Kriegswirtschaft in Russland: Putin bittet sein Volk zur Kasse

Der Krieg in der Ukraine reißt ein gewaltiges Loch in Russlands Haushalt. Nun plant die Regierung die größte Steuererhöhung seit Jahrzehnten.

Anton Siluanow (l), Finanzminister von Russland, nimmt an einer Sitzung der Staatsduma, dem Unterhaus des russischen Parlaments, teil.

Die Kriegskassen müssen gefüllt werden: Der russische Finanzminister Anton Siluanow hat einen Plan

MOSKAU taz | Der Wunsch des Präsidenten ist Befehl für den russischen Finanzminister Anton Siluanow. Von „durchdachten Ansätzen“ hatte Wladimir Putin während seiner Rede an die Nation im Februar dieses Jahres gesprochen, die Steuerlast sollte auf „diejenigen mit höherem Privat- und Unternehmenseinkommen verteilt“ werden, hatte Putin gesagt. Es gebe eine „Forderung nach Gerechtigkeit“.

Nun legt Siluanow seinen Plan vor: Steuern für Unternehmensgewinne sollen von 20 auf 25 Prozent steigen. Für Einkommen steigen die Steuern gestaffelt. Für Jahreseinkommen zwischen fünf und 20 Millionen Rubel (das sind umgerechnet etwa 51.000 bis 207.000 Euro) steigt der Steuersatz von 15 auf 18 Prozent. Zwischen 20 und 50 Millionen (bis zu 515.000 Euro) sollen 20 Prozent fällig sein.

Und ab 50 Millionen jährlich soll der Spitzensteuersatz von 22 Prozent gelten, das sind sieben Punkte mehr als bisher. Die Erhöhungen, die größten seit Jahrzehnten, würden nach Berechnungen des Finanzministeriums umgerechnet mehr als 27 Milliarden Euro Einnahmen im Jahr bringen.

Von den gestaffelten Erhöhungen betroffen sind den Angaben zufolge etwa drei Prozent der Beschäftigten, das sind etwa zweieinhalb Millionen Menschen, die mehr als umgerechnet 2.000 Euro im Monat verdienen.

Die Kriegskasse muss gefüllt werden. Die westlichen Sanktionen, zumal auch die Preise für Gas- und Ölverkäufe immer wieder schwanken, bergen gewisse Risiken in sich.

Die Superreichen aber trifft die Reform kaum. Ihr Einkommen setzt sich weniger aus Gehältern, sondern vielmehr aus Dividenden, Einkünften aus Einlagen und Wertpapieren zusammen. Die progressive Staffelung betrifft all das nicht, der Höchstsatz bleibt hier bei 15 Prozent. Kriegs­teil­neh­me­r*in­nen – im Durchschnitt verdienen sie laut Putin durchschnittlich 200.000 Rubel im Monat (etwa 2.000 Euro) – wie auch Selbstständige sind von den Erhöhungen befreit.

In all denen, die an der Front aktiv sind, sieht Russlands Präsident ohnehin die „neue Elite“ des Landes. Sie stützt er durch soziale Ausgaben aus dem Budget. Die Haupt­nutz­nie­ße­r*in­nen des Regimes sind die, die loyal zu diesem Regime sind und in direktem Zusammenhang mit dem Krieg stehen. Diese Bevölkerungsgruppen will der Präsident nicht verschrecken.

Seit Russlands Invasion in der Ukraine im Februar 2022 haben die Staatsausgaben die Einnahmen deutlich überschritten. Russland verzeichnete 2022 und 2023 ein Haushaltsdefizit von umgerechnet etwa 68 Milliarden Euro. Die Rücklagen im Nationalen Wohlstandsfonds sind ebenfalls – um etwa die Hälfte – geschrumpft. Das Geld wurde unter anderem auch immer wieder zum Ausgleichen des Haushaltsdefizits genutzt.

Ohne Kriegsproduktion geriete die Wirtschaft in Schockstarre

Mit seinen gigantischen Militärausgaben ist das Land längst in einen Teufelskreis geraten. Das Regime tut stets optimistisch, die Löhne mancher Bevölkerungsgruppen sind real gestiegen. Doch das eng kalkulierte Budget ist ganz auf die Bedürfnisse des Krieges ausgerichtet.

Die enormen Ausgaben für Rüstung lassen sich laut russischer Wirtschaftsexpertin Alexandra Prokopenko, die mittlerweile in Berlin lebt, nur zum Preis einer verarmten Bevölkerung erkaufen. Die Wirtschaft lebe in einer Art Kriegsblase, weil sich andere Wirtschaftszweige kaum entwickelten.

Fiele die derzeitige Kriegsproduktion im Akkord weg, geriete auch Russlands Wirtschaft in eine Schockstarre. Schon aus diesem Grund hält Putin an der Fortsetzung seiner „Spezialoperation“ fest und bittet sein Volk nun zur Kasse. Wenn auch nur ausgewählte Vertreter*innen.

Mit Siluanows Plänen muss sich nun das Parlament befassen. Das aber gilt als Formsache.

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