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Ich kann das Idealbild von Olympioniken als echten Amateuren, also Freizeitsportlern, die niemanden benötigen, der ihnen ihre Leidenschaft ermöglicht oder gar entlohnt, ja noch nachvollziehen. Solche Leute könnten sich auch fröhlich aussuchen, ob sie "für" ihre Stadt, ihre Familie, ihr Lieblingshaustier oder sonstwas starten wollen. Aber dieses Bild entspricht schlicht nicht mehr der Realität: Das sind Profis, und damit die Profis sein können, bedarf es solider, gut finanzierter Organisationsstrukturen. Von daher:
"Werden hier Bruttoinlandsprodukte verglichen? Nein,..."
Doch - eigentlich schon. Nur handelt es sich eben um die Ausbeute der jeweiligen Länder in einer anderen Leistungskatgorie als "Wirtschaft". Dass diese Ausbeute nationenweise gemessen wird, dass die aufwendige Sportförderung von der Schule bis zum Hochleistungsniveau nunmal weitgehend ("national"-) staatliche Ressourcen benötigt und daher auch ("national-") staatliche Angelegenheit ist.
Dass die Sportorganisationen, die das IOC tragen und aus deren Vertretern es sich zusammensetzt, jeweils auf nationaler Ebene agieren, hat ursprünglich historische Gründe, bleibt aber vor dem obigen Hintergrund völlig plausibel.
@Normalo Das waren noch Zeiten, als der Amateurstatus noch hochgehalten wurde: "Schranz wurde knapp vor Beginn der Olympischen Winterspiele 1972 in Sapporo von IOC-Präsident Avery Brundage ausgeschlossen – nach einem Verstoß gegen das damalige Amateurgesetz. Ein dem IOC zugespieltes Foto, das Schranz in einem Jersey mit Kaffeewerbung zeigte, war offiziell für Brundage Indiz, dass Schranz „kein Amateur“ sei; Schranz hatte dieses „corpus delicti“ irgendwann einmal (wahrscheinlich im Sommer 1971) anlässlich eines Benefiz-Fußballspiels getragen." (Wikipedia)
Das Einzige, was verwundert, ist, dass Katar, Brunei etc nicht mehr SpitzenathletInnen einbürgern, aka kaufen. Wäre doch günstiger als alterende Fussballstars in eine Operettenliga zu holen.
Oder ist der Platz im Medaillenspiegel für die Aussendarstellung dann doch nicht so wichtig?
Man könnte Sportler und Sportlerinnen ja als Individuen behandeln, die, wenn sie als Staffeln oder Teams antreten, sich über sportinterne Netzwerke finden, nicht über Staatsangehörigkeit.
Stimmt. Das wäre echt gut. Ich habe auch schon einige Team-Namen, die es dann geben wird: Team Adidas, Team Nike, Team Puma, Team Bayer, Team Tesla, Team VW...
@Strolch Genau das, was Sie geschrieben haben, habe ich mir während des Lesens dieses Textes auch gedacht. In
der Formel 1 gibt es das schon immer: Team Ferrari, Mercedes usw. Bei alpinen Skiwettbewerben erwarte ich das schon seit mindestens 30 Jahren: Team Rossignol, Team Kneissl, Team Fischer usw. Ein Tausch der Nationalitäten gegen Firmennamen. Das konnte dort bisher verhindert werden.
Ansonsten ist mir noch die Frage eines sehr lieben Kollegen eingefallen, welcher, der deutschen Sprache damals noch nicht sonderlich mächtig, den Wortschwall eines Anrufers unterbrach mit: "Was wollen eigentlich?".
Mit dem Rohstoff Lithium muss sparsamer umgegangen werden als bisher. Die Gigantomanie bei E-SUVs mit 700 Kilogramm Batteriemasse ist inakzeptabel.
Olympischer Nationalismus: Nationen verdienen kein Gold
Der Medaillenspiegel bei Olympia ist nach Ländern sortiert. Doch es sind die Sportler*innen, die siegen. Höchste Zeit, den Sport zu demokratisieren.
Ganz vorne in der Nationenwertung: Die Basketballerin Diana Taurasi feiert den Gewinn der Goldmedaille für die USA in Paris Foto: Brian Snyder/reuters
Worum geht es hier? Die USA vorne, dicht gefolgt von China und mit Abstand dahinter Japan. Werden hier Bruttoinlandsprodukte verglichen? Nein, es ist der Medaillenspiegel der Olympischen Spiele, der Gold-, Silber- und Bronzemedaillen pro Nation bilanziert.
Dass die USA und China vorne liegen, deutet an, dass es sehr wohl ein wenig Auskunft über politische und wirtschaftliche Stärke gibt, was hier mit den Mitteln des Sports gezeigt wird. Zugleich hat es viel mit der jeweiligen Sportförderung zu tun, die etwa in Frankreich staatlich orchestriert sehr auf die Spiele in Paris fokussiert war, wie man es in Westdeutschland von den Münchner Spielen 1972 kennt.
Schon dass der Sport durch Verbände wie das IOC sportliche Stärke nationalistisch sortieren lässt, informiert uns darüber, wie die Welt derzeit beschaffen ist.
Zudem spiegeln die Ergebnisse auch die Globalisierung wider: Mehr Sieger und Siegerinnen aus kleinen Ländern bedeutet weniger Medaillen für Großmächte. Weltstars kamen eben in früheren Jahrzehnten nicht aus Saint Lucia, Algerien oder Israel. Und dass es eine Bronzemedaillengewinnerin aus dem Team Refugees gibt, eine Frau, die wegen ihrer Homosexualität aus Kamerun flüchten musste, sagt einiges über den Zustand der Welt 2024.
Schon dass der Sport durch Verbände wie das IOC sportliche Stärke nationalistisch sortieren lässt, informiert uns darüber, wie die Welt derzeit beschaffen ist. Dabei ginge es auch anders: Man könnte Sportler und Sportlerinnen ja als Individuen behandeln, die, wenn sie als Staffeln oder Teams antreten, sich über sportinterne Netzwerke finden, nicht über Staatsangehörigkeit.
Nationalwertung erstmals bei Olympia 1936 in Berlin.
Oder bei den Gay Games der queeren Community treten Sportler und Sportlerinnen für ihre Städte an, nicht für Staaten. So etwas nähme bei Olympia schon sehr viel Druck aus dem nationalistischen Kessel – wenn es denn gewünscht wäre.
Aufgekommen ist die Nationenwertung erstmals bei Olympia 1936 in Berlin. Nicht etwa auf Geheiß der NS-Oberen, auch wenn denen der Gedanke gefallen hatte. Aber Goebbels’ Propagandaministerium untersagte „die Aufstellung von Punktlisten für die Olympischen Wettkämpfe“, weil einige Zeitungen es arg plump machten. Deutschland hatte übrigens 1936 die Nationenwertung gewonnen.
Worum also geht es hier? Olympische Spiele sind ja tatsächlich die Bühne für nationale und nationalistische Selbstdarstellung. Das ist kein Missbrauch irgendeiner aus dem Hut gezauberten olympischen Idee, sondern es passt wunderbar zu den Bedingungen, die das IOC stark gemacht haben. Zugleich aber ist die Kritik an diesen schrecklichen Statistiken ein schöner Fingerzeig, dass der Sport dringendst demokratisiert werden muss.
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kommentar von
Martin Krauss
Autor*in
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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