Zeit-Podcast „Deutsche Geister“: Held oder Nazi?
Zwei Familien gehen in „Deutsche Geister“ auf persönliche Suche in der NS-Vergangenheit. Der Podcast zeigt Schwächen der Erinnerungskultur.
„Opa war kein Nazi“ heißt ein bis heute viel zitiertes Buch aus dem Jahr 2002. Die Autor*innen untersuchten dort den Holocaust im Gedächtnis „normaler“ Deutscher. Ihr Fazit: In den Familien werden vor allem Geschichten über Leid weitergegeben. Nazis seien die eigenen Angehörigen auch nicht gewesen.
Auch 2024 treibt viele Menschen die Frage nach der Rolle ihrer Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern in der NS-Zeit um. Der neue Doku-Podcast „Deutsche Geister – Die Geschichte von Schmusch und Schmidt“ von ZEIT Online begleitet zwei Familien auf dieser Spurensuche.
Die Ausgangslage: Der Enkel des SS-Offiziers Willy Schmidt schreibt der Tochter des Holocaustüberlebenden Robert Schmusch eine E-Mail. Sein Großvater habe in Warschau 100 Juden gerettet. Ihr Vater, der Holocaustüberlebende, habe nach dem Krieg bestätigt, dass sein Großvater ein „guter Mensch“ gewesen sei. Robert Schmusch war jüdischer Zwangsarbeiter in der von Willy Schmidt geleiteten Autowerkstatt.
„Deutsche Geister“, drei Folgen kostenlos, die restlichen fünf mit Z+-Abo
Der Podcast bringt die Familien der beiden zusammen. Sie besuchen Warschau und begeben sich auf die Pfade ihrer verstorbenen Angehörigen. Die Familie Robert Schmuschs findet das Versteck, in dem er nach seiner Flucht überlebt hat. Auch die Rolle des SS-Großvaters wird beleuchtet. War er wirklich der Held, für den ihn sein Enkel hält? Oder auch Teil des NS-Systems?
Versöhnung und Eingeständnis
Hier werden entscheidenden Fragen im Umgang mit der deutschen Vergangenheit verhandelt: Wie spricht man miteinander, wenn die Geschichte persönlich ist? Gibt es so etwas wie Versöhnung? Und wie gesteht man sich ein, dass Großvater ein Nazi war?
Podcasts dieser Art gab es schon, doch auch dieser zeigt eindrucksvoll die Schwächen der deutschen Erinnerungskultur auf. Es gibt Gedenkstätten, Gedenktage und Stolpersteine. Doch wenn es um die eigene Familiengeschichte geht, heißt es noch zu häufig: „Opa war kein Nazi.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!