Anschlagsplan Rheinmetall-Chef Papperger: „Brutale russische Aggression“
Ein Bericht über einen Anschlagsplan auf Rheinmetall-Boss Papperger sorgt für Empörung. Politiker warnen vor einem hybriden Krieg Russlands.
![Porträtbild des Rheinmetall-Vorsitzenden Armin Papperger Porträtbild des Rheinmetall-Vorsitzenden Armin Papperger](/picture/7116404/624/papperger-1.jpeg)
Steht offenbar im Visier Moskaus: Rheinmetall-Vorstandsvorsitzender Armin Papperger Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa
BERLIN taz | Der mögliche russische Anschlagsplan auf Armin Papperger, Vorsitzender des Rüstungskonzerns Rheinmetall, sorgt für Entrüstung. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte dazu, Russland führe einen „hybriden Angriffskrieg“, mit Sabotageaktionen, Cyberattacken und auch Angriffen auf Menschen auf europäischem Boden.
Dagegen müsse sich Europa „bestmöglich schützen“ und dürfe „nicht naiv“ sein. Eine Sprecherin von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, die Bundesregierung werde sich „durch die russischen Bedrohungen nicht einschüchtern lassen“. Man werde „weiter alles daran setzen, um mögliche Bedrohungen in Deutschland zu unterbinden“.
Auch Konstantin von Notz (Grüne), Vorsitzender des Kontrollgremiums der Geheimdienste im Bundestag, sagte der taz: „Sollten sich die im Raum stehenden Vorwürfe bewahrheiten, vervollständigt sich das Bild der brutalen russischen Aggression.“ Die Sicherheitsbehörden müssten „jetzt ganz genau und aufmerksam hinschauen, um Anschläge zu verhindern“, so von Notz. „Aktuell, aber auch in der Vergangenheit, um gegebenenfalls bestehende Zusammenhänge zu erkennen und aufzuklären.“
Zuvor hatte CNN berichtet, dass US-Geheimdienste bereits im Frühjahr einen russischen Anschlagsplan auf Papperger aufgedeckt hätten. Der 61-Jährige habe wegen der Rüstungslieferungen von Rheinmetall in die Ukraine im Visier gestanden. Auch weitere Verantwortliche von Rüstungskonzernen in Europa, welche die Ukraine unterstützen, stünden im Fokus Russlands.
Die Anschlagspläne gegen Papperger aber seien am weitesten fortgeschritten gewesen. Deutsche Sicherheitsbehörden seien darüber informiert worden, sie hätten darauf Sicherheitsmaßnahmen für Papperger getroffen. Der Sender beruft sich auf fünf Quellen, die mit den Vorgängen vertraut seien.
Deutsche Sicherheitsbehörden und das Innenministerium wollten den Bericht nicht kommentieren. Nach taz-Informationen sollen die Behörden aber tatsächlich dem Verdacht von Anschlagsplänen gegen Papperger nachgegangen sein, eine akute Gefahr aber bestand offenbar nicht.
Mehrere Verdächtige im Visier
Auch Rheinmetall wollte den Bericht nicht kommentieren. Zu Fragen der Konzernsicherheit äußere man sich grundsätzlich nicht, erklärte ein Sprecher. „In regelmäßiger Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden werden stets die erforderlichen Maßnahmen getroffen.“
Tatsächlich aber erhält Papperger, der Rheinmetall seit 2013 führt und offensiv für Waffenlieferungen in die Ukraine eintritt, schon länger Personenschutz. Laut Spiegel sollen deutsche Sicherheitsbehörden im Mai einen Hinweis von US-Diensten bekommen haben, dass es einen russischen Anschlagsplan auf Papperger gebe.
Eine handvoll Verdächtiger aus verschiedenen Ländern der ehemaligen Sowjetunion soll danach ins Visier genommen worden sein. Sie hätten sich teils schon im Schengenraum befunden, andere eine Einreise geplant. Einige sollen sich in der Nähe der Düsseldorfer Konzernzentrale von Rheinmetall oder an Reisezielen von Papperger im Ausland aufgehalten haben.
Zuletzt soll der Anschlagsplan aber nicht mehr weiter verfolgt worden sein. Tatsächlich gab es bis heute auch keine Festnahmen in dem Fall. Ein ausreichender Tatverdacht gegen die Verdächtigen ließ sich bisher also nicht nachweisen.
Bedrohung wird „sehr ernst genommen“
Eine Sprecherin von Innenministerin Faeser betonte aber, die Bundesregierung nehme „die Bedrohungen durch das russische Regime sehr ernst“. Russland ziele darauf, die Unterstützung Deutschlands und anderer Länder für die Ukraine „zu unterminieren“. Das Land setze dabei auf „Cyberangriffe, Desinformation, Spionage und Sabotage“. Die Sicherheitsbehörden seien hier „sehr wachsam“ und handelten zusammen mit internationalen Partnern.
Rheinmetall steht schon länger im Visier Russlands. Der Rüstungskonzern produziert Artillerie für die Ukraine, gilt als größter Einzellieferant für Rüstung in das Land. Demnächst will Rheinmetall auch ein Werk für den Schützenpanzer Lynx in der Ukraine errichten.
Papperger selbst reiste auch direkt nach Kiew und traf dort den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Wir sind bereit dazu, der Ukraine dabei zu helfen, bei der militärischen Ausrüstung auf ein Niveau zu kommen, das allerhöchsten westlichen Standards in nichts nachsteht und sogar neue Maßstäbe setzt“, betonte Papperger dort.
Auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz traf sich der 61-Jährige wiederholt. Im Februar vollzogen beide etwa einen ersten Spatenstich für ein neues Rheinmetall-Werk in Niedersachsen. Zuletzt sorgte auch für Aufsehen, dass Rheinmetall neuer Sponsor des Fußballvereins Borussia Dortmund wird.
Brandanschlag auf Gartenhaus
Papperger selbst stand zuletzt auch anderweitig schon im Visier. Im April verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf sein Gartenhaus im niedersächsischen Hermannsburg. Größere Schäden entstanden nicht. In einem Bekennerschreiben auf dem linken Onlineportal Indymedia bekannte sich eine Gruppe „Switch Off Rheinmetall“ zu der Tat. Diese sei Teil eines „Kampf gegen Krieg, Militär und Rüstungsindustrie“.
Die deutsche Regierung warnt schon länger vor hybriden Angriffen Russlands hierzulande. Bereits 2019 war ein Georgier im Berliner Tiergarten erschossen worden. Der Auftrag dafür soll von russischen Stellen gekommen sein.
In diesem April dann hatte die Bundesanwaltschaft zwei Deutschrussen in Bayreuth festnehmen lassen, die für Russland den US-Militärstützpunkt Grafenwöhr und deutsche Transportwege für Waffenlieferungen ausgespäht haben sollen. Zuletzt gab es weitere Festnahmen von drei Männern aus Russland, Armenien und der Ukraine in Frankfurt/Main, die dort einen Ukrainer verfolgt haben sollen.
Im Mai war es zudem zu einem Großbrand beim Technologiekonzern Diehl in Berlin gekommen, der auch eine Rüstungssparte hat, die das Luftabwehrsystem Iris-T produziert, das in der Ukraine zum Einsatz kommt. Hier gehen Ermittler aber bisher nicht von Sabotage, sondern von einem technischen Defekt aus.
Der Grüne Konstantin von Notz betonte, in ganz Europa würden seit Monaten Menschen unter Sabotageverdacht festgenommen, es gebe zahlreiche Verdachtsfälle bereits erfolgter Anschläge. Von Notz forderte die „volle politische Unterstützung“ für die Sicherheitsbehörden.
Die „ernste Lage“ müsse für die Behörden zudem im Haushalt „ausreichend abgedeckt“ sein. Im Haushaltsentwurf für 2025 ist ein Anstieg der Gelder für die Sicherheitsbehörden vorgesehen – die Grünen hätten sich hier aber noch mehr gewünscht.
Leser*innenkommentare
Metallkopf
Wer jetzt immer noch nicht glauben mag, dass Putin und seine Spießgesellen bereits heute hybriden Krieg gegen den Westen führen, dem ist offenkundig nicht mehr zu helfen.
So traurig das ist, für all' das Geld, das an anderer Stelle sicherlich auch hätte sinnvoll eingesetzt werden können: Putin versteht offenbar nur die Sprache der Stärke und kann wohl nur dadurch von weiteren Aggressionsplänen abgebracht werden, dass diese ihn und Russland im Zweifel teurer zu stehen kommen, als er eingepreist hat. Dass Papperger nun direktes Ziel geworden ist, lässt darauf schließen, dass im Kreml das Anlaufen der westlichen Rüstungs- und Munitionsindustrie mit großer Sorge gesehen wird. Gut so. Vielleicht denkt Господин Президент ja nun mal um.
Stefan Muck
Der militärische Konflikt wird immer vielschichtiger. Genauso, wie immer auf Putin verwiesen wird, dass er den Krieg jederzeit beenden könne, wenn er will, genauso gibt man damit zu, dass es seitens des Westens keine Kontrolle über den Verlauf gibt und dieser ausschließlich von Putin bestimmt wird. Das Suggerieren gegenüber der Bevölkerung, man könne die Eskalation kontrollieren, indem man Waffenlieferung in Qualität und Quantität steuere, ist ebenso eine Illusion. Das hat nur zur Folge, dass die ukrainische Armee einen ungeheuerlichen Blutzoll zahlen muss, während der Westen im Pathos der Verteidigung unserer Werte schwelgt. Es gibt keine halben Kriege. Wenn man Putin militärisch zwingen möchte die Kriegshandlungen einzustellen, dann bedeutet das Krieg mit allen Konsequenzen. Dieser wird dann auf allen Ebenen stattfinden. In dem Fall bestimmt Putin das Tempo und die Art der Kriegsführung. Ob diese fatalistische Haltung des Westens segensreich ist, wage ich zu bezweifeln. Wasch mich, aber mach mich nicht naß hat noch nie funktioniert. Das Dilemma des Westens ist, dass sie die eigenen Konsequenzen ihres Handelns nicht wahr haben wollen.
Metallkopf
@Stefan Muck Natürlich bestimmt Putin darüber, ob der Krieg weitergeht oder nicht. Das dürfte eigentlich nicht überraschen.
Schließlich hat ja nicht die Ukraine Russland überfallen und dieses kämpft um sein Überleben, sondern umgekehrt.
Der Blutzoll, den die Ukraine erleidet, wird von dem Blutzoll, den der russische ватник zahlt ergänzt.
Janix
Er ist ein Mensch, und Nawalny war auch einer, und die beim Raketenangriff getöteten Ukrainer(innen) waren auch welche. Das wird nicht skandalöser, weil jetzt mal ein deutscher Industrieboss im Fadenkreuz zu sein scheint.
Da würde der Nachfolger übrigens rasch nachrücken, gewisse russische Oppositionelle waren weniger zu ersetzen.
Bei alledem bitte ausreichend Kante gegen den Kriegstreiber.
funx xsta
In dieser Welt ist es gegen die Moral, wenn ein Verantwortlicher für die Herstellung von Waffensystemen, die hunderttausende getötet haben und dies auch derzeit tun, aufgrund seiner Tätigkeit mit dem Tode bedroht wird.
Ich frage mich, ob diese bizarre Moral hier nur trägt, weil ein Regime aus Berufskriminellen, die ein anderes Land zwecks Zugriff auf seine Ressourcen mit Krieg überziehen, für diese Bedrohungslage vetantwortlich gemacht wird oder ob diese sprachlos machende Doppeömoral auch bei anderen Ausgangslage tragen würde?
Und machen sich nun auch Manager Schweizet, Deutscher, Französischer und Amerikanischer sowie Englischer Banken Sorgen?
Diese finanzieren und wickeln den Waffrnhandel schliesslich ab.
Jens Barth
Das ganze hört sich wirklich schlimm an.
Leider nur haben die amerikanischen Geheimdienste in der Vergangenheit immer wieder mit Falschinformationen geglänzt. Verifizieren können wir nicht, inwieweit tatsächlich Anschlagspläne vorliegen.
Andererseits ist immer die Frage nach dem Motiv wichtig. Würde ein erfolgreicher Anschlag irgendetwas am Geschäftsmodell von Rheinmetall verändern? Kaum. Würde dadurch die Unterstützung der Ukraine nachlassen? Eher im Gegenteil. Also - was wäre das Motiv?
Die jetzige Lage führt allerdings bei uns zu Entrüstung und der Forderung nach weiteren Maßnahmen, sowohl im finanziellen als auch militärischen Bereich. Und das zu einer Zeit, in der Parteien mit einer eher anderen Politik (weniger Waffenlieferungen, mehr Diplomatie) im Aufwind sind.
shitstormcowboy
Wenn das zutrifft, dann geht das über eine sogenannte hybride Kriegsführung weit hinaus. Ein erfolgreicher russischer Terroranschlag gegen einen deutschen Rüstungsunternehmer wäre ganz nahe an einer Kriegserklärung gegen Deutschland und damit auch gegen die NATO.
Giergalgen
Warum sind denn alle Quellen der Geheimdienste und NATO anonym im CNN Bericht?
Und ausreichender Tatverdacht ist bei "Verdächtigen" nicht vorhanden? Sommerloch?
Sam Spade
So langsam sollten die hiesigen Verantwortlichen der hybriden Kriegsführung Russlands etwas konkretes entgegensetzen, anstatt die Vorfälle immer nur zu kommentieren.
Erster Schritt, die von Scholz auf dem Nato Gipfel erneut bekräftigte Verweigerungshaltung bezgl. des Einsatzes westlicher Waffen auf russischen Territorium aufgeben und der Ukraine freie Hand lassen.
zartbitter
Haben sich a-äff-de und die Altstalinistin Wagenknecht schon gemeldet um die Anschlagspläne gesund zu beten - und um der Bundesregierung mangelnde Verhandlungsbereitschaft mit dem Terrorist Putins vorzuschlagen - oder warten beide noch auf Direktiven aus Moskau?