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Sportlerinnen aus dem antiken SpartaSiegreich mit leichtfüßigen Pferden

Die spartanische Wagen­lenkerin Kyniska war die erste Frau, die jemals die antiken Olympischen Spiele gewann. Anwesend sein durfte sie damals nicht.

So sah das zu Zeiten Kyniskas vermutlich nicht aus Foto: Petros Giannakouris/dapd/AP

N ur wenige Worte sind uns von Kyniska überliefert: „Mein Vater und meine Brüder sind Könige von Sparta. Ich, Kyniska, siegreich mit einem Gespann leichtfüßiger Pferde, habe diese Statue errichten lassen. Ich erkläre mich zur einzigen Frau von ganz Hellas, die diese Krone gewonnen hat.“ Die spartanische Prinzessin und Wagen­lenkerin Kyniska ist in die Geschichte eingegangen als die erste Frau, die jemals die antiken Olympischen Spiele gewann.

Wenngleich das nur mit einem Kniff möglich war, wir kommen noch darauf zu sprechen. Kyniskas Vierergespann siegte beim Pferderennen im Jahr 396 vor der Zeitenwende, und dann noch einmal vier Jahre später. Die Spartanerin ist damit eine der ersten namentlich bekannten Frauen, die Sportgroßturniere gewann. Dass sie ein Star war, belegt etwa ihr Helden­schrein in Sparta, eine Ehre, die bis dato nur Königen zuteil geworden war. Kyniska ist quasi die Allererste der ersten Frauen dieser Kolumne.

Nun waren bekanntlich auch die antiken Olympischen Spiele ein patriarchaler Wettbewerb. Frauen durften nicht teilnehmen, und selbst das Zusehen war verheirateten Frauen bei Todesstrafe verboten. Widerstand gab es, so haben sich wohl mehrere weibliche Angehörige von Olympioniken das Zusehen erstritten. Eine gewisse Kallipateira soll sich sogar als Trainer verkleidet haben, um ins Stadion zu kommen; allerdings ist das eine späte, eher zweifelhafte Version.

In jedem Fall gab es trotz aller Vorkehrungen ein Schlupfloch, das Kyniska ausnutzte. Denn bei den Pferderennen galten als Sieger nicht die Fahrer, sondern die Be­sit­ze­r:in­nen der Gespanne. Kyniska besaß ein Gespann und trainierte ihre Pferde persönlich, ließ den Wagen beim Wettbewerb aber von einem Mann lenken – und gewann zweimal Olympia. Ihrem Triumph beiwohnen durfte sie nicht.

Sparta: eher diktatorisch als emanzipatorisch

Bedenkt man, woher sie kam, war die Laufbahn nicht so ungewöhnlich. Denn in Sparta, schreibt die brasilianische Forscherin Paula Viviane Chiés, erhielten Frauen eine gleichwertige Sportausbildung wie Männer. Das war eher diktatorisch als emanzipatorisch: Sie sollten fitte Söhne gebären. Während Athener Mädchen nur auf ihr Leben als Hausfrau vorbereitet wurden, trainierten die Mädchen in Sparta in gleichen Outfits wie die Jungs Boxen und Kampf, Sprung und Lauf sowie Speer- und Diskuswurf.

Sie nahmen auch an öffentlichen Sportwettbewerben teil. Nicht ganz zufällig kamen bei den Hera-Spielen, einer heute wenig bekannten Minivariante von Olympia für Frauen, die meisten Siegerinnen aus Sparta. Kyniskas Interesse an Sport war also kein Zufall. Zudem bot Sparta, anders als Athen, für Frauen die Möglichkeit, Eigentum zu besitzen und ein Leben außerhalb des Hauses zu führen. Beides zentrale Voraussetzungen für ein Wagengespann.

Feministisch reklamieren lassen sich die Olympiasiege dennoch eher nicht. Mehrere Quellen nämlich berichten, dass in Wahrheit ihr Bruder, König Agesilaos, Kyniska gedrängt habe, bei Olympia teilzunehmen. Entweder um zu beweisen, wie unmännlich und wenig leistungsorientiert Wagenrennen seien, oder als politisches Eigenmarketing.

Andererseits wäre es nicht das erste Mal, dass männliche Zeitgenossen einer erfolgreichen Frau eigene Motive absprechen, und die Quellenlage ist wie oft in der Antike dürftig: Wichtige Kyniska-Quellen wie die von Pausanias und Plutarch sind erst hunderte Jahre später entstanden. Der Kult um sie jedenfalls überlebte die spartanische Adlige. Mehrere weitere Frauen versuchten sich nach ihr im Wagenrennen; und noch hundert Jahre später, als Berenike von Ägypten das Rennen bei Olympia gewann, ließ sie verkünden, sie habe den Ruhm von Kyniska gestohlen.

Heute fast schon Kult

Heute ist die Spartanerin weltbekannter als zu Lebzeiten, vereinnahmt vom Zeitgeist. Ein neues Kyniska-Musical anlässlich von Olympia in Paris will das Publikum Glauben machen, dass Kyniska eine Art feministische Disney-Prinzessin war. Cynisca Cycling wurde 2022 als reines Frauen-Radrennteam gegründet, um Frauen im Radsport zu empowern. Die britische Kyniska Advocacy ist eine Organisation von Athletinnen gegen Missbrauch im Sport, die Kyniska zu einer „Wegbereiterin für Frauen im Sport“ erklärt.

Auf russischen Kunstplattformen werden Wagenrenn-Broschen und athletische Aktmalereien zu Kyniska feilgeboten, während in Griechenland eine unübersichtliche Menge Luxusressorts ihren Namen tragen. Je länger eine Sportlerin unter der Erde liegt, desto weniger gehört ihre Geschichte ihr. Was wohl die echte Kyniska dazu sagen würde?

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de
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2 Kommentare

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  • Danke für diese tolle Inspiration.



    Sehr interessanter historischer Komplex mit vielen Anstößen im Text zur eigenen Recherche oder Vertiefung. In der Antike waren ebenfalls legendär die Amazonen, nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis die Skythen.



    Bei nationalgeografic.de als Quelle:



    "Man kann durchaus sagen, dass Amazonen – sowohl als Realität als auch als Traum von Gleichberechtigung – schon immer unter uns waren. Manchmal war dieser feurige Amazonengeist nur versteckt oder wurde unterdrückt. Aber im Moment brennt er wieder heiß in der Populärkultur."



    Mal sehen, was die kommenden Wochen an Stoff für Legenden aus Paris bringen.

  • Prima. Sehr gern gelesen. Spannend erzählte u. erläuterte Themen, wie man es von Alina Schwermer kennt. Man merkt schon, meine ich, dass sie Geschichte studiert hat. Und, wenn ich das so ganz salopp sagen darf, auch darüber hinaus so einiges "auf dem Kasten hat", was einem den Sport als geschichtliches Thema u. heutiges gesellschaftliches u. politisches Geschehen, die Geschichte von/der Frauen u. Themen der Emanzipation nahe legen. Klasse.