Proteste gegen iranisches Regime: Wut erreicht die Blaue Moschee

Am Montag demonstrierten Geg­ne­r*in­nen des iranischen Regimes vor dem Islamischen Zentrum Hamburg. Die Hamburger Schura rückt vorsichtig ab.

Wütende Demonstrant*innen stehen hinter Absperrgittern

Die Wut vor der Tür: Demo vor der Blauen Moschee, dem Sitz des Islamischen Zentrums Hamburg, am Montag Foto: Markus Scholz, dpa

HAMBURG taz | Lautstark stampften und sprangen die Demonstrierenden vor der Blauen Moschee in Hamburg auf ein Transparent mit dem Gesicht Ali Chameneis, des politischen und religiösen Führers des Iran. Mit den Füßen scharrten sie Dreck auf die Gesichter weiterer Regierungsmitglieder, die daneben abgebildet waren. Eigens dafür hatte man bei der Demonstration am Montag vor der Blauen Moschee an der Außenalster eine Plane mit Abbildungen der iranischen Führungsriege ausgelegt.

Der Verein Kulturbrücke hatte gemeinsam mit dem Verein Säkularer Islam zu der Kundgebung gegen das in der Blauen Moschee beheimatete Islamische Zentrum Hamburg (IZH) aufgerufen, dem von verschiedenen Seiten vorgeworfen wird, der „verlängerte Arm“ des iranischen Regimes in Teheran zu sein. Zu der Demonstration erschienen auch Ver­tre­te­r:in­nen des Bündnisses gegen Antisemitismus, Omas gegen Rechts sowie Frauenrechtsorganisationen.

Laut den Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen kamen fast 400 Menschen zu dem Protest. Sie forderten ein Ende des Staatsvertrags zwischen dem Senat und der Schura – dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg, solange das IZH dazu gehört. Der „Dialog mit dem Regime“ müsse beendet werden, forderten die Redner:innen.

Die Kundgebung steht im Zusammenhang mit den anhaltenden Protesten im Iran, die nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini, die nach der Festnahme durch die „Sittenpolizei“ gestorben war, um sich gegriffen haben. Aus Solidarität mit den demonstrierenden Frauen im Iran schnitt sich auch in Hamburg eine Protestierende die Haare mit einer Schere ab. Das Abschneiden der Haare ist zu einem Symbol des Protests gegen die frauenfeindliche Politik im Iran geworden.

Bereits im Vorfeld hatte die Hamburger Landesvorsitzende der Grünen, Maryam Blumenthal, erklärt, das IZH dürfe künftig keine Rolle beim Staatsvertrag zwischen dem Hamburger Senat und den muslimischen Verbänden in Hamburg spielen. Die Partei bereite einen entsprechenden Antrag für den Parteitag im November vor.

Seit 1993 wird das IZH, in dessen Blauer Moschee sich die Hamburger Schii­t:in­nen versammeln, vom Verfassungsschutz beobachtet. Der beschreibt das Zentrum als ideologischen, organisatorischen und personellen „Außenposten des Teheraner Regimes in Europa“. Aus Briefen zwischen dem IZH und der iranischen Regierung gehe hervor, dass der aktuelle Leiter des Zentrums, Mohammad Hadi Mofatteh, direkt an das Büro des Revolutionsführers angebunden sei, von dort Weisungen erhalte und berichtspflichtig sei.

Die Verantwortlichen in Hamburg, so der Verfassungsschutz, träten aber nicht offen islamistisch auf, sondern inszenierten das IZH als „interkulturelle und interreligiöse Begegnungsstätte, um als Gesprächspartner in Politik, Kultur und Gesellschaft akzeptiert zu werden“. Gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz hat das IZH geklagt, noch steht das Urteil des Verwaltungsgerichts dazu aus.

Inzwischen hat der Streit allerdings die Hamburgischen Landesgrenzen überschritten. Der Bundesvorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, sagte dem Spiegel, man müsse dem IZH auf nationaler Ebene „endlich das Handwerk legen: Dieses Zentrum ist das wichtigste Spionagenest des Regimes in Deutschland und bedrängt zudem viele Iranerinnen und Iraner hierzulande“. Die taz-Nachfrage, ob Nouripour damit eine Schließung des IZH meint, beantwortet die zuständige Pressestelle mit Verweis auf Überlastung jedoch nicht.

Die grüne Landeschefin Maryam Blumenthal, wie Nouripour iranischstämmig, schreibt zur Frage, auf welcher Grundlage eine Schließung überhaupt möglich sei: „Vereinigungsfreiheit ist ein hohes Gut, zurecht gibt es daher hohe Hürden für ein Vereinsverbot. Wir gehen davon aus, dass das IZH geschlossen wird, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für ein Vereinsverbot erfüllt sind.“ Die sind gerade im Hinblick auf das Grundrecht auf freie Religionsausübung hoch.

Der Zeitpunkt für den Konflikt um das IZH ist heikel: Derzeit läuft in Hamburg die Evaluierung des Staatsvertrags, den der Senat 2012 mit der Schura, dem Ditib-Landesverband und dem Verband der Islamischen Kulturzentren geschlossen hat. Zu den Forderungen, den Staatsvertrag auszusetzen, solange das Islamische Zentrum bei der Schura vertreten ist, möchte sich der Senat mit Verweis auf die „gegenwärtig laufenden Prozesse“ nicht äußern.

Um die Rolle des Islamischen Zentrums in der Schura hat es bereits in der Vergangenheit Diskussionen gegeben. Stein des Anstoßes war unter anderem, dass 2017 ein Vertreter des IZH an der Al-Quds Demonstration teilnahm, wo alljährlich die Vernichtung Israels gefordert wird. Daraufhin verlangten die Grünen eine klare Distanzierung der Schura, die 2018 erfolgte. 2021 schied das IZH aus dem Schura-Vorstand aus, als die ursprünglich drei Co-Vorstandsposten auf einen reduziert wurden.

Der Schura-Vorsitzende Fatih Yildiz erklärte damals, dass die Evaluierung des Staatsvertrags für die Entscheidung kaum eine Rolle gespielt habe. 2020 hatte er die Vorwürfe gegen das IZH als „Konstrukte“ zurückgewiesen, als die CDU den Antrag stellte, das IZH zu verbieten und den Staatsvertrag mit der Schura auszusetzen.

Im Juni 2022 gab es erneut Aufsehen in Hamburg, als der stellvertretende Leiter des Zentrums wegen Kontakten zu Terrororganisationen ausgewiesen wurde. Nun fällt die Reaktion deutlicher aus: Die Schura prüft, die Mitgliedschaft des IZH ruhen zu lassen. Das Verfahren dazu laufe bereits. „Die Kritik ist legitim“, sagt Fatih Yildiz, „es gilt aber auch die Unschuldsvermutung“, zum Beispiel bei der Frage, ob über das IZH Exil-Iraner:innen bedrängt würden. Es müsse erst geprüft werden, ob es Personen seien, die im Auftrag des IZH handelten. „Wir müssen sachlich bleiben“, sagt Yildiz, „wir müssen die Grenzen des Machbaren und des Aushaltens prüfen“. Augenscheinlich wünscht sich die Schura, das Thema hinter sich zu lassen: „Wir dringen mit anderen Themen gar nicht durch.“

Das Islamische Zentrum selbst weist die Vorwürfe weiterhin zurück. Auf Anfrage der taz schreibt das Team der Öffentlichkeitsarbeit: „Wir sehen die ständige Kritik als eine Farce und bodenlose Unterstellungen.“ Die einzigen Verbindungen des IZH ins Ausland seien die „zu den Büros der Großgelehrten der islamischen Welt. Wir tauschen uns zu theologischen Themen aus, erhalten und verschicken Spenden“.

Der Leiter des Islamischen Zentrums, Mohammad Hadi Mofatteh, sieht seine Gemeinde selbst als „Opfer des Terrorismus“. Vor einer Woche habe es eine Farbattacke gegeben

Die Forderung nach einer Veränderung der Staatsverträge ist für das IZH lediglich Profilierungswünschen geschuldet: „Man sollte sich nicht von aufstrebenden Politikern diktieren lassen, wie man mit der Gesellschaft zusammenarbeitet.“ Das IZH „zählt seit 62 Jahren zu Deutschland und Hamburg und genau so verstehen wir uns“ – „es ist und bleibt unpolitisch“.

In der Hamburger Politik gibt es Stimmen, die vor einem übereilten Vorgehen warnen. Ekkehard Wysocki, religionspolitischer Sprecher der Hamburger SPD, verweist darauf, dass das Evaluationsverfahren zum Staatsvertrag mit der Schura noch nicht abgeschlossen sei – noch fehlt die Bilanz der einzelnen Behörden zur Zusammenarbeit etwa im Bereich der Extremismus-Prävention. Zudem stelle sich die Frage, auf welcher Grundlage ein Verbot des IZH überhaupt stattfinden könnte. Müsste man es zurücknehmen, weil es vor Gericht nicht bestünde, wäre das eine „Katastrophe“.

Ohnehin ist Wysocki zurückhaltend, was eine Einmischung in die Angelegenheiten der Schura anbelangt. Man habe zwar klar eine Erwartungshaltung formuliert, argumentiert er, doch würde man etwa die katholische Kirche auch nicht auffordern, die Rolle der Frau dort neu zu definieren.

Die Vorwürfe, dem iranischen Regime gegenüber weisungsgebunden zu sein, wies der Imam und Leiter des IZH, Mohammad Hadi Mofatteh, auf einer Presskonferenz am Montag zurück. Warum die Menschen gegen das Zentrum demonstrieren, verstehe er nicht. Die Aktivitäten des IZH seien „rein religiös, nicht politisch“, sagte er. Vom IZH angebotene Gesprächstermine seien nicht wahrgenommen worden.

Mofatteh sieht die IZH-Gemeinde selbst als „Opfer des Terrorismus“. Vor einer Woche gab es eine Farb-Attacke im Foyer des Gebäudes, bei dem ein hoher Sach- und auch ein Personenschaden entstanden seien.

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