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Die Kunst der WocheIm Verhältnis der Bauten

Kipppunkte der Un-/Sicherheit mit Tamuna Chabashvili und Sabine Hornig. Jean Molitor fotografiert die Architekturgeschichte der afrikanischen Moderne.

Blick in die Ausstellung „Patterns of (In)Security II“ von Tamuna Chabashvili und Sabine Hornig Foto: Stephanie Kloss; © Die Möglichkeit einer Insel + die Künstlerinnen

D as Zusammenspiel ist delikat. Harter Stahl und fließender Stoff treffen im Projektraum „Die Möglichkeit einer Insel“ aufeinander, zwei Räumen im Erdgeschoss eines Plattenbaus in Berlin Mitte. Die Berliner Künstlerin Sabine Hornig arbeitet mit Stahl, die in Tiflis und Amsterdam lebende Tamuna Chabashvili mit bedruckten Stoffen und Seilen, die quer durch den Raum gespannt sind oder einfach von den Wänden hängen.

Beide Künstlerinnen greifen in den Raum ein; ganz deutlich Sabine Hornig mit ihrer Arbeit „Wahlkabine“, zwei identischen Metallkonstruktionen, die der Bewegung im Raum Grenzen setzen. Denn der Projektraum kann nun nicht mehr von innen, sondern nur noch von außen, von der der Straße her, betreten werden. Die Metallarbeiten bilden die Fugen einer Ziegelmauer nach, sind also weitgehend transparent und erinnern im Stil an teure, geschmiedete Balkongitter, modernistisch im Muster und erst einmal unbegreiflich in der Form.

Tatsächlich bilden sie eine Kabine, was aber durch die Transparenz zunächst schwer zu erkennen ist. Bewegt man sich dann an den Gittern entlang, steht man schließlich in der besagten Wahlkabine, vor sich – wie es sich gehört – ein kleiner Tisch, der allerdings ein Spiegel ist. Will man hier seine Stimme abgeben? So von allen Seiten einsehbar und gespiegelt? Wahrscheinlich stört dieses Kontrollregime qua Transparenz weniger Menschen als man annehmen möchte.

Die berechtigte Sorge, mit der die Künstlerin auf die politische Landschaft blickt, in der ihre Wahlkabine zum Einsatz kommt, zeigt sie in ihrer Fotografie vom Eingang eines Bürogebäudes in Los Angeles. Dessen nicht ganz bildfüllende Sandsteinfassade ziert der Schriftzug „National Center For the Preservation of Democracy“, während am rechten Bildrand in der gläsernen Eingangstür das Schild „Closed“ hängt.

Die Stofffahnen von Tamuna Chabashvili könnte man zur Seite schieben, um den Weg freizumachen – sofern man sich traute. Es sind die Muster, die die Stoffe zieren und den fließenden, leichten Stoff zur festen Barriere machen. Die Muster machen die Stoffe zu Bildern, und vor Bildern hält man inne. Bilder gebieten Achtung und Aufmerksamkeit, man schiebt sie nicht einfach beiseite.

In Chabashvilis Muster meint man einmal Reifenspuren zu erkennen, ein andermal das Schattenspiel eines Maschenzaundrahts, dann wieder möchte man im regelmäßigen Raster ornamentaler Rossetten tatsächlich abstrahierte Blüten sehen. Es drängt sich der Eindruck auf, die Textilbilder handelten, wenn nicht vom Eingekreist sein, dann vom Eingesperrt sein. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die quer durch den Raum gespannten Seile. Dem entgegen steht allerdings das Material der fast transparenten Stoffe, ihre Leichtigkeit.

Auch Sabine Hornig hat gerne mit der Halbtransparenz des Drucks auf Stoff oder Glas gearbeitet. Man erinnert sich an ihren Fotodruck der Skyline von Manhattan im Terminal B des La Guardia Airports in New York. Insofern ist die Paarung der Künstlerinnen in der Ausstellung „Patterns of (In)Security II“, deren ersten Teil die Kunsthalle Tiflis im vergangenen Jahr präsentierte, stimmig.

Wenn beide Künstlerinnen die Muster von Sicherheit und Schutzlosigkeit im alltäglichen Raum untersuchen, so tut dies Tamuna Chabashvili nun mit eher malerischen und Sabine Hornig mit skulpturalen Mitteln. Beide arbeiten jedoch sehr genau und subtil die Kipppunkte heraus, an denen Sicherheit in Unsicherheit und gefährliche Kontrolle umschlägt oder umgekehrt, das vermeintlich Schwache, Weiche und Biegsame Schutz und Halt bietet. Dass und wie ihre Konstruktionen neue Wege bahnen und alte verstellen, ist auch als Kommentar und Kritik an den gegenwärtigen Verhältnissen zu verstehen.

Bauten der Moderne

Die weltweite Dokumentation der Bauten der Moderne ist das große Projekt von Jean Molitor. Damit verbunden ist die Anstrengung, die oft leerstehenden Bauwerke vor dem Abriss zu bewahren und die Erinnerung an ihre Geschichte wach zu halten.

Jetzt zeigt der Fotograf in en Ausstellungsräumen des Freundeskreis Willy-Brandt-Haus seine Aufnahmen der modernistischen Architektur in Afrika, genauer in den Ländern Äthiopien, Burundi, Ghana, Kenia, Kongo, Marokko, Mosambik, Nigeria, Rwanda und Uganda. Die fotografierten Glas-, Stahl- und Stahlbetongebäude des International Style entstanden in der Zeit von 1930 bis 1970. Molitor nimmt sie in den frühen Morgenstunden auf, wenn die Straßen und Plätze noch menschenleer sind und er rückt sie dann als Solitäre wie Skulpturen ins Bild.

Bevölkert sich in den folgenden Stunden die Stadt, dann erweist sich Jean Molitor als talentierter Street Photographer, der neugierig ist auf das, was die Menschen bewegt, der sie in ihrem Alltag kennenlernen will und auf diese Weise jahrzehntelange Freundschaften geschlossen hat. Und er zeigt sich schließlich auch als nicht minder großartiger Porträtist, wie die hinreißenden Aufnahmen der Schülerinnen und Schüler belegen, die er auf seiner Reise mit den Bands Etran Finatawa und Mamane Barka durch verschiedenen westafrikanische Staaten getroffen hat.

Molitor hat diese Reise auch gefilmt. Das Video ergänzt eine historische Architekturdokumentation und die Schautafeln zu Shared Heritage Africa. Im Rahmen dieses Forschungs-, Schreib- und Fotoprojekts haben neun Sti­pen­dia­t:in­nen aus Ghana, Nigeria und Uganda moderne Bauten aus der Zeit zwischen 1950 und 1970 nicht nur dokumentiert, sondern auch ihre politische und gesellschaftliche Bedeutung untersucht, zunächst als kolonialer Import der Architekturmoderne und später als selbstbestimmter Baustil in den vom britischen Empire unabhängig gewordenen Ländern.

Deshalb ist es auch wichtig, die Architekten der modernistischen Bauten ausfindig zu machen. Wann kommen die lokalen Architekten ins Spiel? Welche Geschichte erzählen die Bauhäusler, die in Afrika bauten? Welche die italienischen Architekten des Razionalismo, die zur gleichen Zeit in Asmara in Eritrea das neue Rom auferstehen lassen wollten? Was ist die Geschichte von Hannah Schreckenbach, die in den 1970er Jahren in Ghana arbeitete und als Expertin für den nachhaltigen Hausbau mit Lehm und gemeinschaftsorientierte Architektur gilt?

Jean Molitor nennt seine Ausstellung „Auf Augenhöhe – Afrika und seine Moderne“. Das Motto beansprucht zunächst Gültigkeit für seinen künstlerischen Ansatz, nämlich mit den Afri­ka­ne­r:in­nen ihre Moderne zu sehen und zu verstehen, statt sie zu ästhetisieren und über sie zu belehren. Dann aber ist das Motto auch eine Einladung an die Besucher, sich auf dieses spannende Angebot einzulassen.

Nicht nur zu sehen, wie es Jean Molitor gelingt, bemerkenswerte Architekturen in wunderbaren Fotografien festzuhalten, sondern auch zu sehen, wie er sie überhaupt findet und wie das Entgegenkommen und die Gastfreundschaft der Menschen in Accra, Lagos und all den anderen Millionenstädten Afrikas, aber auch der gemeinnützigen Organisation DOCOMOMO, die das Project „Shared Heritage Africa“ fördert, dabei helfen und dafür notwendig sind.

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