Urteil für Radio Dreyeckland: Link war legal

Der Journalist Fabian Kienert stand vor Gericht, weil er auf das Archiv linksunten.indymedia verlinkt hat. Jetzt wurde er freigesprochen.

Blick in ein Radiostudio.

Studio von Raio Dreyeckland in Freiburg Foto: Andree Kaiser

KARLSRUHE taz | Das Landgericht Karlsruhe hat den Freiburger Journalisten Fabian Kienert freigesprochen. Der Redakteur des linksalternativen Radiosenders Radio Dreyeckland (RDL) war angeklagt, weil er durch einen bloßen Internetlink die Fortführung einer verbotenen Vereinigung unterstützt habe. Das Gericht stellt nun aber fest, dass ein Fortbestand der Vereinigung überhaupt nicht belegt ist. Außerdem sei Kienerts Link keine strafbare Unterstützungshandlung gewesen.

Kienert hatte im Juli 2022 auf der RDL-Webseite einen kurzen Artikel veröffentlicht, in dem es um die seit 2017 verbotene linksradikale Agitationsplattform linksunten.indymedia ging. Der Text endet mit dem lapidaren Satz: „Im Internet findet sich linksunten.indymedia.org als Archivseite.“ Dabei war die Archivseite auch verlinkt. Wegen dieses Links hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe im Januar 2023 Kienerts Wohnung durchsucht und im April 2023 Anklage gegen ihn erhoben. Kienert habe durch den Link die Fortführung der verbotenen Vereinigung linksunten.indymedia unterstützt, was laut Paragraf 85 des Strafgesetzbuches strafbar ist. Kienert drohten bis zu drei Jahre Freiheitsentzug oder eine Geldstrafe.

Das Landgericht Karlsruhe hat Kienert nun aber nach einem mehrwöchigen Prozess in vollem Umfang freigesprochen. Er bekommt auch eine kleine Entschädigung für die Wohnungsdurchsuchung und die Beschlagnahme seines Laptops. Der Vorsitzende Richter Axel Heim stützte den Freispruch auf zwei Begründungsstränge und betonte, dass jede Begründung für sich eine Verurteilung verhinderte.

Die zwei Gründe

Kienert konnte schon deshalb nicht wegen Unterstützung von linksunten.indymedia verurteilt werden, weil das Fortbestehen der Vereinigung nach dem Verbot 2017 nicht nachgewiesen werden konnte. Dass seit 2020 ein Archiv der rund 70.000 Postings im Internet frei verfügbar ist, sei kein Beleg für den Fortbestand, so Richter Heim, „dass es ein Denkmal gibt, heißt nicht, dass die Vereinigung noch besteht“.

Es sei auch nicht erwiesen, dass die ehemaligen Betreiber von linksunten.indymedia das Archiv selbst veröffentlicht haben, dies könnten auch Sympathisanten gewesen sein. Der Aufwand und die Kosten seien nicht allzu groß, habe ein Sachverständiger festgestellt. Das Archiv sei schon deshalb keine Fortführung der Plattform, weil hier nur alte Postings gelesen werden können und keine neuen Postings möglich sind, so Richter Heim.

Der Journalist hat in dem Artikel nicht als „Sprach­rohr“ der verbotenen Vereinigung gewirkt

Doch selbst wenn linksunten.indymedia fortbestehen würde, wäre Kienerts Artikel nicht strafbar gewesen, betonte der Richter. Kienert habe eine Kurzmeldung über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen mutmaßliche Betreiber von linksunten.indymedia verfasst und am Ende „als Service für die Leser“ das Archiv von linksunten.indymedia verlinkt. Die Internetadresse sei aber nicht geheim, sondern allgemein bekannt, weil sie mit dem Namen der verbotenen Vereinigung identisch ist.

Dass Journalist Kienert das Verbot von linksunten.indymedia offensichtlich kritisch sehe, mache seinen Beitrag nicht zur Unterstützung. Die im Grundgesetz garantierte Pressefreiheit schütze gerade kritische Berichterstattung. „Es muss möglich sein, ein Verbot zu kritisieren, ohne wegen Unterstützung des Verbotenen verurteilt zu werden“, erkärte der Vorsitzende Richter. „Auch wer das Verbot einer Partei ablehnt, macht sich damit nicht unbedingt mit dieser Partei gemein.“ Der Journalist habe in seinem kurzen Artikel nicht als „Sprachrohr“ der verbotenen Vereinigung gewirkt. Wie ein bestellter Werbeartikel habe der Text auf unbeteiligte Beobachter nicht gewirkt, so Richter Heim.

Der Freispruch ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft kann noch Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. „Ich würde mich sehr wundern, wenn die Staatsanwaltschaft einen so wasserdichten Freispruch nicht akzeptiert“, sagte Angela Furmaniak, die Verteidigerin Kienerts. Staatsanwalt Manuel Graulich will zunächst die schriftliche Urteilsbegründung prüfen.

Transparenzhinweis: Der Autor ist rechtspolitischer Korrespondent dieser Zeitung und produziert bei Radio Dreyeckland die Musiksendung „Keine Heimat (Euro-Folk)“

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