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Zukunft der Blauen Moschee in HamburgDie Freiheit der Andersgläubigen

Mit dem Verbot des Islamischen Zentrums wurde auch die Blaue Moschee geschlossen, eine von drei schiitischen Gemeinden in Hamburg. Was wird aus ihr?

Was wird aus der Blauen Moschee nach dem Verbot des IZH? Das Gebäude ist schon Gegenstand von Spekulationen und Wünschen Foto: Hanno Bode/imago

Bremen taz | Es stinkt an der Blauen Moschee, klagen Nachbarn. Seit dem Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) ist eine gute Woche vergangen, seitdem kann niemand mehr das Gelände der schiitischen Moschee betreten, nicht die Müllabfuhr und auch nicht die Gemeindemitglieder.

„Ihr habt Gläubigen ihr Obdach genommen“, hatten Menschen schon am Donnerstag nach der Schließung auf ein Protestplakat am Zaun der beschlagnahmten Moschee geschrieben; gut 200 Menschen waren zum Protestgebet vorbeigekommen, am Freitag waren es noch mal ähnlich viele. Etwa 15.000 bis 20.000 Schiiten gebe es in Hamburg, schätzt man bei der Schura, dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg. Rund 2.000 davon seien regelmäßig in die Blaue Moschee gekommen.

Dem IZH als bisherigem Trägerverein wird vorgeworfen, als verlängerter Arm des iranischen Regimes verfassungsfeindlich agiert und eine totalitäre Ideologie in Deutschland propagiert zu haben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das IZH das Vereinsverbot vor Gericht noch anficht.

Bis zu einer Entscheidung darf mit dem Gebäude nichts Neues begonnen werden; sollte es am Ende eines Prozesses an das Bundesinnenministerium fallen, müsste dieses es gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung stellen. Das könnte erneut eine Moschee, aber auch etwas komplett anderes sein – ein Kindergarten beispielsweise.

Kulturzentrum – oder Gotteshaus

Auch wenn es also noch dauern kann, werden schon einmal Pläne gemacht und Wünsche laut: Besondere Aufmerksamkeit bekommt der Vorschlag von Islamkritikerin Necla Kelek, aus der Blauen Moschee eine Art Kulturzentrum zu machen, in dem freitags auch gebetet werden könne. Ziel sei dabei eine Moschee, die „allen Gläubigen offenstehe“, schreibt das Hamburger Abendblatt.

„Das ist nicht im Geringsten im Sinne unserer schiitischen Geschwister“, sagt zu solchen Ideen Schura-Sprecher Fatih Yildiz. „Für sie gibt es ohnehin nicht viele Gemeinden in Hamburg. Wir müssen die Moschee als Gotteshaus für sie erhalten.“

Die Frage hinter dem Dissens ist nicht banal: Die Blaue Moschee ist nicht nur Vereinsheim für das IZH, sondern ein seit den frühen 1960ern bestehendes Gotteshaus und genießt als solches einen besonderen Schutz. Laut Grundgesetz muss der Staat „die ungestörte Religionsausübung“ gewährleisten.

Die Schi’a ist neben der weit größeren Sunna eine der beiden grundlegenden Richtungen des Islam. Unterschiedliche Rechtsschulen der beiden Konfessionen haben Auswirkungen auf religiöse Regeln, Moralvorstellungen und Rituale der Gläubigen. Den schiitischen Mus­li­m*in­nen eine der sunnitischen Gemeinden in Hamburg zu empfehlen – oder eben ein „Zentrum für alle Religionen“ – ist keine gleichwertige Option.

Nach dem Wegfall der Blauen Moschee bleiben in Hamburg aktuell zwei kleinere schiitische Moschee-Gemeinden übrig: Die afghanisch geprägte Belal-Moschee in Wandsbek und die irakische Huda-Moschee in Billbrook. Theologisch gibt es zwischen ihnen keine Differenzen, sagt Yildiz. Allerdings könnten allein sprachliche Barrieren dafür sorgen, dass die Gemeinden kein echter Ersatz seien.

Ob die Größe der beiden weiteren schiitischen Gemeinden reichen könnte, um die Gläubigen aufzunehmen, das hält Yildiz eher für eine hypothetische Frage: „Man ist auch Mitglied einer Gemeinde, weil man sich wohlfühlt, weil man vielleicht seit der Kindheit dorthin geht“, sagt er. „Ich denke, die wenigsten werden einfach in andere Gemeinden gehen.“

Wir müssen die Moschee als Gotteshaus erhalten

Fatih Yildiz, Schura-Sprecher

Ein Problem bei der Suche nach möglichen schiitischen Trägern für eine neue Gemeinde: Die Schi’a, vor allem die betroffene Untergruppierung der imamitischen Schiiten, ist vor allem im Iran verankert – und als solche seit 45 Jahren die Staatsreligion des Religionsstaates. „Es gibt einige imamitische Schiiten, die regimekritisch sind“, sagt dennoch der Osnabrücker Islamwissenschaftler Michael Kiefer.

Trotzdem sei es schwierig, fähige und unabhängige Gemeindevorsteher zu finden – das Osnabrücker Islamkolleg, das 2019 mit dem Ziel gestartet ist, Imame in Deutschland auszubilden, hat bis dato keine Angebote für Schiiten. Bisher wurden in Deutschland zwar schiitische Imame ausgebildet – allerdings ausgerechnet durch das verbotene IZH.

Yildiz gibt sich dennoch zuversichtlich, dass man geeignete Partner für eine neue Gemeinde in der Blauen Moschee finden werde: Als es 2022 schon einmal um ein mögliches IZH-Verbot ging, verließen das Zentrum und fünf weitere schiitische Vereine den Hamburger Islamverband. „Aber es gibt noch schiitische Gemeinden, die Mitglied sind“, meint Yildiz, und impliziert: Diese seien unverdächtig.

Mit ihnen sei man schon lange in entsprechenden Gesprächen – das IZH-Verbot hatte sich schon vor Jahren abgezeichnet. Auch wenn sich der Staat aufgrund der Religionsfreiheit eigentlich nicht in die Auswahl eines Moscheeträgers einmischen dürfe, werde man wohl eng zusammenarbeiten mit Behörden und Politik. „Es ist ein sehr sensibles Thema“, so Yildiz. „Wir müssen jemanden präsentieren, der in der Community vernetzt ist, und dabei von allen Vertrauen genießt.“ Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sich andere Stimmen durchsetzten – und die Blaue Moschee als Ort für schiitische Gläubige ganz verloren ginge.

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12 Kommentare

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  • Wenn die Moschee von iranischen Schiiten betrieben werden soll, wird es wieder eine Verbindung nach Teheran/Qumm geben (müssen).



    Es wird nicht leicht sein, eine gute Trägerschaft für diesen Ort zu finden. Und der Staat muss schon auf Rechtsstaatlichkeit achten, aber er kann nicht alles bestimmen und vor allem nicht kontrollieren.

  • Vielleicht ist es sinnlos, sich ein weiteres Mal über ein fragwürdig begründetes Verbot zu ereifern (und das bestehende, allzu dehnbare Vereinsrecht insgesamt kritisch zu betrachten). Erschreckend bleiben die öffentlichen Reaktionen: schließlich ist das IHZ nie strafrechtlich aufgefallen (und auch auf einen konkreten Beleg für extremistische Äußerungen warte ich bisher). Es geht bei diesem Verbot vor allem um das Spiel mit tiefsitzenden Ressentiments, die offenbar sogar in liberalen Kreisen verbreitet genug sind, um einen skandalösen Angriff auf die Religionsfreiheit gut zu heißen. Es ist bequem (und natürlich richtig), sich über die AfD zu ärgern – nur ist das nicht sehr ehrlich, wenn man der eigenen Islamophobie freien Lauf lässt. Die Feindbilder sind dieselben, nur anders verpackt.

    • @O.F.:

      2022 wiesen Hamburger Behörden den stellvertretenden IZH-Leiter aus. Ihm war nach Angaben der Innenbehörde nachgewiesen worden, Terrororganisationen zu unterstützen.

      Das IZH steht im Verdacht, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu richten […].Zudem gehen die Sicherheitsbehörden dem Verdacht nach, dass das IZH die in Deutschland verbotenen Aktivitäten der libanesischen Terrororganisation Hisbollah unterstützt."

      Wie aus der mehr als 200 Seiten umfassenden Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums hervorgeht, soll das IZH einen aggressiven Antisemitismus und eine massive Israelfeindlichkeit propagieren und damit gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen. Der Verein verbreite außerdem die Ideologie des totalitären Islamismus, wie ihn das iranische Regime vertrete.

      Laut Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz vertritt das IZH die Ziele der Islamischen Revolution, die in einem diametralen Gegensatz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes stünden.

      • @Martin Sauer:

        Sehen Sie, genau das ist das Problem: das sind allgemein gehaltene Anschuldigung (für die als einzige Quelle der Verfassungsschutz genannt wird) - das wird aber nie mit konkreten Zitaten oder Vorfällen belegt (und wenn es die gäbe: warum hat man nicht geklagt - wenn das IZH tatsächlich einen aggressiven Antisemitismus verbreitet hat, hätte man es ja wegen Volksverhetzung u.ä. anklagen können, stattdessen ist man den problematischen Weg über das allzu dehnbare Vereinsrecht gegangen.

    • @O.F.:

      Kritik am iranischen Regime und nahestehenden Organisationen ist an sich so wenig islamophob wie Kritik am derzeitigen Kabinett Netanjahu antisemitisch ist. Inwiefern das Menschenrecht auf freie Religionsausübung durch ein Vereinsverbot beeinträchtigt wird, kann man gewiss diskutieren.



      Deutschland stößt im Umgang mit Religion immer schnell an Grenzen, wenn die übergreifende Organisation fehlt, mit der man Staatsverträge schließen kann. Die Organisation der Gemeinden als Verein ist da eine ziemlich brüchige Krücke. Die Zentralräte funktionieren offenbar auch nicht besonders gut, zumal dort unterschiedliche Schulen zusammenarbeiten sollen, die einander wechselseitig Häresie vorwerfen. Bessere Lösungen müssen dringend her.

      • @Zangler:

        Ich habe nicht geschrieben, dass Kritik an der Islamischen Republik islamophob ist, sondern dass sich an der Bereitschaft, das Verbot der IZH hinzunehmen, eine islamophobe Grundhaltung der deutschen Öffentlichkeit artikuliert. Das Problem bleibt ja, dass das IZH weder gegen ein Gesetz verstoßen noch besonders aggressiv agiert hat. Trotzdem findet ein Verbot auf der Grundlage eines Gummi-Paragraphen (der noch dazu ungewöhnlich rigoros angewandt wird) breite Zustimmung, auch in Kreisen, die sich sonst gegen Ressentiments immun wähnen. Und – ich muss das immer wieder betonen – das ist ein Problem, das weit über den konkreten Fall hinausgeht: offenkundig ist es wieder en vogue, wenn der Staat die Samthandschuhe auszieht und (teils hart an der Grenze zum Rechtsnihilismus) gegen echte und eingebildete Feinde durchgreift. Ich finde diese Radikalisierung gefährlich, weil sie demokratische und rechtsstaatliche Standards von Innen bedroht.

        • @O.F.:

          Ihr Vorwurf der Islamophobie erscheint mir polemisch, vielmehr geht es grundsätzlich doch um die wünschenswerte Verteidigung der FDGO gegen den von Iran und angeschlossenen Terrororganisationen wie der Hisbollah vertretenen Islamismus/Islam-Faschismus. Dass z.B. Propagandaschrifttum der Hisbollah angeboten wurde, ist m.K.n. auch belegt.



          Ich teile freilich Ihre Bedenken hinsichtlich der Anwendung des § 14 VereinsG im Zusammenspiel mit Art. 4 GG. Das Vereinsgesetz sieht als mildere Mittel auch Tätigkeitsverbote vor, die sachlich und persönlich beschränkt werden können. Eine Schließung der Moschee und ein Verbot der sie tragenden als Verein organisierten Gemeinde berührt den persönlichen Schutzbereich des Art. 4 und schießt über das Ziel hinaus. Insofern ist die Gründung eines neuen Trägervereins zu wünschen.



          Dennoch hat die Wahrnehmung, dass eine Gefahr für Gläubige in Deutschland vom politischen Islam ausgeht, einen realen Kern und mit Islamophobie weniger zu tun als mit Iran, Hisbollah, Hamas, IS, Taliban usw. und den von diesen verübten Verbrechen. Die Bedrohung durch diese ist gewiss größer als durch LG/XR etc.

          • @Zangler:

            Ich denke nicht, dass ich hier polemisch bin: dass das Feindbild Islam auch in liberalen und linken Kreisen ziemlich verbreitet ist, ist fast schon eine Binsenweisheit. Und es ist nicht allzu kühn, hier eine Verbindung zu der seltsamen Gleichgültigkeit (oder sogar Zustimmung) herzustellen, mit der ein fragwürdiger Umgang mit Muslimen in Deutschland hingenommen wird (und zwar nicht nur dem IZH). Den Versuch, dass durch den Hinweis auf Iran oder Taliban zu rationalisieren, finde ich befremdlich (wenn man sich auf solche Argumentationsmuster einlässt, kann man beinahe jede Minderheit zur Bedrohung erklären). Und ganz allgemein: das Anliegen, Demokratie und Rechtsstaat zu verteidigen, kann durchaus in sein Gegenteil umschlagen, wenn es in die ständige Suche nach Feinden und Bedrohungen ausartet. Ich kann nur zum 100. Mal betonen: auch die Mitte kennt ihre Extremismen.

  • "Allerdings könnten allein sprachliche Barrieren dafür sorgen" - bitte, nachdem sogar die römisch-katholische Kirche vor Jahrzehnten aufgehört hat, NICHT in der Landessprache den Gottesdienst abzuhalten, sondern in Deutschland auf Deutsch, sollten sich andere Religionen doch auch aufraffen, die hiesige Sprache zu verwenden...

    • @Achim Schäfer:

      Es geht nicht um die Liturgie, sondern das Gemeindeleben und die Seelsorge. Das kann in Deutschland, gerade für lange ansässige Gläubige und mit hier ausgebildeten Imamen auch auf deutsch geschehen, jedoch ist es für Neuankömmlinge und erst im höheren Alter Eingewanderte wichtig, auch in der Muttersprache kommunizieren zu können. Das auch für Farsisprecher:innen zu erhalten und dem Iran den Einfluss darauf zu nehmen, sollte das Ziel der weiteren Pläne sein.

    • @Achim Schäfer:

      Die katholische Kirche verzichtet auf Latein als Liturgie-Sprache; fremdsprachige Gottesdienste gibt es weiterhin:



      www.erzbistum-muen...iche-gottesdienste



      Ähnliches gilt natürlich auch für andere Glaubensgemeinschaften; wenn Menschen in ihrer Muttersprache beten wollen - wo ist das Problem?

    • @Achim Schäfer:

      In der Bibel steht nicht, dass die Messen und Gebete auf Latein (oder Aramäisch, Altgriechisch etc.) abgehalten werden müssen. Der Koran schreibt jedoch ausdrücklich vor, dass die Kerngebete auf (alt)arabisch gehalten werden müssen. Die naive Forderung nach einer Anpassung an lokale Gegebenheiten ist eindeutig Häresie, mit allen höchst unangenehmen Konsequenzen, die der Islam für Häretiker vorsieht. Alles nicht so einfach mit den Religionen.