Debatte um Schulessen in Berlin: Nur auf die Kosten geschaut
Mit kostenlosem Schulessen für alle könnte Berlin ein Vorbild sein. Weil aber auch in der Hauptstadt gespart werden muss, will es die CDU streichen.
T rends werden bekanntlich in Amerika gesetzt. Aktuell besonders gefeiert wird da drüben Tim Walz, der als Vizepräsidentschaftskandidat das Land, die Demokraten und auch gleich noch die Demokratie retten soll. Und wohl auch kann. Weil er ein grundsympathischer Typ ist, der Politik für die Menschen macht, zum Beispiel für die Schüler:innen in Minnesota. Dort hat er als Gouverneur des US-Bundesstaates 2023 unter dem Jubel der Jugend kostenloses Schulessen verfügt. Für alle. Auch für die rich kids.
Berlin sieht sich auch gern als Stadt der Trendsetter. Tatsächlich darf sich die Hauptstadt beim Thema Schulessen auf die Schulter klopfen. Sie hat als bis heute einziges Bundesland 2019 kostenloses Essen für alle Schüler:innen eingeführt, früher also noch als der nun hoch gelobte Gouverneur aus Minnesota.
Doch was macht die Berliner CDU, der man per Gründungsprägung einen Hang zum american lifestyle nachsagen kann? Nun, sie möchte den Hauptstadtkindern in die Suppe spucken und das kostenlose Essen vom Menüplan streichen, weil ihr die Sparideen für den Landeshaushalt ausgegangen sind.
Die Hauptstadt-Union befindet sich schon seit Monaten im Kampf gegen die „Umsonststadt“, in der angeblich staatliche Gelder für Bürger ohne Not verprasst werden – also für die Reichen. Inzwischen ist auch die noch neue Landesspitze der SPD auf dem Robin-Hood-Trip: Die Reichen sollen blechen! Klingt ja auch nur gerecht, oder?
Gemeinsames Schulessen, das zeigen nicht nur Berichte aus den USA, fördern die Gesundheit von Kindern, ihre Lernfähigkeit und die Integration. Langfristig senkt das gesellschaftliche Kosten enorm. Wer also hier kürzt, verschuldet sich bei den späteren Generationen.
Auch Reiche brauchen niedrigschwellige Angebote
Der wichtigste Punkt in der Debatte wird oft übersehen. Wenn nur Kinder wenig Begüteter kostenlos bekocht werden, bekommt es den Beigeschmack einer Armenspeisung. Schon in den Mensen werden die Kids in ökonomische Klassen sortiert. Egalität, ein Grundpfeiler der Gesellschaft, kann nur erlernt werden, wenn alle mitmachen können. Auch und gerade die Reichen brauchen dafür ein niedrigschwelliges Angebot. Sonst sind sie weg, irgendwo anders, wo sie mit ihrem teuren Geld noch mehr rausschlagen können für die lieben Kleinen. In Privatschulen mit probiotischer Polenta.
Wenn Vermögende im Bildungsbereich mehr zahlen müssen, führt das aber nicht nur zur sozialen Spaltung. Es ist auch irrsinnig. Weil Reiche eh schon mehr Steuern zahlen. Deshalb käme in anderen Bereichen nie jemand auf die Idee, die Nutzung öffentlicher Angebote an das Einkommen zu koppeln. Oder hat schon mal jemand die Forderung vernommen, dass Gutverdiener:innen mehr latzen sollten für Parkplätze oder U-Bahn-Tickets?
Aber ist es gerecht, wenn in Berlin alle Kinder kostenlos kauen, im Rest der Republik aber nicht? Nein, aber das ist ja kein Grund, eine vorbildliche Initiative an der Spree in den Orkus zu kippen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Das sieht im Übrigen der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ genauso. Das vom Bundestag mit ausgelosten Bürger:innen besetzte Gremium nannte in seinem im Frühjahr vorgestellten Gutachten als allerwichtigste Maßnahme: die bundesweite Einführung von kostenfreiem Mittagessen für alle Kinder als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit. Dies sei eine Investition in die Zukunft.
Die Maßnahme solle sich nicht nur an einkommensschwache Haushalte richten, um die Kinder vor Stigmatisierung zu schützen und um die gemeinschaftliche Komponente zu fördern, argumentierte der Bürgerrat. Durch das gemeinsame Essen könne auch die soziale Entwicklung von Kindern gefördert werden. Und das ist schlichtweg unbezahlbar.
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Bloß nicht zum Vorbild nehmen