EZB senkt die Zinsen: Zu wenig Geld und noch zu teuer

Die EZB will Geld billiger machen und senkt deshalb den Leitzins. Die kränkelnde deutsche Wirtschaft heilt das noch nicht.

EZB-Präsidentin Lagarde.

EZB-Präsidentin Lagarde bei einer Pressekonferenz am 6. Juni in Frankfurt Foto: Wolfgang Rattay/reuters

Der Auftritt von Christine Lagarde diese Woche war reine Formsache. Die Welt der Öko­no­m*in­nen und Fi­nanz­be­richt­erstat­te­r*in­nen erwartete seit Wochen, was die Chefin der Europäischen Zentralbank gemeinsam mit ihrem Stellvertreter endlich verkündete: Die EZB senkt den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent: Geld wird wieder billiger. Die Inflation ist gesunken, die „Zuversicht ist in den vergangenen Monaten gestiegen“, begründete Lagarde die Entscheidung.

Ein sinnvoller Schritt in die richtige Richtung. Das muss die Zentralbank wohl auch glauben. Sie kündigte die Zinswende ungewöhnlich offen bereits Wochen vor der offiziellen Pressekonferenz in Frankfurt an. Die EZB steuert die Geldpolitik im Euroraum. Ihr Ziel ist es, die Preise für zum Beispiel Lebensmittel und Dienstleistungen in Euroländern stabil zu halten. Dafür müssen die Preise nur langsam steigen, das ist der Fall bei einer Inflationsrate von 2 Prozent.

Auch ein Leitzins von 4,25 Prozent ist hoch. Die Geldpolitik bleibt restriktiv und wirkt somit dämpfend auf die wirtschaftliche Lage

Schaut man sich die vergangenen zwei Jahre an, war genau das Gegenteil der Fall. Es klaffte eine große Lücke im Portemonnaie: Die Preise stiegen aufgrund von hohen Energiepreisen in Folge des russischen Angriffskriegs gegen die ­Ukraine. In Deutschland lagen die Inflationsrate im Jahr 2023 bei 5,9 Prozent. Im Jahr zuvor lag sie 1 Prozentpunkt da­rüber. Preisstabilität sieht anders aus. Die EZB wollte dem entgegenwirken und erhöhte den Leitzins, nach langjährigem Nullzins – und das insgesamt zehnmal.

Wer sich also Geld bei der EZB leiht, muss seit Herbst 2023 mindestens 4,5 Prozent draufzahlen. Betroffen davon sind im ersten Schritt die sogenannten Geschäftsbanken, bei denen Kun­d*in­nen Kredite aufnehmen. Die Konditionen der EZB geben die Banken an ihre Kun­d*in­nen weiter. Andersherum ist es auch möglich, dass Geschäftsbanken Geld bei der EZB einlagern und dafür Zinsen erhalten. Auch der sogenannte Einlagenzins sinkt um 0,25 Prozent.

Keine Trendwende in Sicht

Hohe Zinsen sorgen dafür, dass sich sparen lohnt, Kredite teurer sind und weniger investiert wird. Das dämpft die Wirtschaft und senkt die Inflationsrate. Und genau aus diesem Grund waren die bisherigen Zinsentscheidungen der Zentralbank auch völlig richtig: Die Inflationsrate ist gesunken. Aber: Die wirtschaftliche Lage hat unter der Inflation gelitten. Billigeres Geld soll nun dafür sorgen, dass wieder mehr investiert und weniger gespart wird.

Für die Ver­brau­che­r*in­nen hat die Entscheidung der EZB schon ­Folgen gehabt. In der Finanzwelt wird oftmals im Voraus gehandelt, die Erwartung auf eine Zinssenkung hat dazu geführt, dass Geschäftsbanken die Zinsen für Kredite bereits gesenkt haben. Für Leute, die Geld leihen müssen, eine gute Nachricht, für Sparer weniger optimal. Auch die Immobilienkredite reagierten bereits im Herbst 2023 auf mög­liche Veränderungen des Leitzinses und fielen um etwa 1 Prozentpunkt.

Eine Trendwende steht uns trotzdem nicht bevor: Auch ein Leitzins von 4,25 Prozent ist weiterhin hoch. Einige Öko­no­m*in­nen fordern weitere Zinssenkungen um insgesamt 1 Prozent bis zum Jahresende. Doch selbst, wenn die Forderung umgesetzt wird, bliebe die Geldpolitik restriktiv und wirkte somit dämpfend auf die wirtschaftliche Lage. Wie wahrscheinlich weitere Zinssenkungen sind, lässt Lagarde offen, man wolle sich nicht auf einen bestimmten Zinspfad festlegen, sagte sie auf der Pressekonferenz.

Zuletzt bereiteten die weiterhin hohen Preise im Dienstleistungssektor Öko­no­m*in­nen einige Kopfschmerzen. Dabei wären weitere Senkungen besonders für Deutschland eine gute Nachricht. Ein konjunktureller Aufschwung wäre hierzulande erfreulich. Zu dem weiterhin hohen Leitzins kommt stattdessen außerdem die fehlende deutsche Einsicht, wie wichtig staatliche Investitionen zu diesem Zeitpunkt wären.

Inspiration für den Finanzminister

Finanzminister Christian Lindner hält weiterhin die Hand über dem Geld und will ja nicht die Schuldenbremse anfassen. Das ist sehr bedauerlich, denn die niedrigen Zinsen bedeuten auch, dass Deutschland weniger Geld für seine Schulden zahlen muss. Bisher waren die zu hohen Zinsen ein Argument für Lindners Untätigkeit. Die EZB löste sich mit ihrer Zinsentscheidung erstmalig von der bisherigen Taktgeberin, der amerikanischen Zentralbank, Federal Reserve System, bekannt als Fed.

Da die wirtschaftliche Lage in den USA blumiger scheint als die europäische – man war dort weniger abhängig von russischem Gas –, bleiben die Zinsen hoch. Mit dem wünschenswerten Kurs der EZB, den Leitzins weiter zu senken, würde man sich von der Fed abkoppeln. Das sollte Inspiration sein für unseren Finanzminister, damit er sich mutig von seinen überholten Prinzipien löst.

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Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. Seit Oktober 2023 Taz-Volontärin.

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