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Rechter Hass beim CSD in BautzenIt’s the security, stupid

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Demoverbote bringen gegen rechten Hass wenig. Politische Auseinandersetzung schon – und letztlich natürlich vor allem: stabile Sicherheitsbehörden.

Solange der Rechtsstaat funktioniert, können auch Demos gegen einen CSD hingenommen werden Foto: Sebastian Willnow/dpa

D ass der CSD in der sächsischen Stadt Bautzen am Samstag überhaupt stattfinden konnte, ist ein Erfolg an sich. Rechtsradikale Kreise, von AfD-Sympathisierenden bis zu offen nazinahen Menschen, hatten zu einer Art Gegendemo mobilisiert, fast ebenso viele kamen zu diesem Hassevent wie zur queeren Parade selbst.

Dass der LGBTI*-Umzug nicht durch Attacken rechter Hater zerstört wurde, hatte zwei Gründe: Zum einen trennte die sächsische Polizei, verstärkt durch Kolleginnen* der Bundespolizei, bei einiger nötiger Kritik im Einzelnen zwar, beide Gruppen, schütze also faktisch die Queers. Zum anderen war da das Grußwort des Oberbürgermeisters Klaus Vogt (CDU), das zu Toleranzbewusstsein aufrief – eine Geste auch an seine Partei sowie an seine Wählerinnen*, gewisse Standards zivilisierten Umgangs trotz aggressiven Machtübernahmebewusstseins rechter (und also AfD-naher) Kreise einzuhalten.

Forderungen von liberaler und linker Seite, dass die CSD-Gegendemo nicht hätte stattfinden dürfen, diese sei doch schließlich undemokratisch, gehen an der Realität vorbei: Es gibt Haltungen, die den CSD ablehnen – und auch diese haben das Recht auf Artikulation, also auch auf einen Anti-CSD. So widersprüchlich das klingen mag: Auf das Politische in der Debatte kommt es an, Gegendemo-Verbote machen nur die rechten Undergrounds noch stärker. Und es kommt auf die Sicherheitsbehörden an: Deren Angehörige sind auf das Grundgesetz vereidigt, also haben sie ihren Job zu tun. Dass die Polizei einen CSD nötigenfalls mit ihren auch heftigen Mitteln bewacht, ist also wichtig, besonders in Sachsen, wo im Polizeiapparat Rechtspopulismen keine Rarität beim Personal sind.

Sie können eh nur giften und kläffen

In Warschau hat es vor 20 Jahren ungenehmigte CSDs gegeben, angefochten von polnischen Nazis. Letztlich haben diese nicht gewonnen, im Gegenteil. Sachsens Gesellschaft und ihre Leitpartei, die CDU, wird lernen (müssen, vielleicht wollen), dass Queeres zu einer guten Gesellschaft zu gehören hat – auch öffentlich sichtbar, wie in Bautzen. Nicht alle CDU-Politiker, besonders im Osten der Republik, verkörpern in kommunalen Ämtern, ob als Bürgermeister oder etwa in Kulturausschüssen, diese Haltung: konservativ sein, aber leidenschaftlich für eine bunte Gesellschaft eintretend – um das wichtigste Merkmal gegen Rechtspopulisten und -radikale zu nennen.

Die Nazis werden nicht gewinnen, das muss auch das Ideal der sächsisch-demokratischen Sicherheitsapparate sein. Wie in Bautzen, denn die antiqueeren Hassversammlungen, sie können nur: giften und kläffen.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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7 Kommentare

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  • "Sie können nur: giften und kläffen."

    Schön wär's. Leider ist (nicht nur) in den letzten Jahren deutlich geworden, dass homophobes Pack zu ganz andern Dingen fähig ist.

    • @cazzimma:

      zum Beispiel in U-Bahnhöfen der U8 in Berlin. Lesen Sie mal bei Mannometer nach.

      • @Martin August:

        Ich erlebe U-Bahn, in dem Fall U7 Richtung Rudow jeden Arbeitstag und weiß, wovon Sie sprechen.

  • Wenn ich die sich immer mehr aufstachelnden Schlägerhorden junger rechter MÄNNER am Rande einer friedlichen Parade sehe, kommt mir das Grausen! Und doch liegt das Problem nicht im Erstarken einer AfD, an deren Rändern sich solche Typen gegen alles scheinbar Fremde aufgeilen. Es ist die Tatsache, dass so viele Menschen nicht mehr mit der insbesondere von den Politikern der Altparteien so hochgelobten 'Demokratie' identifizieren können, weil sie eben nur zuschauen dürfen und daher nach Alternativen suchen. Es sind Parteipolitiker westlichen Modells, die diese Form der Anteilnahme zu ihrem Fetisch erklären, aber immer mehr Mitmenschen sich mit dem Treiben der Gewählten nicht mehr identifizieren, insbesondere, wenn einmal Aktive gegen die Klimakatastrophe so mir nichts dir nichts ihre inzwischen als 'Wahlsprüche' aufgefassten Forderungen aufgeben und sich auch noch mit den Altvorderen verbrüdern. 'Kritische' Beobachter sollten aufhören, diesen Entsolidarisierungsprozess -ausgelöst durch eine eingebildete Politikergeneration- zu verdrängen und das Bashing gegenüber WählerInnen einstellen, die hier nichts mehr zu gewinnen haben und deshalb auch rechten Schlägertrupps noch zujubeln.

  • Es müssten sich halt einfach mal die Normalos verantwortlich fühlen und mit auf die Straße gehen. Die größte Gefahr geht von den Gleichgültigen aus. Viele haben ja schon Angst mit weniger als 100 m Entfernung zu einer Antifa Fahne gesehen zu werden. Danke Medien.

  • Wo hat die LSU demonstriert?

    • @Wee:

      Was bedeutet die Abkürzung LSU?



      (das ist eine ernstgemeinte Frage)