piwik no script img

Urteil des BundesgerichtshofsZu strenge Abschiebehaft in Hof

Abschiebehaft soll möglichst wenig gefängnisähnlich sein. 14 Stunden in einer Zelle eingeschlossen zu sein, ist zu viel, sagt der Bundesgerichtshof.

Eine Abschiebungshafteinrichtung in Glückstadt, Schleswig-Holstein Foto: dpa

Karlsruhe taz Die Bedingungen in der Abschiebungshafteinrichtung (AHE) Hof verstoßen gegen die gesetzlichen und europarechtlichen Vorgaben. Dies stellte nun der Bundesgerichtshof (BGH) fest. Die Besuchszeiten müssen ausgeweitet und die Einschluss-Zeiten eingeschränkt werden.

Geklagt hatte ein Algerier, der im Januar 2022 ohne Pass und ohne Aufenthaltsrecht nach Deutschland einreiste. Da er zunächst keinen Asylantrag stellte, wurde sofort seine Zurückweisung nach Algerien angeordnet. Der Mann saß mehrere Monate in Abschiebungshaft und machte geltend, dass diese zu gefängnis-ähnlich ausgestaltet war.

Die bayerischen Behörden und Gerichte wiesen die Kritik zurück. Die AHE Hof sei eine neu gebaute und nach neuesten Standards eingerichtete Abschiebungshaftanstalt, die sowohl baulich als auch organisatorisch vom Gefängnis in Hof getrennt sei. Um das Gebäude verlaufe keine hohe Betonmauer, so die Behörden, sondern nur ein Drahtzaun. Die Zellen würden schon um 9 Uhr morgens geöffnet und erst um 19 Uhr geschlossen. Bezugspersonen könnten die Abschiebehäftlinge bis zu vier Stunden pro Monat besuchen.

Der Bundesgerichtshof hielt dies aber für ungenügend und erinnerte an die rechtlichen Vorgaben für Abschiebungshaft, die sich aus der BGH-Rechtsprechung und Urteilen des Europäischen Gerichtshofs ergeben. Danach muss sich der Zwang in der Abschiebehaft auf das Maß beschränken, „das unbedingt erforderlich ist, um ein wirksames Rückkehrverfahren zu gewährleisten“. Es sei „so weit wie möglich“ zu vermeiden, „dass die Unterbringung einer Inhaftierung in einer Gefängnisumgebung gleichkommt, wie sie für eine Strafhaft kennzeichnend ist.“

Beanstandet wurde vom BGH insbesondere der 14-stündige Einschluss in den Zellen von 19 Uhr bis 9 Uhr. Dies sei in der AHE Hof strenger als in vielen anderen Abschiebehaft-Einrichtungen, wo der Einschluss nur für die Zeiten üblicher Nachtruhe von 22 Uhr bis 7 Uhr vorgesehen ist. Auch die Beschränkung von Besuchen auf vier Stunden pro Monat gehe über das unbedingt Erforderliche hinaus. Konkrete Vorgaben für eine zulässige Besuchsregelung machte der BGH nicht.

Das Urteil des BGH stammt bereits vom 26. März und wurde jetzt vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst veröffentlicht. Die Entscheidung ist rechtskräftig und muss deshalb von der AHE Hof sofort umgesetzt werden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • und, haben sie die angeordneten maximalen Einschlusszeiten sofort umgesetzt?

    Wie ist die Besuchsregelung jetzt?

    Warum gibt es dafür überhaupt eine Beschränkung während der "Nichteinschlusszeiten"?

  • Wie schön, dass der BGH auch in Bayern einen Bildungsauftrag wahrnimmt und den dortigen Behörden sagt was Recht ist und was nicht.

    Schade nur, dass die Entscheider der AHE weder an den Kosten beteiligt werden noch dass deren Unkenntniss der Rechtslage Auswirkungen auf deren Beschäftigungsverhältnis haben.