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Rassismusäußerungen in GroßbritannienLabour-Abgeordnete hat Sitz zurück

Nach einem Jahr ist die Abgeordnete Abbott nicht mehr suspendiert. Ob sie bei den Parlamentswahlen kandidieren darf, ist unklar.

Als Parlamentarierin machte sich Diane Abbott im Kampf gegen Apartheid und Rassismus einen Namen Foto: Beresford Hodge/reuters

London taz | „Ich war die einzige schwarze Schülerin im Gymnasium,“ sagte Diane Abbott mal über sich selbst. Und auch in ihrem Geschichtsstudium an der Cambridge University, in ihrer frühen Karriere im Innenministerium, als Reporterin und Pressesprecherin war sie eine der wenigen. Erste schwarze Frau im Unterhaus wurde sie auch, als sie 1987 für Labour als Vertreterin des Ostlondoner Wahlkreises Hackney North and Stoke Newington gewählt wurde. Als Parlamentarierin machte sich die 1957 in London geborene Tochter jamaikanischer Eltern einen Namen als Antirassistin und im Kampf gegen Apartheid.

Wegen umstrittener Aussagen geriet Abbott vor 13 Monaten in die Kritik. Auslöser war ein Brief im April 2023 an die Sonntagszeitung The Observer, in dem sie behauptete, rothaarige Menschen, Ir:innen, jüdische Menschen und Travellers würden zwar Vorurteile verspüren, müssten aber nicht in ihrem ganzen Leben Rassismus erfahren. Diese Gruppen hätten in den USA nie im Bus hinten sitzen müssen, hätten im Apartheid-Südafrika wählen können und nicht in der Angst leben müssen, auf Schiffen versklavt zu werden, schrieb sie.

Die jüdische Labourabgeordnete Margaret Hodge hatte die Worte damals als „zutiefst beleidigend“ bezeichnet. Abbott wurde im Anschluss von der Partei suspendiert. Die Politikerin entschuldigte sich im Nachgang und distanzierte sich von den Aussagen.

Erst am Dienstagabend erhielt Abbott ihren Sitz als Labourabgeordnete wieder, ohne jedoch die Gewissheit zu haben, ob sie somit auch Kandidatin für ihren Wahlkreis bei den Parlamentswahlen am 04. Juli sein wird. Laut Starmer ist die Entscheidung noch nicht gefallen. Eine Nominierung muss bis zur Frist zum 4. Juni feststehen.

Abbotts politische Karriere ist von Höhen und Tiefen geprägt: 26 Jahre lang ließen sie ihre Par­tei­ge­noss­:innen auf den Hinterbänken der Fraktion sitzen. Erst Ed Milliband rief sie 2010 ins Schattenkabinett, dort war sie für öffentliche Gesundheit zuständig. Unter Jeremy Corbyns Parteiführung wurde Abbott sogar zur Schatteninnenministerin befördert. 2017 erlitt die Labourabgeordnete den traurigen Rekord der britischen Politikerin mit der höchsten Anzahl von Hasserklärungen auf Twitter. Im März beleidigte sie einer der größten Parteispender der Tories, Frank Hester, mit den Worten: „Diane Abbott bringt einen dazu, alle Schwarzen Frauen zu hassen.“

Antisemitismusproblem bei Labour

Gegenwind erhielt Abbott auch im Rahmen der Antisemitismusvorwürfe bei Labour. Damals nahm sie die Partei und Corbyn treu in Schutz. Sie betonte lieber Labours Vergangenheit im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus, als sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen. Dabei hatte die Politikerin durch ihren Wahlkreis viel Umgang mit ul­traorthodoxen jüdischen Gemeinden in Stamford Hills. Tatsächlich soll sie auf kommunaler Ebene viel für diese Gemeinden getan haben. Ihre Haltung zu den Antisemitismusvorwürfen machte ihr aber auch der damalige Vertreter der orthodoxen Gemeinden, Rabbiner Abraham Pinter, zum Vorwurf. Ein Untersuchungsbericht der Gleichberechtigungs- und Menschenrechtsorganisation (EHRC) 2020 bestätigte schließlich, dass Labour Probleme mit Antisemitismus hat. Der neue Labourchef Keir Starmer versprach, dagegen vorzugehen.

Zur Frage der Kandidatur bei den Parlamentswahlen erklärte Abbott am Mittwochabend kämpferisch: Sie werde versuchen, Vertreterin ihres Wahlkreises mit allen möglichen Methoden zu bleiben.

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3 Kommentare

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  • Für den Kampf gegen Diskriminierung ist es eher nicht hilfreich, wenn die (objektivierbar) Diskriminierten (und/oder jene, die sich diskriminiert fühlen) untereinander (aus jeweils eigener Sicht) "Rangordnungen" nach dem Grad der Betroffenheit aufstellen.

    Ich halte das allerdings nicht zwingend für unentschuldbar, sofern man in der Lage ist, es einzusehen.

  • Wenn sie vom London der Gegenwart ausgeht, kann ich ihren Satz gerade nicht so einfach widerlegen. Wobei man gut-universalistisch am besten nie das eine gegen das andere ausspielt. Starmer muss dabei mal wieder aufpassen, dass er nicht nur Tory II macht. Er regiert zu sehr zu angepasst in die Partei hinein, das ist weder gut für die, noch fürs Land.

    • @Janix:

      Sie geht aber nicht vom London der Gegenwart aus. Im London der Gegenwart müssen Schwarze Menschen nicht hinten im Bus sitzen und müssen auch nicht befürchten, als Sklaven per Schiff auf andere Kontinente verschleppt zu werden.