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WHO ruft Notstand wegen Mpox ausWo ist die globale Solidarität?

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Aus der Corona-Pandemie wurden nicht ausreichend Konsequenzen gezogen. Das könnte uns mit dem Ausbruch von Mpox nun einholen.

Mikroskopaufnahme von mpox-Partikeln (rot) in einer infizierten Zelle Foto: National Institute of Allergy and Infectious Diseases/dpa

W ann die WHO das nächste Mal Alarm schlagen würde, war lediglich eine Frage der Zeit. Nun ist es Mpox, besser bekannt unter dem Begriff Affenpocken, das der Weltgesundheitsorganisation Sorgen bereitet und sie dazu nötigt, eine gesundheitliche Notlage mit internationaler Tragweite auszurufen. Die hauptbetroffenen Staaten sind Länder des Globalen Südens, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent.

Es ist die nächste Stufe, die die WHO zünden musste, um endlich mehr Bewusstsein für Epidemien zu schaffen, die letztlich die ganze Welt betreffen können. Alarmismus ist offenbar der einzige Weg, der hilft, dass weltweit Gegenmaßnahmen koordiniert werden. Umso bitterer ist nun die Erkenntnis über das gescheitertePandemieabkommen, das die WHO nach jahrelanger Vorbereitung Ende Mai auf den Weg bringen wollte.

Aus der Coronapandemie, die weltweit nicht nur für Tote und Langzeitgeschädigte sorgte, sondern auch einen Ausfall der Wirtschaftsleistung nach sich zog sowie die Kluft zwischen Arm und Reich weltweit vergrößerte, wollte man Lehren ziehen. Ein internationales Abkommen – wohlgemerkt auf Basis von freiwilligen Selbstverpflichtungen – sollte dafür sorgen, beim nächsten Ernstfall gewappnet zu sein.

Letztlich scheiterte das Abkommen am Unwillen der Industrieländer, sich beim Thema Patente für Medikamente und Impfstoffe zu bewegen, und auch daran, dass Staaten des Globalen Südens keine konkreten Verpflichtungen ein­gehen wollten, Tierseuchen zu überwachen und entsprechend zu melden.

Die harten Debatten innerhalb der WHO wurden flankiert von den Verschwörungsmythen der Impfgegner:innen, die die Organisation auf dem Weg zur repressiven Weltmacht sehen. Eine Kraft, die in der Diskussion, in der es tatsächlich vor allem um finanzielle Unterstützung ging, nicht zu unterschätzen war.

Die warmen Bekundungen für mehr internationale Solidarität nach der Coronapandemie sind verpufft

Mit Mpox holt die Weltgemeinschaft die Wirklichkeit ein. Entwicklungsorganisationen appellieren erneut an die Industriestaaten, umgehend Impfstoffe zu liefern und Ländern des Globalen Südens den Zugang zu Diagnostik zu ermöglichen. Wis­sen­schaft­le­r:in­nen weisen wieder mal auf ihre Erkenntnisse über Zoonosen hin, also Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen wurden und sich dann weiterverbreiten.

Das alles müsste uns bekannt vorkommen. Die warmen Bekundungen, nach der Coronapandemie auf mehr internationale Solidarität zu setzen, sind verpufft. Es wird Zeit für einen neuen Anlauf für ein gemeinsames Abkommen. Denn der nächste Alarm kommt bestimmt.

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Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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5 Kommentare

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  • Vor Jahren hat die WHO Pocken als ausgerottet erachtet und kein Impfprogram mehr unterstützt.



    So viel zum Thema Vieren und Bakterien würden aussterben.



    Eine einfache Pockenimpfung eines jeden Kleinkindes hilft.



    Als ich Kind war war es hierzulande Pflicht. Ob es noch heute so ist weiß ich nicht, befürchte jedoch nicht.



    Habe mal nachgelesen. Selbst meine alte Impfung schützt wahrscheinlich zu 85% und ein schwerer Verlauf ist nicht anzunehmen.



    Eigentlich gab es schon mal eine Lösung. Warum muss man jetzt eine neue suchen?

  • Ist schon richtig.



    Aber mit Corona nicht zu vergleichen, da die Übertragungswege sich fundamental unterscheiden - damals hat es gereicht, auf der Arbeit in einem Raum mit einem Infizierten zu sein.



    Diesmal ist es anders, es hat auch mit privatem Verhalten zu tun.



    Hier hülfe Aufklärung.

  • Beim Blick in die Menschheitsgeschichte wird einem übel. Vorsorge ist die absolute Ausnahme, hysterische Reaktionen auf Katastrophen - oder auch nur auf Ereignisse die als solche wahrgenommen werden - sind eher die Regel.

    Die längst nicht nur von der rechten Seite aka Querdenker kritisierte Verhaltnismässigkeit der Maßnahmen während der Hochphasen der Coronapandemie wurde nie aufgearbeitet. Die CO²-Ausstöße sind längst über dem Vorniveau. Der Ukrainekrieg war eine willkommene Ablenkung, dann kam die Hamas.



    Krisen sind all das nur, weil das gemachte Nest vorgeblich so wohlig warm ist, daß man sich kaum bewegen möchte.

  • Um einen ein wenig weniger alarmierenden, aufklärenden Artikel zu zitieren

    taz.de/WHO-schlaeg...m/!6030382&s=mpox/



    "Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat deshalb die höchste Alarmstufe ausgerufen. Sie erklärte eine „Gesundheitliche Notlage internationaler Reichweite“ (PHEIC).



    Konkrete Folgen hat dies nicht. Die WHO will damit zum einen Behörden in aller Welt zu erhöhter Wachsamkeit bringen. Sie hofft zudem auf mehr finanzielle Unterstützung von Eindämmungsmaßnahmen in Afrika. Die Abkürzung PHEIC steht für „public health emergency of international concern“. Besondere Sorge bereitet der WHO eine neue Variante, die Ende 2023 in der Demokratischen Republik Kongo entdeckt worden ist. Es handelt sich um eine Sublinie der Mpox-Klade I (römisch eins). Sie wird als Ib bezeichnet."

    Weiter, gibt es unterschiedliche "Stämme" ("Kladden"), einer davon war 2022 bereits in Berlin verbreitet



    taz.de/MPX-Virus-in-Berlin/!5879756/

    MPOX und MPX bezeichnet denselben Virusgrundtyp



    "Mpox ist eine seltene Viruserkrankung, die durch das Virus Orthopoxvirus simiae (auch Monkeypox virus, MPXV) ausgelöst wird"



    www.bundesgesundhe.../themen/mpox-virus

  • Wenn man so ein Abkommen fordert, dann sollte man auch sagen, wer die Kosten tragen soll. Das ist doch die Basis einer Verhandlungsgrundlage.