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Erdgas-Bohrung vor BorkumGasförderer droht Niedersachsen

Der Energiekonzern One-Dyas setzt Niedersachsen unter Druck. Er droht eine Schadenersatzklage wegen zögerlicher Genehmigung an.

Ferienidyll in Gefahr? Auf Borkum stehen sie der Erdgasförderung skeptisch gegenüber Foto: Hauke Christian Dittrich/dpa

Osnabrück taz | Nicht jeder Brief, der Sprengstoff enthält, erfordert einen Spürhund. Auch Worte können Explosivwirkung entfalten. Der Brief, den Chris de Ruyter van Steveninck, CEO des niederländischen Energiekonzerns One-Dyas, am 5. Juli an Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) und Umweltminister Christian Meyer (Grüne) geschrieben hat, ist purer Zündstoff.

Es geht um die Erdgas-Förderplattform N05-Am, die One-Dyas in die Nordsee platzieren will, ins niederländisch-deutsche Grenzgebiet nahe Borkum, dicht an den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Das Projekt ist seit Jahren umstritten. Die Pläne sehen vor, auch unter deutschem Gebiet zu bohren.

One-Dyas setzt die niedersächsische Landesregierung schwer unter Druck. Zu welchen Worten das vertrauliche Schreiben des Konzerns greift, lässt sich auf der Website der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nachlesen, der es zugespielt wurde. Von einer möglichen Klage ist hier die Rede, einer möglichen Schadensersatzforderung.

Die eigentliche Schockwelle aber geht von der Behauptung von One-Dyas aus, Ministerpräsident Stephan Weil habe One-Dyas schon Anfang 2023 versichert, „that the Lower Saxony government supports this project and will do everything possible to speed up the permitting procedure“.

Damit bestehe der Verdacht, so die DUH, Weil habe „vor Abschluss des Genehmigungsverfahrens eine Entscheidung vorweggenommen“.Die Landesregierung müsse „ein rechtsstaatliches Verfahren garantieren“, dürfe der Gasförderung keine vorschnelle Genehmigung erteilen.

Vorwurf der Untätigkeit

Auch Wirtschaftsminister Lies habe seine Unterstützung zugesichert, schreibt One-Dyas-Vorstandschef Chris de Ruyter van Steveninck. Man stehe jetzt „at a crossroads“, erlebe einen „lack of action“. Der Vorwurf der Untätigkeit zielt vermutlich auf Umweltminister Meyer. Sein Nein zur Bohrung bremst One-Dyas bisher aus.

Der Brief von One-Dyas sei „eine offene Drohung“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, der taz. „Und das Ganze hat den Geschmack politischer Korruption.“ Was One-Dyas durchsetzen wolle, sei juristisch „im Grenzbereich“.

„Hinter den Kulissen offenbart One-Dyas sein wahres Gesicht“, erklärt Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH. „Politiker und Genehmigungsbehörden sollen mit den Drohungen unter Druck gesetzt werden.“ Dabei trage der Konzern selbst die Verantwortung, wenn er Investitionen ohne die notwendigen Genehmigungen tätige.

Umwelthilfe gegen Ergdasförderung

Die DUH kämpft schon lange gegen die Genehmigung von N05-Am. Mitte April hatte sie im niederländischen Den Haag auf dem Klageweg erreicht, dass die Genehmigung für den Bau der Plattform ausgesetzt wurde – Ende Mai hat das niederländische Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz One-Dyas indes eine neue Genehmigung erteilt.

Auf deutscher Seite steht die Genehmigung noch aus. Das letzte Wort haben hier das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN).

Das Schreiben von One-Dyas an die Landesregierung habe man „zur Kenntnis genommen“, schreibt Meyers Umweltministerium in einer Erklärung. Das Verfahren laufe „nach Recht und Gesetz“. Es gebe „naturschutzfachliche und umweltfachliche Bedenken, die es ordnungsgemäß abzuprüfen gilt“.

Auf die Frage der taz, wie die hannöversche Staatskanzlei zum Brief des Unternehmens One-Dyas steht, greift Katja Sauer, die stellvertretende Regierungssprecherin, zu ähnlichen Worten: „Das Schreiben haben wir zur Kenntnis genommen.“ Es gelte nun, das Ergebnis des Genehmigungsverfahrens abzuwarten.

Politiker und Genehmigungs-behörden sollen mit den Drohungen unter Druck gesetzt werden

Constantin Zerger, DUH

Auch Christian Budde, Sprecher des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums, verwendet auf Anfrage der taz dieses Wording. Man habe das One-Dyas-Schreiben selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Es habe „keinerlei Einfluss auf die anstehenden Genehmigungen“ des Landes Niedersachsen. Dabei handele es sich um „gebundene Entscheidungen“ ohne politischen Ermessensspielraum, die nur aus fachlichen Gründen abgelehnt werden könnten.

Die beteiligten Behörden, schreibt Budde, „prüfen diese Genehmigungen – auch im Wissen um die besondere Sensibilität des hier betroffenen Naturraums – äußerst gewissenhaft“.

Einerseits klingt das verhalten, abgesprochen. Weil, Lies und Meyer sollen offenbar aus dem Detonationsradius gehalten werden. Aber Willfährigkeit gegenüber CEO Chris de Ruyter van Steveninck sieht anders aus. One-Dyas spürt also, dass Druck auch Gegendruck erzeugt.

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2 Kommentare

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  • taz: Der Brief von One-Dyas sei „eine offene Drohung“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, der taz. „Und das Ganze hat den Geschmack politischer Korruption.“

    Zum Glück haben wir die DUH, die so etwas publik macht und sich auch nicht scheutgegen die "großen Tiere" vor Gericht zu ziehen. Ein paar wirtschaftshörige Politiker möchten der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) allerdings schon seit geraumer Zeit die Gemeinnützigkeit aberkennen, denn die DUH engagiert sich für den Klimaschutz, die Erhaltung der biologischen Vielfalt, eine auf Effizienz und regenerativen Quellen basierende Energieversorgung, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft, saubere Luft, nachhaltige Mobilität und Verbraucherschutz - und gefährdet damit nach Ansicht einiger "Volksvertreter" die Gewinne der Wirtschaft.

  • Da werde ich den Eindruck nicht los, dass die DUH das Druckschreiben aus den Niederlanden als Druckmittel auf die deutsche Politik benutzen möchte, um den Druck auf die Verantwortlichen hierzulande im Interesse der selbsternannten Sicht-Weisen zu erhöhen. Also im Endeffekt die gleiche Vorgehensweise zu nutzten, die man der Gegenseite vorwirft.