus der Kleinstadt Borna, südlich von Leipzig. Der CSD am Samstag war ihr erster überhaupt. „Es gibt doch mehr queere Menschen als man ansonsten sieht. Man ist nicht alleine, das ist schön“, sagt die 21-Jährige. Sie trägt eine orange-pinke Flagge um die Schultern, die für lesbische Personen steht.

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Was der CSD politisch fordert

Ein bisschen kritischer sieht Teil­neh­me­r:in Fay den CSD. In Leipzig laufen mehrere große Firmen mit, etwa Rewe, Pÿur oder die DHL, und auf der Website wird Werbung eingeblendet – das sei ziemlich kommerziell, sagt Fay. „Aber man hört hier immer wieder antifaschistische, politische Botschaften. Das ist eigentlich, was ich an CSDs gut finde.“

Allerdings: die Organisator:in­nen des CSD hatten vorab 29 Forderungen veröffentlicht, für die der CSD in Leipzig demonstriere. Darunter etwa, dass an intergeschlechtlichen Kindern nicht mehr unnötig operiert werden solle, dass Deutschland sich mehr für den internationalen Schutz queerer Menschen einsetzt und die sexuelle Orientierung mit in die Verfassung aufgenommen wird. Auch wer nicht hetero liebt, solle Schutz vom Staat bekommen.

Das forderte schon der erste CSD in Leipzig vor mehr als 30 Jahren. Am 28. Juni 1992 versammelten sich etwa 100 Menschen nahe der Universität vor der Moritzbastei. Wie Fotos zeigen, stand damals auf einem roten Banner: „Lesben und Schwule in die Verfassung“.

In den vergangenen Jahren gründeten sich in vielen kleineren Städten CSDs. Dass es dabei zu nennenswerten Gegenprotesten gegen die fröhlichen Paraden kommt, ist neu. Zuerst versuchten im Mai mehrere Dutzend junger Neonazis den CSD zu stören. Dann brachte der AfD-nahe Oberbürgermeister Tim Lochner die Regenbogenflagge mit der Hakenkreuzflagge in Verbindung. Und dann kam vor einer Woche Bautzen.

Zum zweiten CSD der Kreisstadt im Osten Sachsens kamen in diesem Jahr etwa 1.000 Menschen. Doch bedenkenlos laufen, ging in Bautzen nicht. Eine Veranstaltung nach dem CSD sagten die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen zur Sicherheit vorher ab.

Neonaziprotest in Bautzen

Parallel zur CSD-Demo protestierten in Bautzen rund 700 Neonazis. Viele junge Männer mit gescheitelter Friseur und in Schwarz gekleidete liefen straff organisiert durch die Stadt und skandierten etwa „Nazi-Kiez“. Szenekundige Be­ob­ach­te­r:in­nen kritisierten im Nachhinein das Polizeiaufgebot als zu gering. Hätten die Neonazis es darauf angelegt, wäre demnach an mehreren Stellen Durchbrüche bis zur queeren Demo möglich gewesen.

Die Polizei sagte hingegen, der CSD in Bautzen sei es „friedlich und störungsfrei“ verlaufen. Sie habe 16 Platzverweise ausgesprochen, 14 Strafverfahren und 7 Ordnungswidrigkeiten. Die Gründe? Unter anderem verstärkte Handschuhe, Volksverhetzung und einer Körperverletzung.

In Leipzig kündigte die Polizeidirektion vorab ein Großaufgebot an. „Dieser Tag hat sich mit den Ereignissen am vergangenen Wochenende im Hinblick auf die Gefahrenlage und seine politische Dimension stark verändert.“ Unterstützt werde die Leipziger Polizei unter anderem durch Einsatzkräfte aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Brandenburg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern.

Wie das Sicherheitskonzept aussehen sollte, das zeigte sich schon am Morgen. Schon um etwa halb Elf protestierten vor dem Leipziger Hauptbahnhof etwa 800 Menschen gegen rechts. Die Polizei sperrte einen Autofahrstreifen auf der Straße sperren, damit die antifaschistische Menge genug Platz hatte. Trotzdem war es eng.

Den antifaschistischen Protest vor dem Bahnhof hatte Jürgen Kasek mitorganisiert. Er scheint zufrieden mit dem Protest vor dem Hauptbahnhof und sagt der taz: „Die Bilder aus Bautzen haben für Empörung gesorgt. Gut, dass jetzt schon vor dem CSD so viele gegen die Nazis protestieren. Aber das ist Leipzig. Entscheidend wird auf lange Sicht, wie es in den kleineren Städten aussieht.“

Währenddessen hallte über die Gleise des Hauptbahnhofs: „Ost, Ost, Ostdeutschland!“ Die von der Polizei festgesetzten Neonazis machten lautstark auf sich aufmerksam. Dort wo früher mal Gleis 1 war, stand der rechte Aufzug: eingegittert, schwarz gekleidet und mit Reichsfahnen, skandierten sie ihre üblichen Sprüche.

Die Polizei zog nach und nach einzeln die Personen aus dem kleinen Kessel, um die Identitäten zu prüfen, nach Waffen oder Verfassungsfeindlichem zu prüfen. Erst danach hätten die Neonazis auf ihre Kundgebungsfläche gedurft. Aber es kam anders.

Mehrere Stunden waren vergangen, als die Polizei um kurz vor 13 mitteilte, der rechtsextreme Versammlungsleiter habe seine Kundgebung abgesagt. Doch weil es im Kessel zu Straftaten kam, habe die Polizei beschlossen, keine Ersatzveranstaltungen in der Stadt zu genehmigen und ausnahmslos alle Identitäten der festgesetzten Rechtsextremen zu prüfen.

Mit den Identitätsfeststellungen war die Polizei noch nicht fertig, als die CSD-Parade um 16 Uhr wieder auf dem Augustusplatz ankam. Dort feierten die bunten Teil­neh­me­r:in­nen weiter.

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