Hungerkatastrophe im Sudan: Wie viel ein Menschenleben wiegt

Die Lage in Sudan ist katastrophal. Die Staatengemeinschaft tut sich mit Desinteresse hervor, sie hat vermeintlich andere Sorgen.

Ein Kind wird vom einem Arzt untersucht.

Ein hungerndes Kind wird von einem Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen untersucht. Camp im Tschad,nahe der sudanesischen Grenze Foto: Patricia Simon/ap

Sudan hat 48 Millionen Einwohner. Über 25 Millionen davon haben so gut wie nichts mehr zu essen. Knapp eine Million dürfte demnächst verhungern. Weitere Millionen könnten in den kommenden Monaten folgen. Das haben die führenden Hilfswerke der Welt jetzt festgestellt. Normalerweise würde man schreiben, sie hätten „Alarm geschlagen“, aber dazu müsste jemand alarmiert sein.

Die internationale Politik hat andere Sorgen. Krieg in Nahost, Rechtsruck in Europa und den USA, Säbelrasseln in Moskau und Peking – all das überfordert die Mächtigen der Welt. Das ist logisch, hängen doch an all diesen Entwicklungen viele Politikerkarrieren. Dennoch sollte hinterfragt werden, ob etwa der Verbleib von Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin wirklich von höherem politischem Stellenwert ist als der drohende Hungertod von einer Million Sudanesen.

Wie viel wiegt ein Menschenleben im politischen Bewusstsein der Welt? Nichts. Wie viel wiegen eine Million Menschenleben? Eine Million mal nichts. Das ist die grausame Realität. Politischer Mut würde bedeuten, diese Realität verändern zu wollen. Aber wo bleibt die globale Initiative gegen den Krieg in Sudan, die Hoffnung machen könnte? Die machtgierigen Generäle, die ihr Land seit April 2023 verwüsten, gehören aus dem Verkehr gezogen. Ihre Waffenlieferanten gehören vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen.

Die Menschen in Sudan und auch die vielen, die Sudan verlassen mussten, brauchen Überlebensperspektiven. Aber nichts davon passiert. Es werden Geschäfte gemacht, viel zu wenig Hilfe geliefert und ansonsten ab und zu „tiefe Besorgnis“ geäußert. Auch das ist eine politische Entscheidung, und zwar eine abgrundtief zynische.

Es naht die Zeit, in der sich Europa darüber freuen wird, dass weniger Flüchtlinge ankommen. Sollten aus Sudan einmal die Flüchtlingsströme versiegen, werden Nachbar- und Geber­länder das feiern. Vielleicht aber kommt bald niemand mehr aus ­Sudan, weil sie alle tot sind. Und es wird nicht einmal ­Gräber geben, an denen man ihrer gedenken kann.

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Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

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