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Zustand der AmpelAuf Eigentore spezialisiert

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Es hat sich der Eindruck festgesetzt: Alles aus Berlin ist Mist. Und mit dem Haushaltsstreit steuert die Ampel auch noch auf Neuwahlen im Herbst zu.

Das Ampel-Team mit dem Sportgerät der Stunde: Habeck, Scholz und Lindner am Ball Foto: Michael Kappeler/dpa

W eil sich gerade alles um Sport dreht, sei das Bild erlaubt: In der Politik ist es wie im Fußball. Gewinnt die Nationalmannschaft, sind sie die Helden. Verliert sie, sind das alles Loser. Hopp oder topp eben. Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP ist aktuell eindeutig der Loser. Alles, was aus Berlin kommt, ist Mist!

So sehen es die Wähler:innen, die die Ampelparteien bei der Europawahl abgestraft haben. Die Frage ist gegenwärtig nicht mehr, ob diese Koalition es schafft, das Spiel zu drehen, sondern, ob sie es überhaupt zu Ende bringt.

Der Haushalt fürs kommende Jahr wird zum Prüfstein. Platzen die Verhandlungen, gibt’s womöglich im Herbst Neuwahlen mit besten Aussichten auf einen Kanzler Friedrich Merz und einem Innenminister Jens Spahn. Na, steigt die Vorfreude?

Verklärung der Groko

Man ahnt, dass eine andere Regierung womöglich auch nicht zaubern wird. Die in der Rückschau verklärte Groko gab sich zwar prima Klimagesetze, ließ aber offen, wie sie diese erreicht. Die Ampel hat es immerhin geschafft, einige der speziell von der Union eingebauten Blockaden zu lösen, der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat Tempo aufgenommen.

Und ja, die Ampel hat Deutschland auch ganz gut durch die erste Krisenwelle gelotst, die Russland mit dem Überfall auf die Ukraine auslöste. Keine Blackouts, kein Gasmangel, der Staat bezahlte einen Teil der Energierechnung, der Arbeitsmarkt blieb stabil.

Krisenbewältigung und Modernisierung, die Ampel versucht alles gleichzeitig. Dabei passieren Fehler. Ein Heizungsgesetz etwa, das Hausbesitzer wie vermögende Immobilieneigner behandelte. Fehler, die zum Teil korrigiert wurden. Dennoch bleibt in der Summe hängen: Die Ampel hat den Kontakt zur Realität verloren.

Kompetenzabsturz der SPD

Ein Drittel der Wähler:innen, die bei der Europawahl die AfD ankreuzten, schätzt die eigene wirtschaftliche Situation als schlecht ein. Die SPD erlebte einen Kompetenzabsturz im Sozialen. Der von ihr geführten Koalition gelingt es offensichtlich nicht, den notwendigen ökologischen Umbau mit der sozialen Komponente zu verbinden.

Aktuell scheitert sie zudem daran, die Sehnsucht nach Frieden mit der Notwendigkeit, Waffen an die Ukraine zu liefern, zu verknüpfen. Populisten fällt es leicht, daraus Gegensätze zu konstruieren: Klimaschutz oder bezahlbares Leben. Krieg oder Frieden.

Dabei war die Ampel mit dem Anspruch angetreten, dass Zusammenhalt und Fortschritt auch bei unterschiedlichen Sichtweisen gelingen können. Doch aktuell scheint schon die Anforderung zu hoch, einen Haushalt hinzubekommen. Die Ampel ist kein Team, sondern eine Mannschaft aus lauter Einzelspielern, mit jeweils eigenen Plänen fürs Toreschießen. Solche Teams können nur verlieren. Kennt man vom Fußball.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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8 Kommentare

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  • Public Schlammschlachten



    Wieso kann diese unsägliche Ampel ihre Konflikte nicht hinter verschlossenen Türen austragen und anschließend geeinigt in der Öffentlichkeit auftreten.



    Diese "public Schlammschlachten" in den Medien, in der der eine über den anderen herzieht, schadet allen drei Parteien und hinterlässt einen Eindruck von Unfähigkeit und Unsicherheit im Volk. Alle drei Ampelpartner sind an diesem Malheur in gleichem Maße schuldig. Hinzu kommt noch ein schweigender, Charisma-befreiter Bundeskanzler, der dem Volk entfernt und fremd erscheint.



    Merz und die AfDummheit haben ein einfaches Spiel: Einfach zurück lehnen und zuschauen, wie immer mehr angewiderte Ampelwähler zu ihnen kommen. Das kann es doch nicht sein.

  • Wie wäre es mit:



    "Wir liefern Waffen, bieten Putin aber an: Keine weitere NATO-Osterweiterung, weder direkt noch de facto."



    Dahinter könnte sich dann als Kompromiss ein großer Teil der Bevölkerung sammeln.



    Oder:



    "Wir machen Klimaschutz. Dafür nimmt der Transformationsfonds 500 Milliarden Euro auf. Klimaschutz durch Investitionen Der CO2-Preis steig stetig, wird aber jährlich oder halbjährlich ausgeglichen durch Klimageld".



    Auch dahinter könnte sich eine Mehrheit sammeln.

    • @Kartöfellchen:

      Linke Tasche, rechte Tasche - mit Verlust.



      Klimageld heißt es dem Volke nehmen um es dem Volke wieder zu geben.



      Dabei werden aus 1€ dann 60 Cent, weil die Verwaltung 40 Cent/Euro kostet.

  • Es wird alles nichts ohne Geld und da sind FDP und Schuldenbremse davor. Deutschland erntet die Saat des Neoliberalismus, gedüngt mit Diktatorenschmusen. Das exportabhängige Wirtschaftsmodell ist zudem nicht nachhaltig.

    • @My Sharona:

      "Diktatorenschmusen", diese Ampel?



      Erklären sie das bitte.

  • Dieser Eindruck ist deswegen so massiv präsent, weil die meisten leute keine vorstellung davon haben, was wir alles für konflikte bewältigen müssen, um es endlich für alle gut zu machen.



    und genau deswegen, weil alle teil des problems und der lösung sein müssen, läuft die nummer auch so schlecht. bzw vermeintlich schlecht.



    denn viele sehen im konflikt nicht die lösung, sondern nur den tod. doch wer den konflikt überwinden will, der muss eben manchmal kämpfen, denken und dinge tun, die er sonst nicht tut.



    und so offenbart sich einem die inkompetenz, trägheit und überfordertheit der massen und jedes einzelnen.

    Wir sind zu oft unfähig einen zusammenhang zu schaffen zwischen wirtschaftswachstum, wissenschaft, moral und glück. wir sind zu oft unfähig, die ganzen sozialen räume präzise zu erkennen und damit zu arbeiten - in konflikt- oder friedenszeiten.



    all das is nicht neu, doch es muss endlich klar formuliert und wiederholt werden, wenn wir die soziale inkompatibilität und inkompetenz in den griff bekommen wollen.



    anstatt uns jede generation darüber zu wundern, wie unsicher und frustriert wir mit den immer selben problemen sind und wie wenig wir drüber wissen.

  • Es ist natürlich unwahrscheinlich, eine andere Meinung haben zu dürfen, allerdings war eine SPD Umweltministerin für das bessere Klimaschutzgesetz verantwortlich, das unter einer grünen Ministerin verwässert wurde.



    Was die Ampel betrifft, so gab es vor einem Jahr mal einen Artikel, der lautete, "besser als Ihr Ruf", das war gefühlt die einzig konstruktive Kritik, seit Beginn der Legislaturperiode.



    Da ist es natürlich konsequt, wenn die Medien sich über die schlechte Außenwirkung der Ampel beklagen.



    Nun stehen uns also Neuwahlen ins Haus?



    Wie bereits erwähnt, kann ich das kaum glauben, da keine der Ampelparteien davon profitieren würde.



    Hinzu kommt, dass Merz, der vom Kanzleramt träumt, bei einem Ergebnis wie bei der EU Wahl schon mit Mehreren, z. B. den Grünen und der SPD koalieren müsste, um eine Mehrheit zu erhalten.



    Es ist kaum vorstellbar, dass eine solche Konstellation regierungsfähig wäre.



    Abgesehen davon will kaum EinEr Merz als Kanzler.



    Für Land und Gesellschaft wäre dies, in jeglicher Hinsicht, ein Rückschritt.



    Ich hoffe hingegen, dass wir weiterhin Fortschritte in Umweltschutz- und Gesellschaftsfragen machen.

  • Das trifft den Punkt ziemlich genau. Keine Teamplayer nur Einzelspieler. Vermutlich ist die Öffentlichkeit gerade davon genervt. An der Politik allein kann es eigentlich nicht liegen, da wurden einige Krisen relativ gut gemanagt. Nur von einer Regierung erwartet man zurecht eine etwas professionellere Aussendarstellung und von einem Kanzler eine klare Kommunikation und kein "Nö".

    Das viele einer CDU geführten Regierung nicht eine bessere Arbeit zutrauen zeigen die Umfragen. Aber vielleicht hat die Bevölkerung in dieser Hinsicht gedanklich schon soviele Abstriche gemacht, dass sie froh ist wenn die Regierung sie mit ruhigen Kurs durch schwierige Zeiten steuert. Das wäre dann quasi Merkel reloaded und wahrscheinlich Reformstillstand, zumindest in punkto Klimawandel.