Computerspiele per Rundfunkgebühr?: Der schmale Grat
Der SWR hat ein Computerspiel vorgestellt, das sich hart an der Grenze dessen bewegt, was definierte Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist.
Wer vor dem Bildschirm mit einer Laserkanone „fliegende Öldrohnen eliminiert“ (O-Ton SWR) – kann der für das Thema Klimawandel sensibilisiert werden? Und vor allen Dingen: Ist es Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR), mit der Rundfunkgebühr Computerspiele zu entwickeln?
Diese Fragen stellen sich, nachdem der SWR auf der Gamescom, der weltgrößten Messe für Computer- und Videospiele, in den letzten Tagen sein „Virtual Reality Game zum Klimawandel“ präsentierte. Es heißt „GreenGuardiansVR“ und soll – Motto: „Rette die Welt“ – für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet sein.
In dem Spiel gehe es darum, so formuliert der SWR, „dass Hindernisse mit erneuerbaren Energie-Packs (Blaster) weggeräumt werden“. Es werde „nicht auf Personen ‚gestrahlt‘“, beteuert eine Sprecherin des Senders, nachdem der Trailer (das Spiel selbst soll erst im Herbst herauskommen) durchaus so interpretiert werden kann, dass hier auf Vertreter der Lobby der fossilen Energien gezielt wird. In sozialen Medien war bereits die Rede davon, es werde auf „Andersdenkende“ und „Klimaleugner“ gefeuert.
Für Menschen unter 25 Jahren, so erklärt der Sender, sei „die Klimakrise oft abstrakt, bedrückend oder beides“. Deswegen vermittle man mit Green Guardians „spielerisch Fakten und Informationskompetenz“. Man betreibe damit „Klimajournalismus mit weniger Schock und Zukunftsangst, dafür mit mehr Interaktion und Teamwork, Action und Humor“. Das Spiel verbinde somit „Gaming und Journalismus“, behauptet der SWR. Projektleiter Tim Philipp vom SWR-Innovationslab sieht sich damit in einer Nische „zwischen anspruchsvollen Game-Inhalten, also Interaktion, und den Inhalten, die dort erzählt werden“.
Aus anderen Bereichen umgeschichtet
Mit dem Slogan „Zocken ohne Extra-Kosten“ preist der SWR sein Spiel an, denn es werde für die Nutzer „dank Rundfunkbeitrag“ werbefrei und kostenlos angeboten.
Welche Summe aus den Rundfunkgebühren für das Spiel aufgewandt wurde, teilt der Sender auf Anfrage allerdings nicht mit – „aus Rücksicht auf Vertragspartner“. Ohnehin kosteten Spiele „in der Regel nur einen Bruchteil im Vergleich zur linearen Sendung“, erklärt eine Sprecherin und fügt hinzu, dass es dafür „kein zusätzliches Geld“ aus der „solidarisch finanzierten“ Rundfunkgebühr gebe. Das Geld werde vielmehr „aus anderen Bereichen und Projekten umgeschichtet“.
Formal ist das Angebot eine Gratwanderung. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dürfen nämlich „bisher nur eingeschränkt im Gaming-Segment agieren“, wie aus aktuellem Anlass auch das Branchenmagazin Medieninsider erklärte. Im Medienstaatsvertrag gibt es nämlich eine Negativliste, und durch diese sind „Spieleangebote ohne Bezug zu einer Sendung“ explizit unzulässig. Pflichtschuldig erklärt der SWR daher, das Spiel gehöre zur Einzelsendung „KlimaZeit – Klimawirksame Lügen“, die am 9. August auf Tagesschau24 gelaufen sei. Mithin sei es also ein „sendungsbegleitendes Spiel“ und entspreche damit den formalen Anforderungen an die Verwendung der Rundfunkgebühren.
Allerdings ist im Medienstaatsvertrag auch das Ziel verankert, dass die Sender „den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie den gesamtgesellschaftlichen Diskurs in Bund und Ländern fördern“ sollen. Aber trägt ein Spiel dazu bei, das Jugendliche (laut SWR richtet es sich „an die Generation Z“) am Bildschirm motiviert, bemannte Flugkörper abzuschießen? Hierzu teilt der SWR mit: „Das Game ist ein Multiplayer-Game, also ein kollaboratives Spiel, das Menschen zusammenbringt.“ Und das Zusammenspiel, so der SWR, „bringt alle weiter“.
Solche Spiele, geschaffen von den gebührenfinanzierten Sendern, könnten in Zukunft häufiger werden. Denn wie Medieninsider weiter berichtet, wolle „die Politik das Zocken im öffentlich-rechtlichen Auftrag nun fördern“ – was zugleich aber auch die Debatte über die ureigenen Aufgaben des ÖRR noch befeuern dürfte.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen