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Neues vom Hamburger ZeitungsmarktAbendblatt auf Diät

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Weil die alte Druckerei schließt, erscheint das Blatt im kleineren Rheinischen Format. Damit verliert die bürgerliche Zeitung ihre gewohnte Üppigkeit.

Neue Größenverhältnisse am Frühstückstisch: die taz und das Abendblatt Foto: Andreas Kiesselbach

L iebling, sie haben die Zeitung geschrumpft, war der spontane Gedanke, als Donnerstag früh die morgendliche Hauslektüre auf dem Frühstückstablett lag. Milchigere Farben, kleinere Schrift, und das Format stimmte nicht. Normalerweise lag die kleine taz zusammengefaltet im großen Hamburger Abendblatt. Die eine mit ihrem Titellogo in Kirschrot, das Blatt mit einen durchgezogenen, moosgrünem Balken. Der ist auf einmal nur noch hauchdünn, die ganze Zeitung kaum größer als die linke Konkurrenz.

Hassliebe wäre zu viel gesagt, aber die Autorin verbindet viel mit dem Abendblatt. Es ist kontinuierlicher, verlässlicher Informationslieferant zum einen. Dass in Hamburg die Arbeitslosigkeit gestiegen ist, wird vermeldet. Dass Taylor Swift als Wachsfigur ins Panoptikum an der Reeperbahn kommt, auch. Und auf der Meinungsseite kommt Ex-Uni-Präsident Dieter Lenzen als „einer der klügsten Köpfe der Stadt“ zu Wort, der über das Hamburgischsein schreibt. Kleiner Tipp: Understatement gehört dazu.

Ein Kästchen auf der Titelseite klärt auf. Informiert, dass die Zeitung fortan im neuen Format erscheint. Ein Lesertelefon bietet Auskunft an. Leider löst der frühere Besitzer, der Springer-Verlag, seine Druckerei in Ahrensburg auf. Alternativ fand die seit 2014 zur Funke-Medien-Gruppe gehörende Zeitung eine Druckerei im gut 200 Kilometer entfernten Braunschweig. Und die kann das alte „Nordische Format“ nicht drucken. Deshalb erscheint die Zeitung im „Rheinischen Format“. Man sei selbst traurig darüber, heißt es am Telefon.

Doch die neue Zeitung habe nicht weniger Inhalt, verspricht Vize-Chefredakteur Berndt Röttger auf abendblatt.de. Man erhöhe die Seitenzahl auf 36. Täglich erscheinen nun Nachrichten aus dem Norden in einem eigenen Teil. Auch wird der Redaktionsschluss für die gedruckte Zeitung nach vorn verlegt. Das ganze sei „kein Sparprogramm“. Lediglich die Überschriften und der weiße Rand werden „deutlich kleiner“, schreibt Röttger, „wir nutzen das Papierformat also besser aus.“

Völlig überflüssige Informationen

Stimmt die Küchenwaage, dann ist das neue Druckerzeugnis etwa 35 Gramm leichter. Multipliziert mit der bei Wikipedia genannten Auflage von 115.755 Exemplaren, spart das täglich rund vier Tonnen Papier.

Aber die Anmutung dieser Zeitung ist schon eine andere geworden. Die Schrift drängt unten fast aus dem Rand, die im Formatvergleich nun ungewöhnlich großen und grellen Anzeigen lassen den Inhalt nebensächlich erscheinen. Es ist die wichtigste Zeitung am Platz. Die mit den meisten Exklusivgeschichten der Stadtregierung, im Gegenzug schimpft sie mancher regierungstreu. Die mit einem Hang zu rechter Law-and-Order-Kampagne, etwa wenn es um Jugendliche mit Problemen geht. Die, wo es von Belang ist, wenn das Marketing möchte, dass eine Straße nach einem umstrittenen Modemacher benannt wird. Die, die schlicht von allen bürgerlichen Verwandten gelesen wird, sprich, die das Bürgertum vertritt.

Ganz ohne dieses Druckerzeugnis wird Hamburg keinesfalls sein. Die Zeitung, so hört man, soll auf jeden Fall weiter auf Papier erscheinen. Nachdem die Hamburger Morgenpost nur noch am Wochenende in Papierform erscheint und die taz ähnliches plant, wird sie die einzige tägliche Zeitung für Hamburger sein, die gern Papier zwischen den Händen haben, das nicht Bild-Zeitung heißt.

Aber ein Verlustgefühl ist es schon, so viel weniger Papier in den Händen zu halten. Die Zeitung erschien damit immer so üppig, so opulent. Sie informierte völlig überflüssig, mit großzügigen Fotos layoutet, auch über die wohlhabende Welt. Über edle Restaurants, zu denen die Autorin niemals hingehen würde, und über Ferienimmobilien an Nord- und Ostsee, die sie nie kaufen könnte.

Und als die Energie knapp wurde, hätte sie beinahe eine Presse gekauft, mit der sich aus Zeitung Briketts formen lassen. Es kam mit dem Abendblatt auch einfach täglich eine schöne Menge Wertstoff ins Haus. Kaija Kutter

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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1 Kommentar

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  • „Die mit den meisten Exklusivgeschichten der Stadtregierung, im Gegenzug schimpft sie mancher regierungstreu“

    Ich empfinde das Abendblatt eher als CDU Parteiorgan. Jeder noch so sinnbefreiten PM der HH CDU wird ein Artikel gewidmet. Nun ja, dass sich das Abendblatt mit der CSU des Nordens (SPD HH) nicht besonders schwer tut, ist ja schon länger bekannt.