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Debatte um TU-PräsidentinKein weißer Rauch in Sicht

Die Gremien der Technischen Universität Berlin sollen die Zukunft von Präsidentin Rauch klären. Studierende erklären sich für sie.

Steht wegen einiger X-Likes in der Kritik: TU-Präsidentin Geraldine Rauch Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | Ist Geraldine Rauch, die erste Frau an der Spitze der Technischen Universität (TU), wegen ihres Verhaltens auf Social Media als Präsidentin untragbar geworden? Vor der Sitzung des Akademischen Senats, einer Art Hochschulparlament, der an diesem Mittwoch mit Zweidrittelmehrheit einen Abwahlprozess in Gang setzen könnte, gehen die Meinungen dazu weiter stark auseinander. Auf der einen Seite gibt es unvermindert starken Druck, Rauch zu entlassen – auf der anderen aber auch Unterstützung für sie, vor allem innerhalb der Hochschule.

So wurde am Montag eine Erklärung von 129 Beschäftigten der TU öffentlich, die die „Anfeindungen“ gegen Rauch „unverhältnismäßig“ nennt. Ihr Verhalten in den letzten Monaten zeige, „dass wohlüberlegtes Handeln auch bei sehr sensiblen Themen möglich ist“, loben die Unterzeichner. Man begrüße Rauchs Stellungnahme zu den von ihr gelikten Posts, dies könne jedoch nur der Anfang eines Aufarbeitungsprozesses sein, für den die Universität als „wichtiger Diskursraum“ der richtige Ort sei. Rein zahlenmäßig stellt diese Gruppe weniger als zwei Prozent der TU-Mitarbeiterschaft dar.

Vor einer Woche war durch einen Bericht der Jüdischen Allgemeinen ans Licht gekommen, dass Rauch auf ihrem privaten, inzwischen deaktivierten X-Account Beiträge geliked hat, die teils antisemitische Inhalte verbreiten. Problematisch ist vor allem ein Post, der Demonstrierende in der Türkei mit einem Transparent zeigt, auf dem eine Karikatur von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Hakenkreuz abgebildet ist. Zustimmung gab Rauch auch für einen Beitrag, der Israel im Gaza-Krieg „Völkermord“ vorwirft.

Die TU-Präsidentin entschuldigte sich für diesen „Fehler“ und beteuerte, das Netanjahu-Bild habe sie nicht „wahrgenommen“, vielmehr nur den Inhalt des Beitrags geliket. Der neue Antisemitismusbeauftragter der TU, Uffa Jensen, erklärte, andere von Rauch gelikte Beiträge seien „aus wissenschaftlicher Sicht nicht per se antisemitisch“.

„Nicht glaubwürdig“

Vielen reicht das nicht. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, etwa nannte Rauchs Entschuldigung „nicht glaubwürdig“. Auch aus der Bundespolitik, vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, bis zu Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), reißt die Kritik nicht ab.

Lokalen Gegenwind bekommt Rauch vor allem von der CDU. So sagte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Montagabend bei einem Wahlkampfauftritt in Reinickendorf: „Ich kann nur sagen, was sie gemacht hat, hat nicht nur der Technischen Universität geschadet, sondern dem Wissenschaftsstandort Berlin.“ Eine direkte Abwahl- oder Rücktrittsforderung war das zwar nicht, aber die hatte Berlins CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein schon vor einigen Tagen gestellt: „Die Position der CDU Berlin ist hier eindeutig: Präsidentin Rauch muss gehen“, erklärte Klein am Freitag in einem Newsletter ihres Landesverbands.

Die Studierenden zeigen dagegen „kritische Solidarität“ mit Rauch, wie ein Statement des Studierendenparlaments überschrieben ist. Man müsse ihr Verhalten in den letzten acht Monaten im Ganzen sehen, finden auch sie. Rauch habe sich seit dem Überfall der Hamas und dem dadurch ausgelösten „Militäreinsatz“ stets „gegen Antisemitismus eingesetzt“, für die Ängste und Sorgen aller Studierenden ein offenes Ohr gehabt und es mit „wohlüberlegtem Handeln“ geschafft, „Bilder von antisemitischer Hassgewalt und umstrittenen Polizeieinsätzen auf dem Campus und den Zulauf zu Schwarzweißdenken einzugrenzen“. Gleichwohl nehme man die Kritik, „die von jüdischen Verbänden ausgesprochen wurde, ernst“.

Rücktrittsforderungen und Infragestellung der Integrität von Rauch weise man jedoch zurück, so die Studierenden. Sie kritisieren umgekehrt den Senat, der versuche, „die Verantwortung für Antisemitismus und Rassismus innerhalb der Studierendenschaft auf die Hochschulen zu verschieben, ohne den Leitungen tatsächlich die Freiheit zu geben, einen eigenen Weg zu gehen“.

Verweis auf Hochschulautonomie

So verlagere die geplante Wiedereinführung der Exmatrikulationsklausel das Problem von gewalttätigen Studierenden vom Strafrecht auf die Hochschulen, gleichzeitig übergehe die Politik im Konfliktfalle jedoch die Unileitungen. Mit Letzterem ist offenbar die Entscheidung des Senats gemeint, die Besetzung der Humboldt Universität zu beenden, als die dortige Präsidentin Julia von Blumenthal noch mit den Besetzern im Dialog war.

Wie die Uni-Gremien nun mit der vertrackten Lage umgehen, ist völlig offen. „Es gibt die ganze Zeit viele Diskussionen“, sagte der Kanzler der TU, Lars Oeverdieck, am Dienstag der taz. Er selbst hatte durchblicken lassen, dass Rauch der Uni sehr geschadet habe – nun müsse schnell eine Entscheidung her, welche auch immer. Zugleich verwahrte er sich gegen politische Einmischung und verwies auf die Autonomie der Hochschule in der Sache.

Zuständig für eine mögliche Abwahl der TU-Präsidentin ist der Erweiterte Akademische Senat (EAS), der Rauch im Januar 2022 auch gewählt hat. Damals setzte sie sich mit 31 von 61 Stimmen gegen zwei Mitbewerber durch, darunter den damaligen Präsidenten. Am heutigen Mittwoch tagt im Mensa-Gebäude an der Hardenbergstraße allerdings zunächst der 25-köpfige Akademische Senat (AS). Darin sind alle Hochschulgruppen vertreten, wobei die Lehrenden mit 13 Sitzen eine absolute Mehrheit haben. Einem Abwahlantrag müsste eine Zweidrittelmehrheit des AS zustimmen, dazu bräuchte es ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit im 61-köpfigen EAS sowie im 11-köpfigen Kuratorium, dem Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) sowie einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und TU-Vertreter angehören.

Czyborra hatte am Freitag gefordert, es sei Aufgabe der TU, den Verdacht zu entkräften, es werde nicht alles zum Schutz jüdischer Studierender und gegen Antisemitismus getan. Sie wandte sich aber zugleich gegen staatliche Eingriffe. „Wenn wir Hochschulautonomie und Wissenschaftsfreiheit ernst nehmen, dann ist es auch geboten, sich da zurückzuhalten.“ Regierungschef Wegner wiederum „vertraut den Gremien und erwartet weise Entscheidungen“, sagte Senatssprecherin Christine Richter am Dienstag der taz.

Das Kuratorium kommt am nächsten Montag zusammen. Auch dieses Gremium könnte einen Abwahlprozess einleiten, dem dann wiederum der AS und EAS zustimmen müssten. Der EAS, der laut Grundordnung der Universität das letzte Wort in Sachen Abwahl hat, könnte laut TU-Pressestelle frühestens sieben Tage nach einem Kuratoriumsbeschluss zusammentreten. Die Diskussion um Rauch wird also weitergehen.

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11 Kommentare

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  • Spräche irgendetwas dafür, dass Fr. Rauch tatsächlich antisemitische Einstellungen hat, wäre ich ohne Frage dafür, dass sie abgewählt wird. Da keinerlei (!) antisemitische Äußerungen von ihr bekannt sind. sie sich vielmehr DAGEGEN eingesetzt hat und die Texte der gelikten Beiträge nicht antisemitisch waren, scheint mir ihre Erklärung, dass sie nur den Text, nicht aber das Bild des einen Beitrags betrachtet hat, absolut plausibel und ihre Entschuldigung glaubwürdig.



    Dass das wohl eines von unzähligen Beispielen ist, wo vermeintliche (!) Antisemitismusbekämpfung zu einer verlogenen Farce wird, deren Ziel und Ergebnis nicht die Bekämpfung von Antisemitismus ist, sondern eine Hetzkampagne, mittels derer Linke bzw. linke politische Positionen aus relevanten Ämtern bzw. aus dem politischen Diskurs entfernt oder sonstwie gecancelt (Wort hört man jetzt selten...) werden sollen, wird selten thematisiert . Dass dem freilich auch reihenweise jüdische Linke zum Opfer fallen, ist noch ein verstörendes Sahnehäubchen obendrauf. Dass das dem Kampf gegen Antisemitismus nicht hilft, sondern schadet, muss alle alarmieren und anwidern, die wissen, wie wichtig dieser Kampf ist.

  • Ich hoffe nur, daß man in ein paar Jahren über das, was gerade in Berlin abgeht, nur noch verständnislos den Kopf schütteln wird. Es ist lächerlich, peinlich und soooo weit weg von der Realität.



    Wenn jemand gerade dem Ansehen (des Wissenschaftsstandorts) Berlins usw schadet, sind es CDU, Springer und (ich reibe mir die Augen), mit von der Partie die taz?

  • Die absolute Mehrheit im AS haben übrigens nicht die Lehrenden, sondern die Professor*innen (als Statusgruppe).

  • 6G
    600539 (Profil gelöscht)

    Hat die gute Frau null Anstand ?



    Wie kann Sie nach der Nummer bleiben

    Aber klar den Stuhl zu räumen ; die einzig moralisch akzeptable Reaktion ; wäre ein Schuldeingeständnis .



    Und genau diese menschliche Grösse



    besitzt Fr. Rauch offenbar nicht.



    Aussitzen ist bequemer….

    Aber das wird an Ihr immer kleben bleiben wie Superglue .



    Würde Sie Ihr Büro räumen , würde Sie echte Grösse beweisen und hätte eine echte Chance auf Ruf Rehabilitation, one day !

  • "Lokalen Gegenwind bekommt Rauch vor allem von der CDU."

    Mit der CDU gegen Antisemitismus?

    Die sollen mal lieber ihre Adenauers, Kiesingers und Globkes aufarbeiten, anstatt hier die vermeintlichen Aufklärer zu spielen. Ähnliches gilt für die FDP.

  • ""Ihr Verhalten in den letzten Monaten zeige, „dass wohlüberlegtes Handeln auch bei sehr sensiblen Themen möglich ist“, loben die Unterzeichner. Man begrüße Rauchs Stellungnahme (...)Anfang eines AUFARBEITUNGSPROZESSES (..) Uni als „wichtiger Diskursraum“(...).""



    ====



    Wohlüberlegtes Handeln hat die Präsidentin der TU Geraldine Rauch sehr gut versteckt - sieheVotum der 129 Fürsprecher. Die TU hat 8.000 Beschäftigte, davon 430 wissenschaftliche Mitarbeiter und 64 Profs - die sich in ihrer überwältigenden Mehrheit nicht geäussert haben. Gut so - wozu hätten sie sich äußern können? Dazu, das Rauch Anzeichen zeigt, das sie als Präsidentin ihren Job nicht ausfüllt sondern



    den Dingen hinterher läuft, indem sie - noch dazu -zweifelhafte Tweeds liked?

    Rauch reagiert nicht auf Entwicklungen, sie steuert nicht und zeigt keine pro-aktive Gesprächsbereitschaft - sondern sie biedert sich an.

    Darüber kann es keine Aufarbeitung geben - auch nicht zu Ihrer Entschuldigung die an den Schüler erinnert, der angibt, das der Hund die Hausarbeiten gefressen hat.

    Rauch sollte das Heft des Handelns in die eigene Hand nehmen - in Absprache mit der Universitätsleitung und zurück treten.

  • „Wenn wir Hochschulautonomie und Wissenschaftsfreiheit ernst nehmen," hat z.B. eine Parteigängerin nichts auf dem Chefsessel im Kuratorium verloren.

  • Es ist sehr bedauerlich, dass es die Präsidentin überhaupt so weit kommen lässt und nicht von sich aus den richtigen Schritt geht. Je länger dieser Prozess dauert und ganz ungeachtet wie dieser ausgeht wird er die Spaltung vertiefen und die Uni schädigen.

    • @DiMa:

      Nachtrag zum Thema "Schaden": was jemand wie Sie (oder ich oder irgendjemand hier im Kommentarbereich) von der TU Berlin hält, ist für die TU garantiert komplett unwichtig.

    • @DiMa:

      Es gibt keine "Spaltung" (außer in den Wortmeldungen TU-externer Akteure mit Eigeninteresse), nur ein Meinungsspektrum. Was schadet und was nicht, wird man sehen müssen. Bisher reiht sich die TU nur ein in die schier unendlich lange Liste von Bildungseinrichtungen überall auf der Welt, in denen die Lage in Nahost/Gaza/Israel zu Kontroversen geführt hat.

      • @My Sharona:

        Nur das die TU diese "Komtroverse" seitens des Präsidiums betreibt durch das linken vollkommen überzogenen Tweets und Bilder.

        Solche Komtroversen sollten gut gemanagt und nicht befeuert werden.