Mutmaßliche Russland-Spione: Spioniert und ausgekundschaftet

Zwei Russlanddeutsche werden verhaftet, weil sie für Moskau Anschläge geplant haben sollen. Das Ziel: Die Ukraine-Hilfe sabotieren.

Soldaten auf einem Übungsplatz.

Spionageziel US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr? Hier werden auch ukrainische Soldaten ausgebildet Foto: U.S. Army/Zuma Press/imago

BERLIN taz | Dass Russland Spione in Deutschland anheuert, um an Informationen zu gelangen und für Unfrieden zu sorgen, ist keine Überraschung. Doch dass Personen, orchestriert von russischer Seite, gezielt Anschläge auf deutschem Boden geplant haben sollen, hat eine neue Qualität.

Aktuelles Beispiel ist die Festnahme zweier deutsch-russischer Staatsangehöriger am Mittwoch in Bayreuth in Bayern. Dieter S. und Alexander J. werden beschuldigt, für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein, heißt in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft vom Donnerstag. Dem 39-jährigen Dieter S. wird zudem vorgeworfen, geplante Sprengstoff- und Brandanschläge begehen oder unterstützen zu wollen. Im Auftrag einer Person, die an den russischen Geheimdienst angebunden ist, heißt es aus Karlsruhe. Beide sitzen in Untersuchungshaft.

Im Visier der mutmaßlichen Sabotageakte: militärisches Gelände, entsprechend genutzte Infrastruktur und Industrie­stand­orte in Deutschland; also Einrichtungen und Orte, die notwendig sind, um Militärhilfe für die Ukraine in die Tat umzusetzen. Dazu zählen auch Verkehrswege für den Transport von Kriegsgerät, Militärbasen sowie Einrichtungen der US-Streitkräfte. Dieter S. filmte und fotografierte offenbar Militärtransporter und Orte und schickte diese Informationen an seinen Verbindungsmann beim Geheimdienst. Gespräche über Sabotageaktionen fanden wohl seit Oktober 2023 statt. Seit März dieses Jahres soll Alexander J. Dieter S. unterstützt haben.

Außenministerin Baerbock bestellt Botschafter ein

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz, bezeichnete den Sabotageverdacht als „hoch alarmierenden Vorgang“. Es sei „schlicht ungeheuerlich, wenn Russland in Deutschland solche Aktionen tatsächlich plant und konkret umzusetzen sucht“, so der Grüne. Von Notz fordert eine Aufklärung „mit aller Entschlossenheit“ und – sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen – eine Reaktion gemeinsam mit den internationalen Partnern. Und: Er weist sowohl auf die enorme Tragweite der Bedrohung als auch auf Hinweise aus den verschiedensten Behörden hin.

Konkret fordert er verstärkte gemeinsame Aktionen der Bundesregierung. Tatsächlich sind verschiedene Ministerien mit der russischen Einflussnahme und hybriden Kriegsaktionen beschäftigt. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs wurde verstärkt Augenmerk auf diesen Aspekt auch innerhalb der Bundesregierung gelegt. Durch die starke Unterstützung Deutschlands für die Ukraine ist auch die Bundesrepublik im Visier russischer Angriffe unterschiedlichster Art: Im Netz über Desinformationskampagnen, über Cyberattacken auf Unternehmen und Behörden oder auch Angriffe auf die sogenannte kritische Infrastruktur. Dazu zählen etwa Energie- und Wasserversorger.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach am Tag nach den Festnahmen von einem „besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Putins Verbrecherregime“. Für Faeser ist klar, dass sie sich nicht einschüchtern lassen will. Der Fall schlägt hohe Wellen – auch auf dem diplomatischen Parkett. Außenministerin Annalena Baerbock ließ am Donnerstag den russischen Botschafter Sergei Netschajew ins Auswärtige Amt einbestellen, wie das Ministerium der taz bestätigte. „Der Verdacht, dass Putin bei uns Agenten anwirbt, um Anschläge auf deutschem Boden zu verüben, ist extrem schwerwiegend“, erklärte Baerbock auf X. „Wir werden nicht zulassen, dass Putin seinen Terror nach Deutschland trägt.“

Moskau wies die Vorwürfe von sich. Dem russischen Botschafter in Berlin seien bei seiner Einbestellung „keine Beweise“ vorgelegt worden, erklärte die Botschaft ebenfalls auf X. Die Vorwürfe seien „absurd“.

Dieter S. ist offenbar auch kampferprobt. Er soll zwischen 2014 und 2016 für die sogenannte „Volksmiliz“ im Donbass gekämpft haben. Die „Volksmiliz“ ist eine Art Eigenbezeichnung paramilitärischer Truppen in der Ostukraine. Seit April 2014 kämpfen die Söld­ne­r:in­nen für die nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk und damit gegen ukrainische Regierungseinheiten im russischen Angriffskrieg in der Ukraine. 2022 wurden Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote auch gegen mehrere An­füh­re­r:in­nen der „Volksmiliz“ verhängt.

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