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KorallenbleicheHitzeresiliente Korallen

Weltweit leiden Korallen unter Hitzestress, doch manche vertragen höhere Temperaturen als andere. For­sche­r*in­nen versuchen sie gezielt zu züchten.

Hatten tausende von Jahren Zeit, sich an die Hitze anzupassen: Korallen im Roten Meer, Ägypten Foto: Rolf von Riedmatten/imageBROKER/iamgo

Korallenriffe sind ein Hotspot der Artenvielfalt, sie bieten etwa drei Viertel aller bekannten Meereslebewesen eine Heimat. Und sie sind existenziell bedroht. Steigende Wassertemperaturen führen dazu, dass die Korallen die mit ihnen lebenden Algen abstoßen. Dadurch bleichen sie aus und verlieren ihre wichtigste Nahrungsquelle.

Allerdings, so Joanie Kleypas vom Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung in Colorado, seien manche Korallen widerstandsfähiger als andere. Die Korallen im Roten Meer beispielsweise können höheren Temperaturen standhalten, weil sie Tausende von Jahren Zeit hatten, sich an die dortige Hitze anzupassen. Das Problem sei, dass der Mensch die globalen Temperaturen schneller ansteigen lässt, als die Korallen durch natürliche Auslese ihre Resilienz entwickeln könnten, sagt Kleypas.

Stresstest im Meeressimulator

Am Australischen Institut für Meereswissenschaften züchtet ein Forscherteam daher gezielt Korallen, die besser mit der Hitze zurechtkommen. Der erste Schritt bestehe darin, hitzebeständige Eltern zu finden, sagt Annika Lamb, eine der Forschenden. Dazu werden Korallenproben entnommen, in Tanks gesetzt und im Meeressimulator des Instituts einem Hitzestress-Test, einem sogenannten „Rapid Heat Stress Test“ unterzogen. Anschließend werden die Korallen entsprechend ihrer Hitzebeständigkeit klassifiziert.

Riffe in Gefahr

Korallen sehen zwar aus wie Unter­wasserpflanzen, sind aber im Grunde ortsgebundene Tiere. Sie leben in enger Zweckgemeinschaft mit Mikroalgen, sogenannten Zooxanthellen. In guten Zeiten profitieren beide voneinander. Die photosynthetischen Algen produzieren Zucker und Sauerstoff, im Gegenzug bieten die Korallen ihnen Sicherheit und Nährstoffe.

Das Ausmaß

Das australische Great Barrier Reef trifft es besonders hart, aber die große Korallenbleiche vollzieht sich rund um den Globus. Vor den Küsten Floridas im Atlantik, im Indischen Ozean bei Tansania sowie in weiten Teilen des Pazifiks haben Forschende seit Anfang 2023 eine Massenbleiche der Korallenriffe registriert – von der einstigen Farbenpracht bleiben nur weiße Skelette. 54 Prozent der Korallen­gebiete in mittlerweile 62 Ländern und Territorien sind betroffen, erklärte die US-amerikanische Ozean- und Atmosphärenbehörde Mitte Mai. Es ist die vierte globale Korallenbleiche und die wohl größte, die je beobachtet wurde.

Die Bedrohung

Heizt sich das Wasser zu sehr auf, kippt das Verhältnis der Lebensgemeinschaft zwischen Koralle und Alge. Die Koralle setzt die Untermieterin Alge dann quasi vor die Tür. Der Grund: Die hohen Temperaturen stören die Fotosynthese der Alge. Diese kann keinen Zucker mehr liefern und produziert stattdessen aggressive Toxine. Die Nährstoffe der Koralle nutzt sie aber trotzdem, sodass dieser zum eigenen Schutz keine andere Option bleibt, als die Alge abzustoßen. Ohne die Alge verliert die Koralle ihre Farbe, die Bleiche setzt ein. Kurzfristig ist das Abstoßen eine gute Strategie – langfristig jedoch fehlen der Koralle die durch die Alge gelieferten Nährstoffe, sie droht zu verhungern. Der Weg zurück ist möglich: Normalisieren sich die Umgebungstemperaturen, kann die Symbiose neu aufleben. Dennoch schwächen solche Ereignisse die Korallen nachhaltig. Sie pflanzen sich danach schlechter fort und sind anfälliger für Parasiten und Krank­heiten.

Von da an sei es ein Geduldsspiel, sagt Lamb. Normalerweise laichen Korallenkolonien in nur einer einzigen Nacht im Jahr, ausgelöst durch einen exakten Zeitraum, der zwischen Sonnenuntergang und Mondaufgang liegt. Dieses Lichtmuster stellen die Forschenden im Meeressimulator nach. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, steigen sie hinunter in die Korallenräume. Zuvor setzen sie sich rote Stirnlampen auf. Damit wollen sie ihren eigenen Einfluss auf die lichtempfindlichen Korallen so gering wie möglich halten. Sie warten, bis die Korallen laichen, und sammeln dann die Ei- und Spermienpakete ein, die in den Tanks auf der Wasseroberfläche schwimmen.

Babykorallen werden ausgewildert

Die Forschenden befruchten daraufhin die Eier und kreuzen dafür die verschiedenen Gruppen hitzebeständiger Korallen miteinander. So wollen sie besonders resistente Nachkommen zu züchten. Im August 2023 hatten sie bereits über drei Millionen Eier befruchtet. Diese ziehen die Forschenden dann in den Korallenkindergärten des Meeressimulators heran: von mikroskopisch kleinen Organismen bis zu Korallen von der Größe eines Fingernagels.

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Ziel der Unternehmung ist, die Korallen wieder in die freie Natur auszuwildern. Dafür wird häufig das Verfahren der sogenannten Korallenaussaat genutzt. Dabei werden Babykorallen auf kleine Keramik- und Betonsockel gelegt und in Gebiete geworfen, in denen Riffe saniert werden müssen. Laut dem Institut ist es „der größte jemals durchgeführte Forschungsversuch zur Wiederherstellung von Korallen“. 100.000 Babykorallen wurden bislang in das Riff eingebracht. Ob diese Bemühungen Früchte – oder, noch wichtiger, Korallen – tragen werden, bleibt abzuwarten.

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8 Kommentare

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  • taz: *Am Australischen Institut für Meereswissenschaften züchtet ein Forscherteam daher gezielt Korallen, die besser mit der Hitze zurechtkommen. [...] 100.000 Babykorallen wurden bislang in das Riff eingebracht.*

    Der Mensch möchte also mal wieder gezielt und mit Gewalt in die Natur eingreifen, denn das ist ja immer "gut gegangen" – oder? Vielleicht züchtet man ja demnächst auch Menschen, die besser mit Hitze zurechtkommen, anstatt endlich mal etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen.

    • @Ricky-13:

      Ach Gottchen. Man pflanzt im Forst auch Bäume die besser mit dem Klimawandel zurecht kommen. Oder wollen Sie weiterhn Kiefernforstplantagen?

      • @Rudolf Fissner:

        Sind Sie wieder einmal dabei, meine Sätze ins Gegenteil zu verkehren?

        *Man pflanzt im Forst auch Bäume ...* – Ja, genau das meinte ich ja, denn der Mensch in seinem Wahn glaubt ja immer, dass er alles besser weiß als die Natur. Wälder sind viele Millionen Jahre ohne den Menschen ausgekommen - und natürlich auch besser ausgekommen - denn Wälder waren keine von Forstwirten angelegte nachwachsende Werkstoffe die man zu Geld machen möchte. Und jetzt auch noch gezielt in das Meer eingreifen zu wollen, um mal wieder 'Gott zu spielen', ist die typische Arroganz des Menschen, die uns dahin gebracht hat, wo wir mit dem Klimawandel jetzt angelangt sind.

  • Na prima. Die Pseudo-Partei FDP sagt's doch schon immer: wir brauchen gar nichts zu ändern, wir lösen das technologieoffen. Alles paletti!??

    • @Perkele:

      Was haben Sie gegen Technologieoffenheit. Was muss man überhaubt so laut dagegen anstinken?

      • @Rudolf Fissner:

        Gar nichts habe ich gegen Technologieoffenheit. Sehr wohl aber habe ich etwas dagegen, dass hinter diesem scheinheiligen Vorwand alles versteckt wird, was nötig ist um das Klima zu retten. Dazu gehört auch -und gerade- ein Umdenken und die Bereitschaft sich selbst und seine Gewohnheiten zu ändern. Das lässt sich nie mit Technologie erreichen.

  • Genau das, was der Welt noch gefehlt hat: Korallen-Monokulturen. Na bravo.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Auf dem Land ist doch schon vieles durch Monokulturen vor die Hunde gegangen, dann muss man halt im Meer weitermachen.