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Demos gegen rechts„Ich musste was tun“

Als Reaktion auf steigende Zustimmungswerte für die AfD haben sich an vielen Orten Initiativen gegen rechts gegründet. Zwei Initiatorinnen erzählen.

An vielen Orten in Deutschland engagieren sich Menschen gegen rechts Foto: Stefan Boness/Ipon

„Wir lassen die Omas nicht mehr aus dem Griff“

Monika Linden, 62, hat am Samstag eine Menschenkette gegen Rassismus und Gewalt auf dem Kaiserplatz in Düren organisiert

Ich bin eine erfahrene Demo-Oma. Ich habe schon gegen Atomkraftwerke demonstriert, ich habe mich auch schon mal wegtragen lassen, aus Protest gegen die Stationierung von atomaren Spreng­köpfen in Nordrhein-Westfalen.

Foto: privat

Die Gründung der Omas und Opas gegen rechts in Düren ist meine erste Aktion gegen Rechtspopulismus. In den letzten Jahren habe ich in der Politik, aber auch bei Menschen in meinem Umfeld öfter so Sätze gehört wie „Ausländer raus“. Als ich im Januar die Correctiv-Recherche zum Potsdamer Geheimtreffen (von Neonazis und AfD-Politikern; Anm. d. Red.) las, war für mich ein Wendepunkt erreicht. Ich musste was tun. Ich wollte zu keiner Partei und dachte: Ich bin alt, ich habe nichts zu verlieren, ich gründe selbst etwas.

Nach einem Aufruf zum Mitmachen in unserer Lokalzeitung habe ich einen Tisch in einem Restaurant reserviert. Für 10 Leute, viel mehr tauchen da eh nicht auf, dachte ich. Gekommen sind 56 Omas und Opas. 56! Ich war geflasht. Mittlerweile sind wir um die 30, die jeden Samstag zusammen zur Demo „Es ist 5 vor 12 – Zeit für Demokratie“ in Düren gehen. Ich kann leider nicht immer, als Oma habe ich am Wochenende auch mal Enkeltochterdienst. Aber ein paar Omas sind immer dabei. Für viele Dürener sieht ein typischer Samstag inzwischen so aus: Morgens auf den Markt, danach wird demonstriert und anschließend zusammen eine Tasse Kaffee getrunken.

Trotzdem, die Leute sind nicht mehr so aufgebracht wie im Winter, direkt nach der Correctiv-Aufdeckung. Die Empörung ebbt ab. Deshalb haben wir schon Aktionen nach der Europawahl geplant, um den Kontakt zu den Omas und Opas nicht zu verlieren. Wir wollen Stolpersteine putzen und besuchen die Kriegsgräber im Hürtgenwald. Damit wir uns unabhängig von Wahlen besser vernetzen. Wir lassen die Omas nicht mehr aus dem Griff. Neben dem wachsenden Rechtspopulismus in Europa ist das drängendste Thema der Wahl für mich die Klimapolitik. Es geht um die Zukunft meiner Kinder und meiner Enkelin. Und wer weiß, vielleicht gibt es in Düren auch bald die Omas und Opas für Klimaschutz.

„Es ist echt schwierig, junge Leute zu mobilisieren“

Lilly Gramann, 18, hat am Samstag das Musikfestival „Bienenbüttel rockt bunt“ in der Lüneburger Heide auf die Beine gestellt

In meiner Gemeinde Bienenbüttel wohnen zwei völkische Großfamilien, die an Hitlers Geburtstag Reichsflaggen vor ihren Häusern hissen und an rechten Ferienlagern teilnehmen. Ich selbst bin einige Jahre mit einem Mädchen aus einer völkischen Familie in die Schule gegangen. Zum Teil werden die Familien akzeptiert oder sogar verteidigt, weil sie sich hier in Vereinen enga­gieren.

Viele Menschen in Bienenbüttel wissen gar nicht, was für rechtsextremes Gedankengut in diesen Familien gelebt wird. Um das zu ändern, haben wir letztes Jahr die Gruppe „Bienenbüttel summt bunt“ gegründet. Unser Ziel ist es aber nicht nur, über rechte Ideologien aufzuklären. Wir werben für ein anderes Bienenbüttel, das für ein solidarisches und vielfältiges Weltbild steht.

Foto: privat

Am Anfang haben wir ein Selbstverständnis formuliert. Das haben wir ausgedruckt und in der Arztpraxis und in mehreren Läden ausgelegt. So sind wir schnell gewachsen. Den Demo-Aufschwung in ganz Deutschland nach der Correctiv-Recherche im Januar haben auch wir gespürt. Im März haben hier fast 400 Leute gegen rechts demonstriert. So eine große Demo habe ich in Bienenbüttel noch nie gesehen.

Als bunte Initiative auf dem Dorf bekommen wir aber nicht nur positive Reaktionen. Für das Konzert am Samstag haben wir ei­ne*n Ton­tech­ni­ke­r*in gesucht und bekamen einen Kontakt. Am Telefon hieß es dann: Ich bin rechts, bei sowas mach ich nicht mit. Zum Glück ist das die Ausnahme.

Ein paar Su­per­markt­mit­ar­bei­te­r*in­nen im Ort haben für das Konzert sogar extra ihre Schichten getauscht, um dabei sein zu können. So etwas zu hören, ist total schön.

Auf der anderen Seite ist es echt schwierig, junge Leute in meinem Alter zu mobilisieren. Viele interessieren sich nicht für politische Themen, nicht einmal für die völkischen Sied­le­r*in­nen in ihrer Nachbarschaft. Nicht nur wegen der Europawahl, auch deshalb haben wir das Konzert auf den Samstag gelegt. Am selben Tag fand im Dorfzentrum vorher nämlich ein Familienfest statt. So wollten wir Leute erreichen, die sonst nicht zu ­einem Konzert für ein buntes Europa ­gekommen wären.

Protokolle: Aaron Wörz

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