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Theaterstück „Rohtko“ über KunstmarktDie Garküche der Moderne

Łukas Twarkowski untersucht das Verhältnis von Kunst und Geld, Original und Fälschung. Das Theaterstück „Rohtko“ lief bei den Wiener Festwochen.

Realwirtschaft im chinesischen Küchencontainer: eine Szene aus „Rohtko“ Foto: Arturs Pavlovs

Das Mr. Chow in der 57. Straße war einmal der Sehnsuchtsort für alle, die in New York irgendwas mit Kunst machen. Zumindest in der Zeit, als Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat und andere Branchengrößen dort Hof hielten und Künst­ler:in­nen, Galerist:innen, Samm­ler:in­nen und andere wichtige Menschen einander im verlängerten Wohnzimmer trafen. Man sprach über Kunst, fast nie über Geld, auch wenn es fast immer darum ging.

In Łukas Twarkowskis bildmächtigem vierstündigem Thea­ter­abend einer lettisch-polnischen Koproduktion des Daile-Theaters in Riga bei den Wiener Festwochen gerät das Lokal zum Brutreaktor der Entwicklungen und Widersprüche der Nachkriegsmoderne, wird Schauplatz einer nichtlinearen Bühnenerzählung, die sich auf einer Skala zwischen den 1950er Jahren und der Gegenwart vor und zurück bewegt.

Sie beginnt mit der heroischen Bildverweigerung informeller Malerei, mit Mark Rothko oder Jackson Pollock, endet in den Preisexplo­sio­nen und Auktionsrekorden der Gegenwart, angetrieben von der nicht enden wollenden Nachfrage global agierender, kaum regulierter oder besteuerter Vermögenskonzentrationen.

Ist Kunst am Ende nur eine Zauberformel, die Menschen mit Geld selbiges entlockt, fragt der an Thesen reiche, aber nie thesenhaft geratene Text von Twarkowskis Autorin und Dramaturgin Anka Herbut. Da war doch noch was. Aus der Vergangenheit schleudert Mark Rothko, der radikalste unter den Abbildungsverweigerern, den prophetischen Bannfluch gegen Kitsch und Kommerz. Als die schönen Menschen in den 1980ern fein speisten, hatte er längst Hand an sich gelegt. Für ihn war Kunst reiner Ausdruck, eine Art diesseitiger Spiritualität, deren Rezeption ebenso spekulativ geraten musste. An der konsequenten Verweigerung der Warenform kleben längst die höchsten Preisschilder.

Blase des Finanzkapitals

Das Mr. Chow hat sich vom upscale restaurant in Midtown Manhattan zum Vorstadtchinesen mit roten Lampions verwandelt, wie ihn die Diaspora in allen Teilen der Welt betreibt. Twarkowski setzt dem Kunstmarkt als Blase in der Blase des Finanzkapitals ein Stück Realwirtschaft in Gestalt eines engen Küchencontainers entgegen. Der Ortswechsel hat auch praktische Gründe. Das Nachdenken über Kunst in „Rohtko“ – kein Schreibfehler – entspinnt sich anhand eines Kriminalfalls.

Ein renommierter Sammler erwarb von einer renommierten Händlerin eine bis dahin unbekannte Farbfeldmalerei von Rothko für 8,5 Millionen, die aus einer Garküche in Queens stammte. Mit der dort üblichen handwerklichen Qualität tat das Artefakt seine Dienste als Kunstwerk, es affizierte seine Be­trach­te­r:in­nen, bis offenbar die falsche Buchstabenfolge in der Unterschrift auffiel. Ist das, was man mit dem Bild erlebt hat, nicht mehr existent, weil es nicht von Rothko stammt?

Asiatische Denktradi­tio­nen, so hört man, halten westliches Ursprungsdenken ohnehin für eine epistemologische Schwäche. Kann man doch am gut gemachten Abbild besser ablesen, „was gemeint ist“. Versteckt sich mit dem Festhalten am Original am Ende ein Fetisch im rationalen Denksystem?

Das Lokal wird auf der Drehbühne immer wieder verschoben, neu zusammengesetzt, im Low-Key-Stil ausgeleuchtet, um die Ak­teu­r:in­nen per Livevideo im Close-up aus der Theatererzählung herauszuheben und ihr unterkühltes Spiel bis in unmerkliche, aber Bedeutung tragende Nuancen zu verfolgen.

Verwirrspiel um Ur- und Abbild

Die somnambul immer etwas neben der Spur fahrenden Dia­log­part­ne­r:in­nen nehmen sich auf Lettisch, Polnisch, Englisch und Chinesisch alle Theaterzeit der Welt. Was im Wong-Kar-Wei-Licht oberhalb des Geschehens fast über die gesamte Bühnenbreite flimmert, ist wirklich großes Kino und entwickelt, getragen von einem permanenten Klangteppich, tatsächlich einen Flow.

Naturalistisches Spiel mündet in choreografierte Intermezzi, bevor sich eine Wirklichkeit behauptende „Situation“ einstellen kann. Schau­spie­ler:in­nen treten aus ihrer Rolle und deklarieren ihre Arbeit daran als Forschungsergebnis. Twarkowski zieht das Theater geschickt hinein in das Verwirrspiel der Kunst um Ur- und Abbild, ist es doch die Form, die entgegen allem Ursprungsdenken ihre Wahrheit gerade in der Nachahmung sucht.

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