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Meduza-Auswahl 11. – 17. JuliDie vielen Toten von Burjatien

Viele Soldaten aus Burjatien haben den Ukrainekrieg nicht überlebt. Vor allem eine ethnische Minderheit ist betroffen. Texte aus dem Exil.

Soldaten tragen einen Sarg für einen jungen Offizier aus Bujatien, der in der Ukraine getötet wurde Foto: Alexander Garmayev/TASS/picture alliance

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Woche vom 11. bis zum 17. Juli 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Adoption soll in Russland für Ausländer schwieriger werden

Die russische Staatsduma hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Adoption russischer Kinder durch Bürger aus Ländern, in denen Geschlechtsangleichungen legal sind, verbietet. In erster Linie zielen diese Beschränkungen wohl auf Nato-Länder ab, obwohl auch in Ländern wie Bolivien eine Geschlechtsangleichung erlaubt ist.

Meduza veröffentlicht einen Erklärtext mit verschiedenen Fragen und Antworten rund um diese Gesetzesänderung (englischer Text). Das Exilmedium geht der Frage nach, wie viele Kinder aus Russland überhaupt von ausländische Bür­ge­r*in­nen im letzten Jahr adoptiert wurden. Im Jahr 2023 waren es laut einer Quelle wohl sechs. Hintergrund des neuen Gesetzes ist die Anti-LGBTQ-Stimmung in der russischen Politik: Vor einem Jahr hatte die russische Staatsduma die Verabschiedung eines Gesetzes vorbereitet, die unter anderem das Umtragen des Geschlechts in offiziellen Dokumenten vollständig verbieten sollte.

Wenn der Krieg fast jede Familie trifft

„Am Anfang gingen wir zu jeder Beerdigung. Jetzt weiß ich nicht einmal mehr, wer als Letzter gestorben ist“, erzählt eine Bewohnerin in der russischen Region Burjatien, an der Grenze zur Mongolei. An die vielen Toten aus ihrer Region, die mit den zwei Jahren Krieg in der Ukraine einhergehen, scheint man sich dort bereits gewöhnt zu haben.

Zu diesem Ergebnis kommt unter anderem eine Studie über die Einstellung der Rus­s*in­nen zum Ukrainekrieg des Public Sociology Laboratory (PS Lab) der US-amerikanischen George-Washington-Universität in Washington, D.C. Durchgeführt wurde sie im Herbst 2023 mit Blick auf drei russische Regionen – Swerdlowsk, Burjatien und Krasnodar. Meduza hat nun einen Auszug der Studie veröffentlicht (russischer Text) – mit Fokus auf Burjatien, das einen hohen Preis für den Krieg zahlt.

Im März 2022 machte die Zahl der toten Burjaten 3,5 Prozent der gesamten russischen Verluste aus, während ihr Anteil an der Bevölkerung des Landes nur 0,3 Prozent betrug. Auch unter den ethnischen Russen in Burjatien sind die Opferzahlen unverhältnismäßig hoch. Während der Teilmobilisierung wurden die Bewohner der Region zweieinhalb- bis dreimal so häufig eingezogen und starben siebenmal so häufig wie die Bewohner der anderen Regionen.

Sanktionen gegen Devisenhandel – und nun?

Am 12. Juni wurde die größte russische Börse (MOEX) aufgrund von Sanktionen des US-Finanzministeriums gezwungen, den Handel mit US-Dollar und Euro einzustellen. Nach Kursschwankungen hat nun hat die russische Währung gegenüber dem Dollar wieder leicht zugelegt. In diesem Artikel erklärt Meduza die Dynamik des Wechselkurses, die Auswirkungen der neuen Sanktionen auf russische Unternehmen und Bür­ge­r*in­nen und ob die chinesische Währung Yuan nun den russischen Devisenmarkt dominiert (englischer Text).

Die Verfügbarkeit von Bargeld in Dollar und Euro in Russland scheinen die Sanktionen kaum zu beeinträchtigen. In Banken und Wechselstuben können sie nach wie vor erworben werden. Auf russische Unternehmen haben die Sanktionen mehr Einfluss: Seit Ende 2023 berichten sie über zunehmende Schwierigkeiten bei Zahlungen durch Banken in China, Indien und der Türkei, die angesichts indirekter Auswirkungen der Sanktionen vorsichtiger geworden sind. Dies hat dazu geführt, dass russische Importeure weniger im Ausland einkaufen, die Importe sinken.

Aufgrund der anhaltenden Zahlungs- und Logistikprobleme werden Importe in Fremdwährung nun wohl teurer werden. Das würde wiederum die ohnehin hohe Inflation in Russland weiter in die Höhe treiben.

Luftabwehrsystem nahe Putins Residenz gefunden

Laut Google-Satellitenbildern vom 6. Mai 2024 wurde auf der Insel Rjabinowy, knapp vier Kilometer vom Wohnsitz des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Waldai entfernt, ein zweites Flugabwehrsystem vom Typ Panzir-S1 installiert.

Das Exilmedium Meduza berichtet (russischer Text). Zuvor war ein ähnliches Bauwerk mit einer Luftabwehranlage in der Region Moskau gesichtet worden. Das unabhängige Investigativteam „Conflict Intelligence Team“ geht davon aus, dass das System in Waldai besser geeignet sei, den russischen Luftraum vor ukrainischen Drohnen zu schützen, als der Standort in Moskau.

Bereits im Januar 2023 wurde ein Panzir-S1-Flugabwehrraketen-system in der Nähe der Residenz von Putin in Waldai gesichtet. Auch im Jahr 2023 fanden Anhänger des im Februar getöteten russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny dasselbe System in Krasnaja Poljana bei Sotschi, wo sich eine geheime Residenz des russischen Präsidenten befinden soll.

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3 Kommentare

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  • Putin hat Angst vor einer ukrainischen Drohne über seinem Schlafzimmer. Ein bisschen schon: Wie man in den Wald hineinruft ...

    Dass Putin Lifestyle-Themen sich vornimmt wie abstrus verargumentierte Adoptionseinschränkungen, zeigt, wie sehr dieses Territorium für Ablenkungen vom Eigentlichen genutzt wird.

    Und ja, es ist typisch für Imperien, Kanonenfutter aus den besetzten Gebieten zu rekrutieren, damit das Herrenvolk (das, was noch nicht in den Westen floh) nicht selbst für den Despoten ausblutet und demografisch länger durchhält.

  • Meine Hochachtung für die mutigen Rechercheure von Medusa und der Taz für die bereitgestellte publizistische Plattform hierzulande.

  • Ein Grund warum die Ukrainer so erbittert kämpfen wenn sie verlieren werden sie Kanonenfutter für Russlands nächsten Krieg. Schon der Donbass wurde leerrekrutiert und die Soldaten von da verheizt. Das ist aber nichts speziell russisches jedes Kolonialreich hat Kanonenfutter in den Kolonien rekrutiert.