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Nach Angriff auf TrumpUS-Parteien wollen verbal abrüsten

Nach dem gescheiterten Attentat auf Trump bemühen sich Republikaner und Demokraten darum, staatstragend zu wirken. Das wird nicht lange halten.

Noch ohne Wunde am Ohr: eine Trump-Unterstützerin feiert in der Nähe von Mar-a-Lago ihren Papp­kandidaten Foto: Joe Cavaretta/ap

Berlin taz | Auch zwei Tage nach dem Attentat von Pennsylvania ist unklar, warum der 20-jährige Thomas Matthew Crooks mit dem Sturmgewehr seines Vaters auf den früheren US-Präsidenten Donald Trump schoss, ihn am Ohr verletzte, eine Person tötete und zwei weitere schwer verletzte.

Die Bundespolizei FBI und die Medien suchen alle erdenklichen Spuren ab – bislang konnten sie zumindest kein politisches Motiv für die Tat finden. An Informationen hinzugekommen ist lediglich, dass Crooks in Mathematik sehr gut war, in einem Pflegeheim arbeitete und laut Aussagen von ehemaligen Klassenkameraden in der Schule immer gemobbt wurde. Eine schlüssige Erzählung über ein Attentat, das in die Geschichtsbücher eingehen und womöglich den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2024 mit­entscheiden wird, ergibt sich daraus nicht.

Genauso offen ist weiterhin die Frage, warum es Crooks überhaupt möglich war, beobachtet von Umstehenden, aber unbehelligt von Polizei und Secret Service auf jenes Dach in unter 150 Meter Entfernung zur Bühne zu klettern, von dem aus er direkte Sicht und freies Schussfeld auf Trump hatte.

Zwar sind verschiedene Untersuchungen angekündigt, um der Frage nachzugehen. Aber aus dem Secret Service gibt es noch nicht einmal eine vorläufige Antwort. Ein so offensichtliches Missachten von grundlegenden Sicherheitsvorkehrungen, wie sie spätestens seit dem Attentat auf John F. Kennedy aus dem 6. Stock eines Bürohauses in Dallas im November 1963 Standard sind, hinterlässt nach wie vor riesige Erkenntnislücken – die im Netz bereits eifrig von einer Myriade von Theorien ausgefüllt werden.

„Wir sind keine Feinde“

Unterdessen versuchen Po­li­ti­ke­r*in­nen aus der ersten Reihe beider Parteien, staatsmännisch an beide Seiten zu appellieren, in der politischen Debatte einen weniger aggressiven Tonfall an den Tag zu legen. „Wir alle haben die Verantwortung, das zu tun“, sagte US-Präsident Joe Biden in einer Fernsehansprache aus dem Weißen Haus am Montagabend. Gewalt sei nie eine Lösung, betonte Biden. „Wir sind keine Feinde.“

Und selbst Donald Trump kündigte an, auf dem republikanischen Parteitag in Milwaukee, anders als ursprünglich geplant, eine Rede zu halten, „die unser Land vereint“. Trump sagte der Boulevardzeitung New York Post, er habe ursprünglich eine „extrem harte Rede“ über die „schreckliche Regierung“ von Präsident Biden vorbereitet. Diesen Text habe er aber weggeworfen. Er wisse indes nicht, ob es möglich sei, das Land zu vereinen. Die Menschen in den USA seien „sehr gespalten“.

Eine republikanische Versammlung mit Trump als Hauptredner ohne ätzend-aggressive Rhetorik gegen Joe ­Biden, die politische Klasse, „kommunistische Wokeness“, das „korrupte Washington“ oder „Migrant*innen, die das Blut Amerikas vergiften“ – das wäre allerdings ein Novum, seit der Trumpismus die Republikanische Partei ergriffen hat.

Es wird interessant sein zu sehen, ob alle der geplanten Red­ne­r*in­nen von inner- und außerhalb der Partei von Trumps neuer Idee des rhetorischen Abrüstens erfahren – wer in den letzten Monaten allerdings nur einmal in ein Event von Trump-nahen Organisationen wie CPAC (Conservative Political Action Conference) oder Turning Point USA hereingeschaut hat, wo die gleichen Red­ne­r*in­nen auftreten wie jetzt beim Parteitag der Republikaner, kann sich nicht vorstellen, was von den Reden übrigbleiben soll, fiele diese Art von Hasskritik weg.

Der Parteitag sollte am Montag nach taz-Redaktionsschluss beginnen. Das viertägige Treffen, zu dem inklusive der rund 2.400 Delegierten rund 50.000 weitere Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen erwartet werden, soll am Donnerstag mit der Rede Trumps enden, in der er offiziell seine Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten annimmt. Höhepunkt am Mittwoch ist die Rede des oder der „Running Mate“, also des Kandidaten oder der Kandidatin für die Vizepräsidentschaft. Es wurde erwartet, dass Trump noch am Montag das Geheimnis lüftet, wer das wird.

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10 Kommentare

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  • Was will dump Trump uns denn sonst erzählen? Er hat doch gar nix anderes und kann auch nix. Aber vielleicht wird es funktionieren, ein bisschen Tralala und Hoppsasa, das könnte schon reichen bei diesen Wählern...

  • Nach Ernennung des JD Vance zum Vize, der sofort nach dem Attentat die Demokraten als Ursache angeklagt hat,



    sieht mir das eher nach dem "guten" alten Good-Cop, Bad-Cop Spiel aus. Trump wird Zweifler und Wechselwähler, die sich an seinem Rabaukentum stören, damit ködern plötzlich den Netten, den Versöhner und Einer der Nation zu geben. Für die propagandistische Drecksarbeit gibt's dann den Vize, der die bisherigen Trump-Jünger bei der Stange hält mit: der meint das nicht so, er ist immer noch der Alte, zwinker, zwinker....

  • Eher geht das berühmte Kamel durch das Nadelöhr.



    Wobei die Dems wohl zumindest ihre Werbespots ausgesetzt haben.



    Trump wird das jetzt bis zum Wahltag auskosten.



    Ich lege mich mal fest der neue Präsident heißt Donald Trump und dann wird es ungemütlich. Erst in den USA und dann mit Verzögerung in Europa.

    • @Garum:

      Es sind noch fast 4 Monate. Gerade die Amerikaner "vergessen" relativ schnell, der "Attentats-Effekt" kann sich durch neue Ereignisse auch verlaufen....



      Und wenn Trump tatsächlich ununterbrochen auf die Märtyrer-Trommel haut, kann die Reaktion auch sein: "is ja gut Junge, es reicht... wenn Du nicht mehr auf der Pfanne hast als das Opfer-Gejammer..."



      Und Trump ist kaum ein Typ, der weiß, wann es klug ist, damit aufzuhören...

    • @Garum:

      Ich lege mich auch fest und stimme ihnen zu.



      Das Attentat wird Trump zum Sieg verhelfen und er wird bis zur Wahl keine Gelegenheit auslassen und dies immer wieder erwähnen. Er wird es ausschlachten bis zum geht nicht mehr und nach kurzer Zeit wieder seine hasserfüllten Reden halten.



      Leider sind die meisten US-Amerikaner dumm und fallen auf ihn rein.



      Wie kann man jemanden wählen, der rein gar nichts kann , außer zu spalten und Hass zu säen.

      • @DocSnyder:

        Die Stimmen für derartige Querschläger vermehren sich auch un D rasant.

    • @Garum:

      Hört sich fast so an, als wären Sie nicht betroffen davon!?

      • @Sonnenhaus:

        Ich werde wohl auch nicht direkt davon



        betroffen sein. Bis wir das voll abbekommen ist meine Lebenszeit abgelaufen oder ich kriege das eh nicht mehr mit. Und das obwohl ich deutlich jünger bin als die beiden die da zur Wahl stehen.

  • Mag ja sein, dass die Parteien abrüsten wollen - Trump wird das sicher nicht tun.

  • Der Trumpismus ohne Krawall, Lügen und übelste Beleidigungen der Gegenseite? Ist dann eben nur stinknormale Elefantenparteirhetorik, als Mitt Romey, die Bushs oder was sonst so Establishment der Republikaner war. Das ist sicher nicht das, was die Anhänger des orangenen Märtyrers wollen. Er wird sehr bald wieder aus allen Rohren feuern.