Israels innenpolitische Spaltung: Minister Gantz tritt zurück

Wie Mitte Mai angedroht, verlässt Benny Gantz nun das Kriegskabinett. Und kritisiert Netanjahu deutlich: Er halte Israel von einem „wahren Sieg“ ab.

Benny Gantz steht vor einem blauen Hintergrund und schaut grimmig

Er hat fertig: Minister Benny Gantz verlässt das Kriegskabinett, und wird wieder Teil der Opposition

JERUSALEM taz | Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett von Premier Benjamin Netanjahu, tritt zurück. Das kommt nicht überraschend, hatte der 65-Jährige doch bereits Mitte Mai angekündigt, das Kabinett verlassen zu wollen, sollte Netanjahu zu von ihm vorgelegten sechs strategisch wichtigen Punkten keine Entscheidung treffen. Zu den vorgebrachten Punkten gehörten etwa eine Strategie für den Gazastreifen nach dem Ende des Krieges gegen die Hamas, sowie ein Plan zur Zerstörung der Terrormiliz.

Eigentlich hatte Gantz den 8. Juni als Endpunkt für sein Ultimatum gesetzt. Seinen Rücktritt wollte er in einem bereits angekündigten Statement am Samstagabend bekannt geben. Doch nachdem in einer als riskant beschriebenen Militäraktion am Samstagvormittag vier Geiseln aus der Hamas-Gefangenschaft in Gaza befreit werden könnten, verschob Gantz seine Ankündigung.

In seiner Rede macht Gantz klar: Netanjahu halte „uns davon ab, einen wahren Sieg zu erreichen“. Und: Schon bevor man sich entschlossen habe, der Regierung nach dem 7. Oktober im Rahmen des Kriegskabinetts beizutreten, hätten er und eine „National Unity“-Partei gewusst, „dass sie eine schlechte Regierung“ sei. Ein „wahrer Sieg“, so Gantz, sei die Rückkehr der Geiseln, ein Ersatz für die Hamas als Regierung in Gaza und eine Allianz gegen den Iran in der Region. Auch zu Neuwahlen rief er auf.

Der Rücktritt wird nun wohl dazu führen, dass die rechten Kräfte in der Regierung noch stärker an Einfluss gewinnen

Verteidigungsminister Yoav Gallant sprach Gantz sogar persönlich an, und forderte ihn auf, die Regierung Netanjahu ebenfalls zu verlassen: „Gehorche dem Befehl deines Gewissens“. Gerade in diesen Zeiten seien Führungsstärke und Mut nicht nur, zu sagen was richtig sei – sondern es dann auch zu tun. In der Opposition, so Gantz weiter, wolle er sich nun für „sinnvolle Pläne, unsere Kämpfer, Israels Gesellschaft und jede richtige Entscheidung der Regierung“ stark machen. Gallant ist nach dem Rücktritt von Gantz aus dem Kriegskabinett neben Netanjahu der einzig darin Verbliebene mit Stimmrecht.

Netanjahu wird bezichtigt, den Krieg in die Länge zu ziehen

Netanjahu selbst bat derweil Gantz darum zu bleiben, und schrieb auf dem Sozialen Netzwerk X: Es sei nicht der rechte Zeitpunkt zurückzutreten – sondern sich zu vereinen. Seine Tür bleibe offen. Dass Netanjahu aus persönlichen Gründen – ihm drohen mehrere Gerichtsverfahren sowie potenziell eine Untersuchung des Scheiterns israelischer Sicherheitsmaßnahmen am 7. Oktober – versucht, den Krieg in die Länge zu ziehen, ist eine Auffassung, die viele vor allem linke Israelis derzeit teilen. Auch Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde äußern sich ähnlich.

Der Rücktritt wird nun wohl dazu führen, dass die rechten Kräfte in der Regierung – vor allem der Minister für Innere Sicherheit Itamar Ben Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich – noch stärker an Einfluss gewinnen. Denn die Regierung bleibt – dank ihrer Sitzmehrheit in der Knesset – auch nach dem Rücktritt von Gantz bestehen. Die beiden rechten Hardliner sind überzeugt, dass es nur einen Weg gebe, den Konflikt mit der Hamas in Gaza zu lösen: Mit Waffen.

Einen Geiseldeal lehnt etwa Ben Gvir vollkommen ab – und hatte am vergangenen Mittwoch mit seiner Partei Netanjahu die Kooperation in der Regierungskoalition entzogen. Am Sonntag – auch mit Bezug auf die damals noch bevorstehende Rücktrittsankündigung Gantz' – entschied die Partei, bei Entscheidungen wieder mit der Regierung zu stimmen.

Nach Angaben der Online-Zeitung The Times of Israel wittert Ben Gvir nun selbst seine Chance auf einen Sitz im Kriegskabinett: Gleich am Sonntagabend erklärte er gegenüber Netanjahu, dass ein Ersatz für Gantz ernannt werden solle: Nämlich er selbst.

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