Boykott von Ungarns Ratspräsidentschaft: Affront im Rahmen des Möglichen
Mit dem Boykott der Ratspräsidentschaft reagiert die EU besonnen auf Orbáns „Friedensmission“. Jetzt liegt es an den EU-Staaten, Geschlossenheit zu zeigen.
D er Mini-Boykott, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gegen die ungarische Ratspräsidentschaft angeleiert hat, ist bemerkenswert. Wollte doch Ungarns Regierungschef Viktor Orbán einen echten Coup landen, indem er gleich an Tag eins des sechs Monate andauernden rotierenden Amtes nach Kyjiw reiste, dann weiter nach Moskau und Peking. Zwischendurch erfolgte die Ausladung der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock. Und zum krönenden Abschluss ein Besuch bei US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump im Anschluss an den Nato-Gipfel.
Die EU-Spitzen waren sichtlich bemüht, klarzustellen, dass Orbán nicht im Auftrag der EU in seiner sogenannten Friedensmission unterwegs war. Russland, China und auch Trump nahmen den Ball dennoch staatsmännisch beglückt auf. Und Orbán konnte sich als alternative Friedenstaube inszenieren.
Schachzug statt Eigentor
Nun folgt also ein diplomatischer Affront – im Rahmen der Möglichkeiten auf EU-Ebene. Schließlich ist es demokratische Praxis, dass alle sechs Monate ein anderer Mitgliedstaat die Ratspräsidentschaft übernimmt. Ganz gleich, welcher Partei der jeweilige Staatschef angehört. Diese Praxis zu unterbrechen und die ungarische Ratspräsidentschaft vorzeitig zu beenden, gliche einem Eigentor.
Stattdessen werden die EU-Kommissar:innen und Fachminister:innen angehalten, nicht zu Treffen nach Ungarn zu fahren. An ihrer Stelle sollen Beamt:innen aus der zweiten Reihe geschickt werden.
Es ist ein geschickter Schachzug von der Leyens. Nun kommt es auf die Zuständigen in den EU-Mitgliedstaaten an, ob sie ihrem Boykottauftrag folgen oder lieber ihre Loyalität gegenüber Ungarn zeigen.
In Zeiten, in denen die EU mit vielfältigen globalen Krisen konfrontiert ist, ist dies auch ein Test, wie geschlossen die Reihen der Europäischen Union sind. Mit einem erstarkenden Rechtsruck und zunehmender Skepsis gegenüber der Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen die russische Invasion ist dies der erzwungene richtige Zeitpunkt. Die Anhänger:innen Orbáns wird dieser Schachzug aber vermutlich nicht aufhalten.
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