Angeschlagener Schiffbauer: Meyer Werft wird Staatskonzern

Die größte deutsche Werft kann auf Rettung hoffen. Bundeskanzler Scholz sichert den Beschäftigten in Papenburg Hilfen zu.

Hoffen auf staatliche Hilfe: Kundgebung von Beschäftigten der Meyer Werft im Juni Foto: diebildwerft/imago

BERLIN taz | Beschäftigte und Eigentümer der angeschlagenen Meyer Werft in Papenburg können auf Rettung hoffen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Donnerstag bei einer Betriebsversammlung staatliche Hilfen zu. Alle Beteiligten würden der Meyer Werft „eine stabile Brücke in die Zukunft“ bauen, sagte Scholz. Noch sind die Verhandlungen über die Rettung aber nicht abgeschlossen.

Seit Wochen warten Belegschaft und Eignerfamilie der größten deutschen Werft auf ein Signal aus der Politik auf Rettung. Er könne sich vorstellen, wie die Unsicherheit die Beschäftigten belaste, sagte Scholz bei der Betriebsversammlung. „Wir lassen Euch mit Euren Sorgen nicht allein.“

Am Standort Papenburg arbeiten rund 3.300 Beschäftigte. Im Emsland hängen insgesamt etwa 18.000 Arbeitsplätze an der Werft. Die Meyer Werft sei systemrelevant für die maritime Wirtschaft in Deutschland, sagte Scholz. Systemrelevanz ist Voraussetzung dafür, dass die EU Staatshilfen genehmigen kann. Die Meyer Werft sei „ein industrielles Kronjuwel“, sagte er.

Eigentlich geht es dem Unternehmen nicht schlecht, zu tun hat es genug. In den Auftragsbüchern stehen nach eigenen Angaben zehn Kreuzfahrtschiffe, ein Forschungsschiff sowie der Stahlbau von vier Offshore-Konverterplattformen. Diese Plattformen sorgen dafür, dass von Windanlagen im Meer erzeugter Strom transportiert werden kann. Die Verfügbarkeit dieser Technik ist wichtig für die Ausbaupläne der Bundesregierung für die Windenergie im Meer. Wegen des wachsenden Bedarfs gilt dieses Geschäftsfeld als sehr vielversprechend.

Viele Aufträge in den Büchern

Dominierend ist allerdings der Bau von Kreuzfahrtschiffen. Der Betrieb dieser Schiffe mit Tausenden von Tou­ris­t:in­nen an Bord ist allerdings ausgesprochen klimaschädlich und deshalb umstritten. Erst am 12. August haben die Werft und der US-Unterhaltungskonzern Disney den Auftrag für vier neue Schiffe unterzeichnet. Sie sollen zwischen 2027 und 2031 ausgeliefert werden. Das Problem: Kunden zahlen in der Regel nur 20 Prozent bei der Bestellung an, der Rest der Summe kommt erst bei der Übergabe der Schiffe. Der Preis für ein Kreuzfahrtschiff kann bei mehr als 1,5 Milliarden Euro liegen.

Für die Vorfinanzierung braucht die Meyer Werft viel Geld. Vor der Coronakrise konnte der Bau auch aus Einnahmen der fertigen Schiffe finanziert werden. Doch in der Pandemie geriet die Kreuzfahrtbranche in die Krise, weniger Schiffe wurden bestellt. Managementfehler sollen die Lage verschärft haben. So soll die Werft Schiffe mit Verlust gebaut haben. Jetzt kann die Werft das nötige Kapital für die Vorfinanzierung nicht aufbringen. Die Lücke liegt bei 2,7 Milliarden Euro. Banken sollen aber nur bereit sein, entsprechende Kredite zu geben, wenn das Eigenkapital aufgestockt werde.

Hier soll der Staat einspringen. Die Einzelheiten stehen noch nicht fest. Dem Vernehmen nach wollen der Bund und das Land Niedersachsen mit dreistelligen Millionenbeträgen helfen sowie Bürgschaften für Kredite übernehmen. Insgesamt könnten sie einen Anteil von bis zu 90 Prozent übernehmen – damit würde die Werft zum Staatsunternehmen.

Im Gegenzug für die Hilfe sollen die Un­ter­neh­mens­eig­ner:in­nen den Erhalt von Arbeitsplätzen zugesichert haben. Sie sollen ein Vorkaufsrecht bekommen, wenn der Staat in einigen Jahren seine Anteile verkaufen will. Außerdem soll die Familie mit einem Sitz im Aufsichtsrat vertreten sein.

IG Metall begrüßt Hilfe

Bis Mitte September sollen alle offenen Fragen geklärt sein. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte bei der Betriebsversammlung allerdings vor vorschnellem Jubel. „Der Ball ist noch nicht im Tor“, sagte er.

Die Haushaltsausschüsse von Bundestag und dem niedersächsischen Landtag müssen noch zustimmen. Die FDP will die Hilfen mittragen, mahnt allerdings eine Ausstiegsstrategie des Staates an. Der Bund könne nicht langfristig an einer Werft beteiligt sein, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben. Denkbar sei ein Vorgehen wie bei der Unterstützung der Lufthansa während der Corona­pandemie. Der Staat rettete die Fluggesellschaft, mischte sich aber nicht ins Geschäft ein und verkaufte die Anteile später mit Gewinn. Nach Houbens Vorstellungen könnte der Ausstieg des Staats bei der Meyer Werft bis spätestens 2027 festgelegt werden.

Die IG Metall Küste begrüßt das Engagement des Staates. „Durch den geplanten Einstieg von Bund und Land werden nicht nur die Standorte Papenburg und Rostock gerettet, sondern wichtige Teile des Schiffbaus in ganz Deutschland“, sagte Bezirksleiter Daniel Friedrich.

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