Pastorin über Rassismus: „Jesus war ein Systemkritiker“

Sarah Vecera ist evangelische Theologin. Ein Gespräch über Rassismus in der Kirche, Hagar als Vorbild und wie Jesus weiß wurde

Sarah Vecera

„Mein Glaube ist Teil meiner Identität.“ Sarah Vecera in den Räumen der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal Foto: Jörn Neumann

An einem grauen Tag im Mai sitzt Sarah Vecera in einem Konferenzraum in der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal. Vecera trägt einen pinken Cardigan, sie hat ein breites, offenes Lächeln. Auf dem Tisch liegen Brötchen und Kekse auf Tellern bereit. Nach Kirche fühlt es sich hier wenig an, der braune 60er-Jahre-Bau mit einer großen Fensterfront erinnert eher an eine Schule. Im Büro ist Vecera nur ein oder zwei Mal pro Woche, sonst ist die Bildungsreferentin im Home Office, arbeitet an ihrem Podcast, hält Lesungen oder ist auf Workshops unterwegs, in denen sie Kir­chen­mit­ar­bei­te­r:in­nen über Rassismus aufklärt. Gerade schreibt sie zudem an einer vielfaltssensiblen Kinderbibel.

wochentaz: Frau Vecera, Sie sind seit Ihrer Kindheit regelmäßig in der Kirche. Wie war Ihre Erfahrung dort als Schwarze Frau?

ist Theologin, Autorin und Bildungsreferentin im internationalen Bildungsteam der Vereinten Evangelischen Mission (VEM). Sie ist 1983 in Oberhausen im Ruhrgebiet geboren. Durch ihr Buch „Wie ist Jesus weiß geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus“ ist sie eine starke Stimme gegen Rassismus in der deutschen evangelischen Kirche geworden und klärt regelmäßig im Podcast „Stachel&Herz“ mit ihrer Kollegin Thea Hummel über Diskriminierung in der Kirche auf.

Sarah Vecera: Ich war in einem katholischen Kindergarten, im evangelischen Kindergottesdienst und auf einer Montessorischule im Ruhrgebiet, das war alles schon ein sehr weißer Raum. Über Fragen, die mir gestellt worden sind, habe ich immer gemerkt, dass ich nicht der Norm entspreche. Als ich als Teenager in die evangelische Jugend kam, hat sich das geändert. Die Kirche wurde für mich zu einem Ort, an dem ich Zugehörigkeit erfahren habe. Es waren dort auch andere Menschen of Color, es wurde nicht gefragt, wer woher kommt, wir waren alle Teil dieser Gemeinschaft. Das war für mich damals ein ganz besonderes Gefühl und wichtig für meine Identitätsbildung.

Inwieweit spielte der christliche Glaube in Ihrer Familie eine Rolle?

Ich komme aus einer evangelischen Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet und bin bei meinen Großeltern aufgewachsen. Mein Opa hat ehrenamtlich Kindergottesdienst gemacht, von daher hat sich Kirche schon immer sehr familiär angefühlt. Gleichzeitig habe ich von klein auf mitbekommen, dass Kirche eine andere Form von Gerechtigkeitsdenken hat. Das habe ich vor allem über die Figur von Jesus gelernt: Er hat an vielen Stellen Reichtum abgelehnt und ist auf Menschen zugegangen, die am Rande der Gesellschaft lebten.

Hat Glaube für Sie immer auch eine politische Dimension?

Mein Glaube ist Teil meiner Identität, genauso wie meine Auseinandersetzung mit Unterdrückungsmechanismen. Das war aber auch ein langer Prozess. Durch meine Familie und die Kirche hatte ich für vieles ein Gefühl, aber konnte es noch nicht in Worte fassen. Das änderte sich, als ich nach der Schule ein Jahr für einen Freiwilligendienst mit der Vereinten Evangelischen Mission nach Tansania gegangen bin. Das hat mich politisiert, weil ich dort Menschen kennenlernte, die eine Sprache für mein Empfinden hatten.

Inwiefern?

Als Schwarze Deutsche in einer ehemaligen deutschen Kolonie zu sein, hat meinen Blick auf die Welt sehr verändert. Ich habe gelernt, wie Eurozentrismus und Kolonialismus bis heute nachwirken. In Begleitseminaren habe ich einen kritischen Blick auf White Savorism gelernt und verstanden, wie europäische Menschen in den Globalen Süden reisen, um dort Menschen zum Objekt ihrer Nächstenliebe zu machen. Diese Form der Entwicklungsarbeit ist ja auch sehr kirchlich geprägt. Es wird dabei zwar gerne von Begegnungen auf Augenhöhe gesprochen, aber Machtdynamiken wirken, wir sind nicht im luftleeren Raum miteinander.

Wie können diese Machtdynamiken durchbrochen werden?

Man kann beispielsweise bestimmte Bilder einfach weglassen. Mit einem Patenkind in Afrika kann man zwar mehr Spenden generieren, denn Rassismus verkauft sich gut, aber man reproduziert ein koloniales Abhängigkeitsverhältnis.

Ein afrikanisches Kind finanziell zu unterstützen ist rassistisch?

Es ist problematisch, weil es lediglich individuell hilft, aber nicht die Struktur ändert. Im Vordergrund steht, emotionale Abhängigkeitsverhältnisse fortzuführen und nicht das System zu verändern. Diese Bilder nicht mehr zu verwenden, kann ein Ansatz sein. Das bedeutet zwar de facto einen Verlust von Spendeneinnahmen, aber wir müssen Strukturen schaffen, in denen Geld auf andere Art und Weise zusammenkommt. Die Vereinte Evangelische Mission macht das zusätzlich über Mitgliedsbeiträge oder Drittmittel.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Warum ist der Vereinten Evangelischen Mission das wichtig?

Als internationale Organisation mit 39 Mitgliedskirchen in Afrika, Asien und Deutschland sind wir stetig dabei, unsere kolonialen Wurzeln aufzuarbeiten. Seit über 30 Jahren durchlaufen wir eine rassismuskritische Organisationsentwicklung und sind seit 1996 auf allen Ebenen paritätisch aufgestellt. Die Deutschen sind in der Minderheit, Entscheidungen werden mit einer Mehrheit aus dem Globalen Süden getroffen. Wir machen Missionsarbeit, die Austausch-, Entwicklungs- und Bildungsprogramme sowie transkulturelle Begegnungen umfasst. Unser Generalsekretär kommt aus Indonesien, meine Abteilungsleiterin aus Kamerun. Wir bewegen uns zwar global in einer monetären Ungleichheit, aber wir sind uns tagtäglich bewusst darüber, dass das koloniale Folgen sind und es auch reichere Kirchen im globalen Süden als in Deutschland gibt, wo die Kirchen stetig schrumpfen.

Die Missionsarbeit ist auch eine Folge des Kolonialismus. Dabei denkt man an weiße Christ:innen, die Menschen aus dem Globalen Süden ihre Religion aufzwangen. Wie definiert Ihre Organisation heute Mission?

Es stimmt: Die Missionsarbeit hat eine problematische Geschichte. Deswegen gibt es immer wieder die Diskussion, ob wir das Wort „Mission“ aus unserem Namen streichen sollten. Das wünscht sich aber meist nur der deutsche Teil der Vereinten Evangelischen Mission. Die Kirchen in Asien und Afrika wollen den Begriff behalten. Sie sehen ihn als Teil der Geschichte und wollen den Begriff über eine gleichberechtigte Zusammenarbeit lieber neu definieren als ganz streichen.

Sie haben in Deutschland Theologie studiert. Gab es dort eine kritische Auseinandersetzung mit kolonialen Strukturen innerhalb der Kirche?

Nein, die Norm war deutschsprachig, männlich und weiß. Das habe ich in meinem Studium auch kaum hinterfragt. Durch meinen darauf folgenden Job in einer multidiversen Jugend-Gemeinde in Essen konnte ich einiges beobachten und habe dann später im Selbststudium rassismuskritische Bücher gelesen und durch die Struktur der Vereinten Evangelischen Mission und meine internationalen Kol­le­g*in­nen und deren Perspektive einiges verstanden. Dabei habe ich gemerkt, dass wir in der Theologie nur diese eine eurozentrische Sicht auf die Bibel gelernt haben. Ich habe dann plötzlich alte Geschichten, die mir noch aus dem Kindergottesdienst vertraut waren, ganz anders gelesen.

Haben Sie ein Beispiel?

Als Erstes denke ich an Hagar, Sara und Abraham aus dem Ersten Testament. Abraham wurden viele Kinder prophezeit, aber Sara konnte nicht schwanger werden. Deshalb musste ihre Magd Hagar als Leihmutter herhalten. Hagar heißt übersetzt aus dem Hebräischen „die Fremde“. Sie musste sich von Abraham schwängern lassen.

Das haben Sie als Kind so hingenommen und später nicht mehr?

Heute würde ich sagen, dass sie sexualisierte Gewalt erfahren hat und eine Sklavin war. Hagar wird permanent von Sara gedemütigt, irgendwann ist es ihr zu viel und sie flieht in die Wüste. Dort begegnet ihr ein Engel Gottes. Das ist eine sehr besondere Begegnung, denn Hagar ist die einzige Person, die Gott einen Namen geben darf. Sie nennt ihn „El Roi“, was übersetzt bedeutet: „Gott sieht mich.“ Das ist eine der biblischen Geschichten, die ich unglaublich bestärkend finde. Denn sie zeigt, dass sich Gott zuerst an der Seite derer sieht, die fremd, unterdrückt und auf der Flucht sind.

Leihmutterschaft, sexualisierte Gewalt, weibliche Sichtbarkeit – das sind alles feministische Themen, die uns heute immer noch beschäftigen. Kann man die Bibel auch feministisch lesen?

Natürlich darf man nicht ausblenden, dass es in der Bibel sehr brutale und antifeministische Aussagen gibt. Aber in der patriarchalen Welt, in der die Bibel entstanden ist, Frauen wie Hagar eine so deutliche Rolle zu geben, spricht dafür, dass wir sie feministisch lesen sollten. Es gibt auch noch andere Beispiele: Es waren Frauen, die als Erstes an Jesu Grab waren. Gott hat ihnen anscheinend zugetraut, dass sie in die Welt gehen und die frohe Botschaft verkünden. Und Jesus ist nach der Auferstehung erst einer Frau begegnet und hat sie gefragt: „Warum weinst du?“ Er hat sich für ihren Schmerz interessiert. Auch an der Stelle, als ihm eine sogenannte Ehebrecherin vorgestellt wird, sagt er: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Diese Szene zeigt, wie Jesus sich damals gar nicht erst auf diese patriarchalen Debatten eingelassen hat. Also, das finde ich alles ziemlich feministisch.

„Die Kirche wurde für mich zu einem Ort, an dem ich Zugehörigkeit erfahren habe. Es waren dort auch andere Menschen of Color, es wurde nicht gefragt, wer woher kommt, wir waren alle Teil dieser Gemeinschaft“

Wie kommt es dann, dass sich etwa die katholische Kirche dem verweigert? Frauen dürfen dort keine entscheidenden Ämter übernehmen, sie sind von der Priesterweihe ausgeschlossen. Missbrauchsfälle werden – in beiden Kirchen – nicht ausreichend aufgearbeitet.

Zur katholischen Kirche kann ich als evangelische Theologin nicht viel sagen. In der evangelischen Kirche beobachte ich aus meiner Perspektive viel. Ich finde es interessant, wie sich eine Institution über Jahrhunderte so weit von ihrem Ursprung entfernt hat. Wenn ich mir etwa das Leben Jesu anschaue, war er nicht reich, hat Wohlstand kritisiert, unbequeme Fragen gestellt, Kritik am System geübt und war mit Menschen unterwegs, die am Rande der Gesellschaft standen. Und dann sehe ich die Kirche: weiß, akademisch und wohlhabend. Kritik wird gegen andere gerichtet, aber es ist wenig Raum für Selbstkritik. Unsere Gesellschaft ist sehr viel diverser als die Menschen, die ich in der Kirche antreffe.

Wie geht es denn anderen BIPoC, also Schwarzen, Indigenen und People of Color, in der Kirche in Deutschland. Stehen Sie da im Austausch?

Wir haben ein kirchliches Netzwerk von BIPoC aus ganz Deutschland gegründet, das sind so rund 100 Leute. Schon diese geringe Zahl bei knapp 20 Millionen Mitgliedern ist ein Symptom davon, wie weiß die Kirche als Institution ist. Die allermeisten schweigen. Sie sagen, mein Job ist es nicht, Anti-Rassismusarbeit zu machen, sondern Pfarrarbeit, Jugendarbeit oder Kirchenmusik. Wenn sie anfangen, Dinge zu kritisieren, und die meisten sind Einzelkämpfer:innen, dann kommen sie nicht mehr zu ihrer eigentlichen Aufgabe. Es würde sie zu viel Kraft kosten, die Abwehrreaktionen auszuhalten. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Netzwerk haben, um uns gegenseitig zu empowern und über Alltagsrassismus auszutauschen. Viele fühlen sich durch den Austausch weniger allein, das ist schön und das gab es vor fünf Jahren noch nicht.

Welche Erfahrungen von Alltagsrassismus werden in diesem Austausch konkret benannt?

Pfarrpersonen of Color berichten etwa, dass beim Abendmahl Menschen nach ihnen nicht mehr aus dem Kelch trinken wollen oder dass sich weiße Menschen nicht neben sie auf die Kirchbank setzen. In Seelsorgegesprächen kommt es vor, dass sich weiße Menschen rassistisch äußern. Das ist besonders herausfordernd. Denn als Seel­sor­ge­r:in jemanden auf seine rassistischen Gedanken hinzuweisen, dessen Mutter gerade gestorben ist, ist im Prinzip unmöglich. Hier bräuchte es innerhalb der Kirche bessere Strukturen, damit diese Pfarrpersonen eine Ansprechperson haben, mit der sie sich über solche Vorfälle austauschen können.

Um Rassismus in der Kirche zu begegnen, haben Sie auch ein Buch mit dem Titel „Wie ist Jesus weiß geworden?“ geschrieben. In der Kirche ist Jesus fast immer weiß abgebildet. Warum hält sich dieses Bild so konsequent?

Zum einen hat das historische Gründe, aber Jesus ist auch eine Figur, die christlich geprägte Menschen von klein auf kennen. Da können sich Menschen sehr schnell angegriffen fühlen, wenn man plötzlich die Hautfarbe ändert. Es ist ein sehr emotionales Thema. Ich stelle ja nicht nur gesellschaftliche Systeme in Frage, sondern ich stelle den Glauben von Menschen in Frage, der auch auf einem rassistischen und diskriminierenden System aufgebaut ist. Und das reizt Menschen nochmal viel tiefer, als wenn es nur um gesellschaftliche Strukturen geht. Deshalb müssen wir schauen, wie wir Räume schaffen können, über diese Emotionalität zu reden. Die Kirche hat die Netzwerke dafür, sie müssen nur genutzt werden.

Wie sieht es in den Mitgliedskirchen bei der Vereinten Evangelischen Mission in Asien und Afrika aus? Ist Jesus da auch weiß?

Es gibt in Afrika und Asien Krippen, wo die Jesusfiguren kontextualisiert sind und Jesus kein weißer Mitteleuropäer mehr ist. Aber es gibt auch dort überwiegend den weißen Jesus in den Kirchen. Das ist eine Auswirkung der Geschichte und hält sich vor allem durch den Kolonialismus sehr stark.

Sie fordern auch eine rassismuskritische Auseinandersetzung mit der Bibel. Wie könnte das aussehen?

Es geht erst einmal darum, bestimmte Geschichten sichtbar und Teil des kollektiven Gedächtnisses werden zu lassen. Denn es gab schon immer Schwarze Widerstandsbewegungen gegen Unterdrückungsregimes, die sich auf die Bibel berufen. Sojourner Truth ist da ein gutes Beispiel. Sie war eine Schwarze, ehemalige versklavte Frau aus dem 19. Jahrhundert, die sich für die Rechte Schwarzer Frauen einsetzte. Es gibt eine Rede von ihr, in der sie davon erzählt, dass Männer behaupten, dass man Frauen immer beim Einsteigen in eine Kutsche helfen sollte. Ihr sei das noch nie passiert, betont sie und fragt: „Bin ich keine Frau?“ In der Rede erzählt sie außerdem, dass die meisten ihrer dreizehn Kinder an Sklavenhändler verkauft wurden. Am Ende sagt sie: „Und wenn ich um sie weinte, hörte mich keiner außer Jesus. Bin ich etwa keine Frau?“ Dass sie damals schon auf diese Form der Mehrfachdiskriminierung hinweist, die in ihrem Glauben nur Jesus sehen kann, macht sie zu einer christlichen Begründerin der Idee von Intersektionalität.

Das heißt, in der Bibel steckt politisches Widerstandspotenzial?

Auf jeden Fall. Ein anderes Beispiel aus der Geschichte belegt das ganz gut: In Zeiten der Sklaverei in den USA gab es für versklavte Menschen eine sogenannte Sklavenbibel. Darin wurden alle Stellen gestrichen, in denen es hieß, dass Gott an der Seite der Unterdrückten steht. Die Sklavenhalter wollten damit verhindern, dass sich die Sklaven zum Widerstand erheben.

Wie ist es bei Ihrer Arbeit: Rennen Sie mit Ihrem Aktivismus für eine rassismussensible Kirche offene Türen ein oder ist der Widerstand groß?

Beides. An unserer vielfaltssensiblen „Alle-Kinder-Bibel“, in der Jesus als PoC abgebildet ist, sehe ich, dass es an der Basis in den evangelischen Gemeinden einen Willen für Veränderung gibt. Wir gehen mit dem Buch jetzt in die sechste Auflage, es wird gut angenommen. Auch die Nachfrage nach Antirassismus-Workshops ist hoch, aber es geht meistens darum, wie man weißen Menschen Rassismus erklären kann. Es ist selten Thema, wie man Strukturen schafft, um Menschen of Color zu empowern.

In Ihrem Buch fordern Sie auch, dass die Bibel weniger individualistisch gelesen werden sollte. Was meinen Sie damit?

Ich habe als Jugendliche gelernt, dass es um die Beziehung zwischen Gott und mir geht. Sich in seinem Glauben nur darauf zu fokussieren, kann aber auch problematisch sein. Natürlich darf ich mich als Mensch von Gott gesehen und geliebt fühlen. Aber in all diesen Beziehungsgeflechten ist es wichtig, die eigene Beziehung zu Gott nicht über das große Ganze zu stellen. Sondern sich auch als Gemeinschaft zu sehen, das fehlt oftmals in unseren westlich geprägten Gesellschaften. In der Ubuntu-Philosophie aus dem südlichen Afrika habe ich gelernt, dass wir vor allem kollektive Wesen sind. Es täte uns gut, wenn wir es als Chris­t:in­nen schaffen würden, das gemeinschaftliche Wohl über das eigene Wohl zu stellen. Auch in der Bibel geht es immer um die Beziehung von Gott zu den Menschen, aber auch um die Beziehung von Menschen untereinander. Es geht um ein Verbundensein.

In welchen Momenten haben Sie dieses Verbundensein besonders gespürt?

In Momenten der Trauer. Menschen im Trauern und am Ende ihres Lebens zu begleiten, das kann Kirche wirklich gut. In unserer Gesellschaft wird Trauer ja gerne eher ausgeblendet. Für mich waren es prägende Erlebnisse, wenn ich Menschen beerdigt, beim Sterben oder Trauern begleitet habe, weil sie so ehrlich waren. Weil vieles von dem, was wir in unserem Alltag als wichtig erachten, dann nicht mehr zählt. Aber auch für mich persönlich waren diese Momente wichtig. Es passiert viel Schlimmes in der Kirche, und sie war nie ein sicherer Ort für alle. Auch das zu betrauern habe ich in der Kirche gelernt. Denn gegen Trauer hilft nur Trauern.

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